„Yes, he can!“

„Das ist nun einmal so!“ Wenn Menschen diesen Satz sagen, dann schwingt nicht nur ein Stück Realitätssinn mit.
„Das ist nun einmal so!“ In diesen Satz mischt sich Pessimismus und Resignation.
„Das ist nun einmal so!“. Wenn Menschen diesen Satz gebrauchen, dann klingt er nach: Da ist nichts zu ändern und nichts zu machen. Es bleibt einem nichts übrig als sich in Unabänderlichkeiten zu fügen. Nimm die Umstände einfach hin! Leiste keinen Widerstand! Schone deine Kraft und deine Nerven! Du kannst dich auf den Kopf stellen. Ändern wirst du nichts und schon gar nichts bewegen.

Ein ganz anderer Lebensansatz ist der Lebensstil von „Bob der Baumeister“. Seit Jahren hat diese Fernsehfigur seinen Platz in den Kinderzimmern und auf den T-Shirts erobert. Seit Jahren wird die Fernsehserie inzwischen in mehr als 100 Länder ausgestrahlt. Immer wieder wird Bob der Baumeister gefragt: „Can we fix it, können wir das schaffen?“ Und immer die gleiche Antwort: „Yes, we can, Ja, das schaffen wir!“ Diese Figur möchte in Menschen eine positive Lebenseinstellung suggerieren und Menschen mit diesem zuversichtlichem „Ja, das schaffen wir!“ über die eigene Kräfte hinauswachsen lassen.
Politikwissenschaftler behaupten sogar, dass Barak Obama diesen Bob der Baumeister-Satz als Leitsatz für seine Wahltaktik abgekupfert hat und mit seinem berühmten Satz „we can do it“ neue Zuversicht und neues Vertrauen bei den Amerikanern in die eigenen Kräfte und Möglichkeiten geweckt hat. Wie oft hat Barak Obama diesen Satz „we can do it“ den Massen zugerufen. Und wie oft haben diese im Bob der Baumeister-Stil skandiert: „Yes, we can, ja wir schaffen es!“

„Das ist nun einmal so!“ Ja, das schaffen wir. Zwischen diesen beiden Lebensansätzen können Menschen wählen und nach diesen beiden Mustern Leben angehen. Zwischen diesen beiden Lebensansätzen fallen wir hin und her oder tendieren von der Lebenseinstellung mehr zum ersten oder zum zweiten.

Wo ist die Lebenseinstellung Mariens einzuordnen? Mehr im ersten „das ist nun einmal so!“ oder im zweiten?
Maria ist keiner von den jungen trainierten Managertypen, die nicht mehr von Problemen, sondern nur noch von Herausforderungen reden. Wie der Engel ihr die Botschaft überbringt: „Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären; dem sollst du den Namen Jesus geben. Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden“, da reagiert sie skeptisch: „Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne.“ Und Maria kann erst einwilligen, als sie vom Engel den berühmten Satz hört: „Für Gott ist nichts unmöglich“. Merken Sie, da sagt nicht ein Mensch mit dem Brustton der Überzeugung: „yes we can, Ja das schaffen wir!“, sondern da sagt ein Mensch: „yes he can“. Da weiß ein Mensch um seine begrenzten Möglichkeiten, vertraut aber darauf, dass Gott viel mehr Möglichkeiten hat als wir. Und dieses Vertrauen kann Menschen über sich hinauswachsen lassen.

Liebe Leser, Professor Rolf Zerfass, der uns im Studium das Predigen beigebracht hat, hatte einen Lieblingsspruch, den er einmal von einem Pfarrer hörte und den er immer wieder zitierte. Er lautet: „Du hast mehr Möglichkeiten als du ahnst, ganz zu schweigen von den ungeahnten Möglichkeiten Gottes mit dir.“ Mit diesem Spruch schickte er seine Doktoranden eines Tages in die Stadt und bat sie, in die Gesichter der Menschen zu schauen und immer wieder diesen Spruch vor sich hin zu sagen: „Du hast mehr Möglichkeiten als du ahnst, ganz zu schweigen von den ungeahnten Möglichkeiten Gottes mit dir.“ Seine Schüler sollten durch diese Übung spüren, dass mit dieser Lebenseinstellung in unserer Welt ein ungeheueres Veränderungspotential zum Guten liegen würde.
Ich bin überzeugt: Das heutige Evangelium vom „Ja“ Mariens zur Botschaft des Engels will uns genau diese Botschaft glauben lassen. Und vielleicht können auch wir uns manchmal diese Botschaft sagen lassen, wenn wir uns am Morgen im Spiegel ins Gesicht schauen: „Du hast mehr Möglichkeiten als du ahnst, ganz zu schweigen von den ungeahnten Möglichkeiten Gottes mit dir.“


Pfarrer Stefan Mai

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