Mensch bleiben

Predigt zum Weihnachtstag 2008

Weihnachten wird das „Fest der Menschwerdung“ genannt. Gott wird Mensch. Das ist ein derart großes Geheimnis, dass es kein Mensch verstehen kann.
Aber Weihnachten ist das Fest der Menschwerdung noch in einem anderen Sinn. Darauf hat der ehemalige Limburger Bischof Franz Kamphaus besonders hingewiesen. Seine Worte sind zu einem wahren Slogan geworden: „Machs wie Gott: Werde Mensch!“
Werde du selbst zu einem Menschen. Das ist deine vornehmste Aufgabe im Leben - nicht nur an Weihnachten. Das wollte Bischof Kamphaus den Christen ins Stammbuch schreiben.
Aus einer ganz anderen Richtung ist mir eine ähnliche Weihnachtspredigt in die Hände gefallen. Sie stammt aus der Feder eines Liedermachers. Des Österreichers Wolfgang Ambros. Sein Text hat mich angesprochen. Er möge mir verzeihen, dass ich den galanten österreichischen Slang ein bißchen einfränkische, mit fränkischen Tönen ausmale, damit ich ihn selbst besser sprechen kann und Sie ihn ohne Übersetzung verstehen können. Das Lied hat den Titel: „A Mensch möcht' ich bleim“. Der Text geht so:

A Mensch möcht' ich bleim
und net zur Nummer möcht ich wern.
Und Menschen möcht ich säh;
denn ich bin dagegen jäh,
dass mer unsere Häuser bloß noch für Roboter baun,
die depert nur nein Fernseh schaun.
A Mensch möcht ich bleim,
a klens Geheimnis möcht ich ha'm,
und a Kugel möcht ich schieb'm
und nach schöne Stee möcht' ich gra'm.
Ich möcht sing und lach
und überhaupt du, was ich will.
Aber ich gläb,
da verlang ich scho zu viel.

A Mensch möcht ich bleim
und will net verkäfft wern wie irgend a Stückle Wa'r.
Net alles, was en Wert hat, muss a en Preis ha'm,
aber mach des a mal em annern klar! ...
A Mensch möcht ich bleim und mei Le'm will ich le'm.
A Mensch möcht ich bleim und wer' alles dafür ge'm,
dass ich morchn erreicht hab, von dem ich heut noch dräum,
ich will net, dass ich irgendwas versäum.´


Aus diesem Lied schreit Hunger nach Menschlichkeit. Und das ist keine Einzelstimme. Im Internet wurde die Stimme von Ambros sofort verstanden. Und eine „Ena“ schrieb sein Lied mit ihren eigenen Gedanken weiter. Folgende Worte setzte sie darunter:
„Wer hasst, ist taub. Wer neidet, ist blind. Wer zürnt, der lahmt. Nur wer liebt, hat keine Gebrechen.“
Und am 30. September dieses Jahres schrieb ein Vagabund nur ein einziges Wort unter das Lied: „Danke!“
Liebe Leser, wir feiern wieder Weihnachten, das Fest der Menschwerdung. Weihnachten wird wirklich Weihnachten und kann von allen Menschen verstanden werden, wenn wir das Geheimnis von Weihnachten im Sinn von Bischof Kamphaus und dem Liedermacher Ambros verstehen. Menschen werden dafür dankbar sein.


Pfarrer Stefan Mai

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