Bewirkt die Speise etwas?

Predigt zum Ostersonntag

Predigt

Unmittelbar vor Ostern kam im Rahmen einer Eheberatung ein Paar zum Gespräch. Die Beziehung zwischen den beiden war verkümmert. Der Mann wünschte sich, dass die Frau zur Feier der Osternacht mitgeht. Die Frau lehnte das ab und meinte, Ostern ereignet sich anderswo. Er wollte, dass sie ihm wenigstens Speisen in einem Korb mitgibt. Das tat sie denn auch. In einem weiteren Gespräch beklagte sich die Frau, dass ihr Mann in den Wochen nach Ostern ähnlich wortkarg, uninteressiert und gefühlskalt war wie in den Wochen zuvor. Die geweihten Speisen hätten auch nichts bewirkt. Als der Berater den Mann fragte, ob er denn bei sich eine Wirkung der Osternacht bemerken konnte, meinte er: So eine schwierige Frage hätte ihm noch nie einer gestellt.
Viele von uns haben die Osternachtsliturgie mitgefeiert. So mancher von Ihnen hat in diesen Gottesdienst Speisen mitgebracht und nimmt sie gesegnet mit nach Hause. Die Frage ist: Welche Wirkkraft hat die Mitfeier der Osterliturgie in unser Leben hinein? Die Osterliturgie und die gesegneten Osterspeisen haben keine magische Wirkung. Sie werden nicht mit einem Schlag alles verändern, was wir gerne anders hätten. Sie werden nicht die Steine, die uns auf dem Herzen liegen, einfach wegrollen. Sie werden uns nicht gleich ungekannte Kräfte zuwachsen lassen. Sie werden uns nicht gleich viel optimistischer stimmen und die Welt viel freundlicher sehen lassen.
Aber eines tun sie: Sie schlagen eine Brücke von der Feier der Auferstehung hinein in unser Leben.
Was wäre gewesen, wenn der Mann die Speisen ernst genommen hätte und zuhause beim Essen sich bemüht hätte, mit seiner Frau ins Gespräch zu kommen? Was wäre gewesen, wenn die Frau dann ihrem Mann gegenüber einmal ein paar ihrer Träume von ihrer Beziehung formuliert hätte?
Was wäre gewesen, wenn der Mann seinen Lieblingswein, den er unbedingt gesegnet haben wollte, geöffnet hätte und beide nach einem guten Schoppen oder auch zwei wieder einmal herzhaft miteinander gelacht hätten?
Dann hätte die Frau sagen können: Siehst du, Ostern ereignet sich woanders. Aber er hätte ebenso bei seiner Meinung bleiben und sagen können: Aber es beginnt in der Kirche.

Fürbitten

Lebendiger Gott, wir haben sie wieder gehört: die Geschichte vom Sieg des Lebens über den Tod. Wir bitten dich:

– Die alte Geschichte – lass sie neu werden in unserem Leben, dass sie unsere enttäuschten Hoffnungen erneuert und uns frischen Mut gibt.
– Die alte Geschichte – lass sie neu werden in unserem Alltag, dass wir die Osterspuren entdecken, die du in unser Leben gelegt hast.
– Die alte Geschichte – lass sie neu werden in unseren Kirchen, dass viele in unseren Gottesdiensten ermutigt und gestärkt werden.
– Die alte Geschichte – lass sie neu werden in unserer Welt, dass Menschen zusammenstehen und gegen das Leid vieler aufbegehren.
– Die alte Geschichte – lass sie neu werden für unsere Toten, dass sie erleben dürfen, was sie geglaubt haben.

Lebendiger Gott, lass die Auferstehung deines Sohnes neu werden für uns und unsere Welt.


Pfarrer Stefan Mai

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