Das Bündel des Lebens

Bußgottesdienst in der Fastenzeit

Lied: 292/1+4

Einleitung

Die Jäger bauen in unseren Wäldern Hochsitze. Von ihnen aus haben sie einen Überblick, was sich im Gestrüpp, Unterholz und Sträuchern abspielt. Von hier aus können sie besser beobachten. Von einer höheren Warte aus haben sie einfach die bessere Übersicht.
Manchmal haben wir im Leben das Gefühl, vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr zu sehen. Ein Tag vergeht wie der andere in der Tretmühle des Alltags. Irgendwie geht der Überblick und die Übersicht verloren. Und die Sehnsucht wächst, über den Dingen zu stehen, einmal von oben draufzuschauen, das Ganze besser durchblicken und überblicken.
Es macht mich nachdenklich, dass der Bußruf Jesu im griechischen Urtext „metanoeite“ heißt. Das heißt wörtlich eigentlich nicht „kehrt um“, eher schon „denkt um“. Ganz wörtlich bedeutet es: „Denkt einmal auf einer Metaebene, denkt einmal von einer höheren Warte aus!“
Der Bußgottesdienst ist für mich so etwas ähnliches wie ein Hochsitz über dem Gestrüpp und Strauchwerk des Alltags, ein Ort, von dem ich von oben drauf schauen kann auf mein Leben und besser sehe, was sich da unten abspielt.
„Metanoeite“! Schaut einmal von einer höheren Warte auf euer Leben, das rät uns Jesus. Dazu lädt uns dieser Bußgottesdienst wieder einmal ein.

Lied: Gl 160/ 1-3

Gebet

Gott, du Quelle des Lichts,
manchmal tust du uns die Augen auf,
lässt uns hindurchsehen durch das Dickicht des Alltags,
lässt uns ein Licht aufgehen
und schenkst uns die Klarheit zu erkennen, was recht ist
und den Mut abzulehnen, was falsch ist.
Schenke uns Klarheit über uns selbst
und lass uns die Wege gehen,
die uns den Mitmenschen und dir näher führen.

Besinnung

Vor 30 Jahren habe ich mit meinem Freund ein Jahr in Israel an der École Biblique studiert. Zu Beginn des Studienjahres ging es mit Jeeps in die Wüste Sinai. Die Nomaden dort sind mit ihren Ziegen und Schafherden zu Fuß unterwegs. Jedes Gewicht, das sie auf Eseln oder Kamelen durch das unwirtliche Gelände mitschleppen, muss gebraucht werden und von Nöten sein. Sie können nur mitnehmen, was sie momentan brauchen. Alles andere wäre nur unnötiger Ballast. So binden sie Dinge, die für die nächste Wegstrecke entbehrlich sind, in einem Stoffbündel zusammen und hängen das große Bündel an einen der wenigen Bäume in der Wüste. Wenn sie wieder vorbeikommen und das Bündel wieder tragen und brauchen können, laden sie es ihren Tieren wieder auf.
Mich macht dieser Nomadenbündel nachdenklich. Symbolisch hänge ich einen solchen Stoffbündel in unseren Altarraum. Er soll uns nun zum Nachdenken anregen.

Der Stoffbündel wird auf eine Staffelei gehängt

Am Beispiel der Nomaden, die sich von unnötigen Lasten befreien, können wir einige grundlegende Dinge fürs Leben lernen. Denn das Bündel in der Wüste fragt mich:
Ist nicht manches, das du gerade im Leben mit dir herumschleppst, unnötiger Ballast? Da könnte ich vielleicht manches getrost zusammenpacken und weghängen und würde dann vielleicht sogar besser im Leben vorankommen.
Das Bündel fragt mich:

Worauf könnte ich im Leben gut verzichten? (Frage aufs Bündel heften)

Ein paar Meinungen von bekannten Persönlichkeiten in der Öffentlichkeit, können uns bei dieser Frage zum Nachdenken anregen:

Auf Meldungen von Krieg, Gewalt und Hass.
Auf fast alles, was meine Großeltern noch nicht hatten, meint Gundula Gause.

Auf Statussymbole - ist die Antwort von Wolfgang Niedecken

Und der bekannte ZDF-Journalist Peter Hahne meint:
Auf Miesepeter, Meckerfritzen und Milchschokolade

Nachdenklich machende Worte aus dem Evangelium dazu:

Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt? Um welchen Preis könnte ein Mensch sein Leben zurückkaufen? (Mk 8,36f)

Du aber salbe dein Haar, wenn du fastest, und wasche dein Gesicht, damit die Leute nicht merken, dass du fastest!


Was wäre meine ganz persönliche Antwort auf diese Frage: Auf was könnte ich im Leben verzichten?

Wenn ich könnte: Welchen Schatten von mir, welche Eigenschaft, die ich nicht an mir mag, möchte ich zurücklassen?

Welchen Ärger, welche Sorge möchte ich endlich einmal loshaben?

Wie könnte das ganz konkret in meinem Leben ausschauen?

- Meditatives Orgelspiel -

Die Nomaden in der Wüste fragen sich als zweites: Was brauche ich unbedingt für die nächste Wegstrecke, was muss ich unbedingt mitnehmen?

Nachdenklich machende Worte aus dem Evangelium dazu:

Jesus stieg auf einen Berg und rief die zu sich, die er erwählt hatte, und sie kamen zu ihm. Und er setzte zwölf ein, die er bei sich haben und die er dann aussenden wollte (Mk 3,13f)

Und Mose sagt zu Gott im Buch Exodus: Wenn du nicht mitgehst, dann wäre es besser, du ließest uns hierbleiben. (Ex 33,15)


Stellen auch wir uns diese Frage:

Was brauche ich unbedingt auf meiner Lebensreise? (Frage aufs Bündel heften)

Welche liebe Menschen sind es? Welche Unterstützung erfahre ich durch sie?
Gebe ich Gott einen Platz in meinem Leben? Wie drücke ich es aus, dass er auf meinen Lebensweg mitgehen soll?

Gibt es Worte, Lieder, Gebete oder Texte, die mich zur Zeit begleiten?

Was sind besondere Eigenschaften, die mein Leben leichter, reicher machen und mein Leben gelingen lassen?

Gibt es besondere Erinnerungen, Erlebnisse, die mich immer wieder hoffen, immer wieder neu vertrauen lassen?

- Meditatives Orgelspiel -

Wenn die Nomaden oft nach langer Zeit an den Bäumen, an die sie ihre Bündel zurückgelassen haben, wieder vorbeikommen, dann nehmen sie aus dem Bündel oft wieder Gegenstände für die kommende Wegstrecke mit und lassen dafür anderes zurück.

Nachdenklich machende Worte aus der heiligen Schrift dazu:

Kann denn eine Mutter ihr Kind vergessen? Und selbst, wenn sie es vergessen könnte, ich vergesse euch nicht! (Jes 49,15).

Als er später von den Toten auferstanden war, erinnerten sich seine Jünger an dieses Wort (Joh 2,22).


Auch in unserem Leben ist es oft ähnlich:
Dinge, die vielleicht jahrelang keine Rolle mehr in meinem Leben mehr spielten, gewinnen wieder an Bedeutung.

Erlebnisse, die ich schon vergessen hatte, kommen plötzlich wieder in mir hoch und beschäftigen mich.

Mit Personen, die aus meinem Gesichtsfeld verschwunden waren, gibt es wieder neue Berührungspunkte.

Welche Dinge, Erlebnisse, Erfahrungen mit Menschen aus früheren Jahren gewinnen für mich zur Zeit wieder neu an Bedeutung?

Was nehme ich wieder in mein Leben auf? (Frage aufs Bündel heften)

- Meditatives Orgelspiel -

Vergebungsbitte

Herr, unser Gott, oft schleppen wir im Leben Dinge mit, die wir für unentbehrlich halten. In Wirklichkeit aber belasten sie uns mehr als sie zum Leben helfen. Oft sind sie ein Grund für nutzlose Sorgen, die uns zu schaffen machen.
Manchmal lassen wir aber auch einfach Wichtiges zurück und verlieren es eine zeitlang aus den Augen und spüren, wie schwer es ist, Verlorenes wieder zurückzuholen.
Oft ist es schwer zu entscheiden, was wichtig und richtig im Leben ist. Vor dir gestehen wir unsere Ohnmacht, unsere Unterlassungen und unsere Schuld ein:

Schuldbekenntnis: Ich bekenne...

Herr vor dir und voreinander haben wir unsere Schuld bekannt und bitten um deine Wegweisung

Beten von 623 (Abwechselnd zwischen V/A)

Lied: Gl 268/1-4

Fürbitten-Litanei

Herr, unser Gott, im Vertrauen auf dich rufen wir zu dir:

V/A Herr, befreie uns

Von aller übertriebener Sorge
Vom dauernden Kreisen um sich selbst
Von der Angst, zu kurz zu kommen
Von Ichsucht und Egoismus
Von Geiz und Raffgier
Von der Angst loszulassen

V/A Lass uns gehen Herr

Mit Vertrauen auf dein Weggeleit
Mit Menschen an unserer Seite
Mit Mut und Zuversicht
Mit dem Proviant des Glaubens im Lebensgepäck
Mit klaren Vorstellungen und guten Mutes
Mit Idealen und einem Ziel vor Augen

V/A Lass uns finden, Herr

Vergessene Kraftquellen
Verloren gegangene Träume
Verloren gegangenes Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen
Den Glauben an das Gute im Menschen
Die Hoffnung, dass Probleme sich lösen lassen
Den Schlüssel zu uns selbst

V/A Lass uns glauben, Herr

An dich
An uns
An Andere
An die Kraft zur Veränderung
An dein Erbarmen
An eine gute Zukunft

Vater unser

Segen

Bewahre uns Gott, behüte uns Gott,
sei mit uns auf unsern Wegen.
Sei Quelle und Brot in Wüstennot,
sei um uns mit deinem Segen

Bewahre uns Gott, behüte uns Gott,
sei mit uns in allen Leiden.
Voll Wärme und Licht im Angesicht,
sei nahe in schweren Zeiten.

Bewahre uns Gott, behüte uns Gott,
sei mit uns vor allem Bösen.
Sei Hilfe, sei Kraft, die Frieden schafft,
sei in uns, uns zu erlösen

Bewahre uns Gott, behüte uns Gott,
sei mit uns durch deinen Segen.
Dein heiliger Geist, der Leben verheißt,
sei um uns auf unseren Wegen

Lied: Gl 933/1+3.4.5


Pfarrer Stefan Mai

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