Und die Menschen waren sehr betroffen...

Lese-Predigt am 4. Sonntag im Jahreskreis zur Einführung der sonntäglichen Wort-Gottes-Feier in der Pfarreiengemeinschaft St. Franziskus am Steigerwald

Einleitung

Die Fastenzeit wird in der Gottesdienstlandschaft der Pfarreiengemeinschaft eine Veränderung bringen. Ab dem 1. Fastensonntag wird jeden Sonntag regelmäßig eine gut vorbereitete und feierlich gestaltete Wort-Gottes-Feier stattfinden. Im regelmäßigen Rhythmus werden sich die Gläubigen am Sonntag in den Pfarreien rund um Gerolzhofen, in Brünnstadt, in Frankenwinheim, in Lülsfeld, Oberschwarzach und Schallfeld zu einer Wort-Gottes-Feier versammeln, um in der Ortsgemeinde Gott zu feiern, auf das Wort Gottes zu hören und es für ihr Leben zu bedenken.

Die Wort-Gottes-Feier wird von Diakon Günter Schöneich, von Pastoralreferent Rainer Weigand oder einer/m eigens dafür ausgebildete/n Gottesdienstbeauftagte/n geleitet. Sie wird in der Form eines Wortgottesdienstes gefeiert. Dadurch soll unserem Glauben Ausdruck verliehen werden, dass Gott durch sein Wort in der Liturgie gegenwärtig ist und dieses verkündete Wort an uns wirksam wird. Das heutige Evangelium vom Besuch Jesu in der Synagoge von Kafarnaum kann uns gerade zu diesem Thema wertvolle Impulse geben.

Predigt

Ich war noch nie ein Freund von Suppen. Schon gar nicht als Kind. Eine Suppe ist mir allerdings noch tief im Gedächtnis: Die Buchstabensuppe. Da konnte man beim Suppenessen auch noch ein wenig spielen. Sich den Namen oder andere Wörter zusammenbasteln. Und wenn ich dann die Buchstaben schluckte, dann hatte ich sogar das Gefühl, als schlucke ich die Weisheit oder die Bedeutung dieser Worte in mich hinein.

Als Bauernbub bin ich in einer Familie groß geworden, da gab es keine Bücherregale. Unter der Woche wurde schwer mit den Händen gearbeitet. Aber am Sonntag saßen dann Vater und Mutter am Tisch und lasen, meist verschiedene Zeitschriften von katholischen Orden. Ich spürte, das ist Nahrung für sie. Der Mensch lebt nicht nur vom Brot allein. Das Wort ist für Menschen wichtig.

Wissen Sie, was mich bei meinem Einführungsgottesdienst in Gerolzhofen am meisten beeindruckt hat? Es war der Moment, als ich das große Schmuckevangeliar in die Hand nahm und und es an mein Herz drückte, während das Halleluja gesungen wurde. Ich spürte: In diesem Buch sind für uns Schätze von Glaubenserfahrungen und Lebensweisheiten gesammelt. Brot, von dem man leben kann. Und die vornehmste Aufgabe, die du hast, ist, diese Schätze immer wieder zu heben, damit sie Menschen von heute zu Herzen gehen.

Im heutigen Evangelium wird uns erzählt: Jesus geht in die Synagoge von Kafarnaum. Er besucht am Sabbat einen jüdischen Wortgottesdienst auf dem Land. Es ist kein großer Tempelgottesdienst mit dem Hohenpriester, keine feierliche Zeremonie, in der Opfer dargebracht werden. Da wird die Schriftrolle hereingetragen, aus ihr vorgelesen. Und Jesus darf als Gast ein paar Worte dazu sagen. Und die Menschen waren sehr betroffen von seinen Worten. Und einem Mann gehen sie so nahe, dass er innerlich aufgerüttelt zu schreien beginnt. Worte, die zu Herzen gehen, können das Leben eines Menschen verändern.

Dieses Evangelium fragt mich: Hat mich schon einmal im Gottesdienst ein Wort tief betroffen gemacht? Habe ich schon einmal das Gefühl gehabt: Wie für mich geschrieben? Es bringt mich im Leben weiter. Wenn es so wäre, dann dürfte doch die Einführung von Wort-Gottes-Feiern in unseren Gemeinden keine Schwierigkeit sein. Dann dürfte es doch nicht sein, dass sich eine Gemeinde benachteiligt fühlt, wenn sie im 5-wöchigem Rhythmus an einem Sonntag mit der Wort-Gottes-Feier „dran“ ist. Dann hätte doch eine Wort-Gottes-Feier an einem Montag Abend in Gerolzhofen mehr Attraktivität. Dann würden doch nicht bei einem angesetzten Wortgottesdienst im Wohnstift Worte fallen: „Brauchst gar net hin, heut is kee Pfarrer da. Es is bloß e Wortgottesdienst. Da kann ich dahem a bat.“ Wortgottesdienst als vertane Zeit? Als Gottesdienst mit einer minderen Qualität?

Ich denke, die Schwierigkeit, die Menschen mit den Wort-Gottes-Feiern haben, ist eher auf eine Macht der Gewohnheit als auf eine tiefe Eucharistiefrömmigkeit zurückzuführen. Seit Kindesbeinen ist man den Ritus der Messe gewohnt. Ohne viel zu denken kann man sich einfach vom Ritus tragen lassen. Der Macht eines Wortes traut man weniger zu. Die Wertschätzung von Wort-Gottes-Feiern steht und fällt mit der Bereitschaft, den Schrifttexten, den Gebeten, den Liedern, der Stille Worte abzulauschen, die mein Leben betreffen, mich nachdenklich machen, mich aufrütteln, mich bestärken, mich trösten, neuen Mut, ja vielleicht sogar neue Träume in mir wachrufen. Die Wertschätzung der Wort-Gottes-Feiern lebt davon, ob ich dem Wort Gottes noch eine schöpferische Kraft zutraue, wie es die Schriften des Alten und Neuen Testaments es auf Schritt und Tritt tun.

Wir werden in absehbarer Zeit aufgrund des Priestermangels nicht mehr in jeder Pfarrgemeinde Eucharistie feiern können. Aber irgendwie träume ich davon, dass wir die sonntägliche Versammlung der Gläubigern vor Ort als christlichen Identitätsmarker nie fallen lassen. Und ich glaube daran, wenn es uns gelingt, eine würdevolle Kultur der Wort-Gottes-Feiern zu pflegen, dass wir diese Form von Gottesdienst als einen Ort entdecken können, an dem aus Zuhörenden eine Gemeinschaft von Menschen wird, die sich vom Wort Gottes ergreifen, beschenken lassen und aus seiner Kraft leben.

Stellen Sie sich einmal vor:

Wortgottesdienst in Frankenwinheim.....
Festliches Orgelspiel...
Das Hauptportal wird feierlich geöffnet...
Ein schönes Lektionar wird feierlich hereingetragen - von Vertretern der verschiedenen Generationen begleitet...
Wie damals die Bischöfe beim 2. Vatikanischen Konzil singt die Gemeinde das Lied „Laudate omnes gentes“ während das Evangeliar langsam hereingetragen wird und wendet sich um, um den Herrn im Zeichen des Buches zu begrüßen...
Feierlich wird das Buch auf den Altar gestellt...
Da machen es sich Frauen und Männer mit speziellen Schulungen zur Aufgabe, durch gutes Lesen den Text wie ein großes Geschenk an die versammelte Gemeinde weiterzugeben...
Die Predigt des Pfarrers wird als Zeichen der Verbindung mit der ganzen Pfarreiengemeinschaft vorgetragen...
Eine Klangschale läutet eine Zeit der Stille ein...
Menschen versuchen, hinter den Wörtern das Wort hören, das sie angeht...
Vielleicht ist es mit der Zeit sogar möglich, dass Menschen aus der Gemeinde in die Stille hinein ein Wort aus dem Schrifttext wiederholen, das sie nachdenklich, vielleicht sogar betroffen gemacht hat...
Vielleicht steht ein Korb mit Worten und Sätzen aus den jeweiligen Schrifttexten am Ausgang, aus dem ich beim Hinausgehen bewusst nochmals ein Wort als „Wort für mich ziehen kann“, das mich in der kommenden Woche begleiten soll.

Liebe Leser,
ahnen Sie, dass auch eine solche Gottesdienstform zu einem echten Kleinod werden könnte? Von einem bin ich fest überzeugt: Die Wort-Gottes-Feier wird dort in Zukunft geschätzt werden, wo der Weg zu einem bewussteren Christentum gesucht wird.

Fürbitten

Herr, du hast Worte des Lebens für uns. Deshalb kommen wir zu dir mit unseren Bitten

Wir bitten um eintröstendes Wort für alle, die in ihrem Schmerz und ihrer Trauer nicht mehr weiter wissen
(Als Kehrvers gesungen: GL 750,1)

Wir bitten um ein aufrichtendes Wort für alle, die niedergeschlagen und mutlos sind

Wir bitten um ein herausforderndes Wort für alle, deren Leben in Gleichgültigkeit und Interesselosigkeit dahinfließt

Wir bitten um ein befreiendes Wort für alle, die in Ängsten oder in ihrem Egoismus gefangen sind

Wir bitten um ein Wort des Willkommens für unsere Toten, heute besonders ..

Du schenkst uns dein Wort, Herr. Dafür danken wir dir heute und alle Tage unseres Lebens.

Weitere Anregungen für den Gottesdienst

Gemeinsames Gebet vor der Schriftlesung: Gl 19,5

Nach der Kommunion bei meditativem Orgelspiel verschiedene Worte aus der Schrift lesen:


Fanden sich Worte von dir, verschlang ich sie (Jer 15,16)

Da schicke ich den Hunger ins Land, nicht den Hunger nach Brot, nicht Durst nach Wasser, sondern nach einem Wort des Herrn (Am 8,11)

Er sagte zu mir: Menschensohn, gib deinem Bauch zu essen. Fülle dein Inneres mit dieser Rolle, die ich dir gebe. Ich aß sie und sie wurde in meinem Mund süß wie Honig. (Ez 3,3)

Dein Wort ist meinem Fuß eine Leuchte, ein Licht für meine Pfade (Ps 119)


Pfarrer Stefan Mai

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