Ganz gewöhnlich sein

Predigt zum Josefstag 2009

Deutschland sucht den Superstar. Das sind zur Zeit die Fernsehsendungen mit hohen Einschaltquoten. Junge Menschen stellen sich mit ihrem Gesangs- und Showtalent der Jury mit Dieter Bohlen, hören sich von ihm seine mehr oder minder geistreichen Kommentare an und hoffen, irgendwann im Schlager oder Showgeschäft einmal groß herauszukommen. Einmal ganz oben stehen, im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehen. Einmal erleben, dass mein Name bekannt wird, das hofft jeder Jugendliche, der hier antritt. Und so versucht sich jeder Jugendliche, der in dieser Show auftritt, auf seine Art interessant zu machen.

Der hohe Einschaltquotenerfolg dieser Sendung wäre meiner Meinung nach aber nicht möglich, wenn diese Sendung nicht eine tiefe Sehnsucht der Zuschauer ansprechen würde: Einmal gesehen, wahrgenommen zu werden. Einmal zu erleben, dass ich etwas gelte und Erfolg habe. Unser menschlicher Alltag ist nicht immer aufregend, prickelnd und interessant, er ist meist so gewöhnlich. Und manchmal kommt er einem sogar banal vor.

Der heutige Tagesheilige, der hl. Josef, ist eine Gegenfigur zu einer Show im Stil von Dieter Bohlen. Er war kein Mann, der im Mittelpunkt stand oder sich in den Mittelpunkt stellte. Er war kein Mensch, der sich mit seinen Ideen oder Eigenheiten interessant machen wollte. In der Bibel kommt er nicht groß heraus, er handelt nur im Hintergrund. Ist da, wenn er gebraucht wird. Ist sensibel, wenn seine Familie in Gefahr ist. Der stille Mann, von dem kein einziges Wort im NT berichtet wird, ist hellhörig für das, was das Leben von ihm verlangt; er langt hin, wo er gebraucht wird.

Ein chinesischer Meister sagte einmal: Tao - das bedeutet der richtige Weg - ist: Ganz gewöhnlich zu sein. Dieser Josef ist ein Mann des ganz Gewöhnlichen. Aber nicht in dem Sinn, dass er kein Format, keine Größe hätte. Die Größe des hl. Josef besteht gerade darin, dass er sich auf das Alltägliche einlässt, dem, was ihm begegnet, versucht, gerecht zu werden. Einfach da zu sein, wenn er gebraucht wird. Menschen zu Diensten zu sein, ohne sich zu fragen, ob er groß dabei herauskommt.

An seiner Figur kann ich das lernen, was einen ganz normalen Alltag erfüllt macht und was die echte Größe eines Menschen ausmacht. Romano Guardini hat dies einmal in die Worte gebracht: „Ob einer ernst macht, erkennt man nicht an den großen Entschlüssen, sondern an der kleinen Arbeit, tagaus, tagein.“


Pfarrer Stefan Mai

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