Nur drei Fragen

Bußgottsdienst im Advent

Lied: Gl 999/1-4

Einleitung

Unsere Gesellschaft ist von einem besonderen Virus infiziert, vom Virus „Mitnahmeeffekt“. Ich meine damit nicht gleich das Mitgehen lassen von Dingen, zu deutsch: das Klauen oder das fiese Geschäft in oberen Etagen, das Verschwinden-Lassen von Millionen in dunklen Kanälen oder auf getarnten Auslandskonten. Nein, dieser Virus Mitnahmeeffekt hat sich in jeder bürgerlichen Wohnung eingenistet und breitet sich epidemiehaft aus: Man möchte nichts verpassen. Dies und jenes erleben. Hier und dort dabei sein. Wie vielen Menschen sitzt die Angst im Nacken, etwas zu verpassen, zu kurz zu kommen. In wie vielen Köpfen spukt es herum: Da hättest du hin gesollt, das müsstest du gesehen haben, das müsstest du einfach haben.

Mir kommt es manchmal vor, als wären wir wie Kinder, die sich an Weihnachten ein ganz bestimmtes Geschenk in den Kopf gesetzt haben, dann hastig alle Geschenke aufreißen, um das eine zu finden, was das Herz begehrt – und dann schmollen, weil unter den vielen Geschenken ausgerechnet dieses eine Geschenk fehlt. Die übrigen Geschenke werden verschmäht und bleiben liegen. Und immer wird darauf geschielt, was denn die anderen alles geschenkt bekommen haben – und ich vielleicht den kürzeren ziehe. Gegen diesen Virus gibt es meiner Meinung nach nur ein Medikament: Die Dankbarkeit. Wie aber zu dieser Lebenshaltung, zu diesem Lebensgefühl der Dankbarkeit kommen?

Der Bußgottesdienst möchte uns heute mit einer Lesung und drei kurzen Fragen auf einen Weg führen, der uns dieses Medikament gegen den Mitnahmeeffekt finden lässt.

Gebet

Evangelium Lk 17,11-19

Lied: Gl 816/1+2

Besinnung

Wir wollen uns heute keinen langen Beichtspiegel vor Augen halten. Es sind nur drei ganz kurze und einfache Fragen. Aber ich glaube, die haben es in sich:

Frage 1: Was habe ich von ... bekommen
(Ministranten halten dieses Schriftband)

Stellen Sie sich bitte einmal die Menschen vor, mit denen Sie viel zu tun haben:
Ihre Frau; Ihren Mann, die Kinder, Enkel, Vater, Mutter, Geschwister, Freunde und Freundinnen, Schul- oder Berufskollegen:
Was habe ich in den letzten Wochen von diesen Personen alles erhalten?

Meine Mutter hat mir den Pack frisch gebügelter Wäsche wieder wie selbstverständlich hingelegt. Ich brauch’ ihn nur aufzuräumen. Und das, obwohl ich schon 20 bin.

Die Hände der Oma zittern schon. Aber sie ist das Arbeiten gewohnt und hilft mit 85 in unserem Haushalt noch spülen, weil sie etwas für uns tun möchte.

Ich bin schlecht gelaunt von der Arbeit nach Hause gekommen. Und da springt mir mit freudigem Gesicht mein Tochter entgegen und juchzt, dass ich da bin.

Obwohl nach einem anstrengenden und arbeitsreichen Tag meine Frau genauso müde war wie ich, hat sie sich trotzdem noch in die Küche gestellt und ein gutes Essen gekocht, während ich auf der Couch lag.

Wenn Sie auflisten, was Sie von einer anderen Person bekommen haben, werden Sie bemerken, wie viel Fürsorge und Unterstützung Sie empfangen haben. Vielleicht sind Sie sogar über die Länge der Liste überrascht. Und vielleicht steigt in Ihnen so etwas wie das Gefühl der Dankbarkeit auf ...


Meditative Musik

Kommen wir zur zweiten Frage
Frage 2: Was habe ich ... gegeben
(Ministranten halten dieses Schriftband)

In der Beziehung zu diesen Menschen können Sie jetzt Ihr Geben dem gegenüber stellen, was Sie empfangen haben.

Erstellen Sie für sich einmal eine Liste mit dem, was Sie den Personen, von dem Sie vieles empfangen haben in den letzten Woche gegeben haben.

Vielleicht haben Sie jemanden irgendwo hingefahren
Vielleicht haben Sie einer Freundin eine Geburtstagskarte mit persönlichen Worten geschrieben

Vielleicht haben Sie sich zusammengerissen, weil Sie gespürt haben: Ihr Sohn braucht Sie jetzt bei der Hausaufgabe, obwohl Sie nach einem 12-Stunden-Arbeitstag hundemüde waren.

Vielleicht haben Sie eine alte Nachbarin, die allein wohnt, besucht und Zeit für sie gehabt.

Vielleicht hast du einem Schulkollegen etwas erklärt oder für deinen Bruder getan.

Seien Sie ganz konkret und vermeiden Sie Verallgemeinerungen wie „ich war hilfreich“ oder ich habe meinem Freund beigestanden ...


Meditative Musik

Und schließlich die dritte Frage. Sie ist die schwerste von allen:
Frage 3: Welche Probleme oder Schwierigkeiten habe ich ... bereitet?
(Ministranten halten dieses Schriftband)

Schnell registrieren wir, auf welche Weise andere Menschen uns Unannehmlichkeiten und Schwierigkeiten bereiten. Darin sind wir tüchtig, diese registrieren wir. Wenn wir jedoch selbst der Verursacher solcher Schwierigkeiten sind, denken wir oft: Ach, das waren unglückliche Umstände, oder: Ich hab´s doch gar nicht so gemeint, oder: Das war doch keine große Sache. Aber lassen wir diese Frage heute einmal an uns ran:
Welche Probleme oder Schwierigkeiten habe ich ... bereitet?

Ich weiß, dass es meine Frau furchtbar ärgert, wenn ich alles liegen und stehen lasse, was ich gerade in der Hand habe.

Ich wurde um einen Rückruf gebeten. Jedoch habe ich ganz bewusst den anderen zappeln lassen.

Durch meine blöde Äußerung über meinen Nachbarn habe ich ihn ganz schön in die Bredouille gebracht.

Es nervt meine Kinder, wenn ich ständig an ihnen nur etwas auszusetzen habe und sie kaum noch ein gutes Wort von mir hören.


Meditative Musik

Nochmals zum Nachhaken. Auch gegenüber Gott kann ich mir diese drei kurzen Fragen stellen fragen:

Was habe ich in den letzten Wochen alles an Schönem und Guten von Gott bekommen?

Was habe ich Gott gegeben oder bewusst für ihn getan?

Welche Probleme oder Schwierigkeiten habe ich ihm bereitet?

Stille


Wenn ich darüber nachdenke, warum Dankbarkeit uns so schwer fällt oder misslingt, so ist es oft mangelnde Aufmerksamkeit: Ich bemerke es gar nicht, dass der andere für mich etwas tut. Oder es ist die typische fränkische Art von Dank: „Wenn ich nix sach, ist es doch scho gelobt.“ Oder die innere Haltung: Auch wenn ich nichts sage, die anderen müssen doch wissen, dass ich dankbar bin. Manchmal ist mir auch nach Dank zumute, doch dann traue ich mich nicht und komme mir komisch dabei vor. Weitere Dankkiller sind Haltungen, wie die Meinung:
Ach, die tun doch nur ihre Pflicht, das war doch nicht viel, das ist doch selbstverständlich.

Vielleicht könnten wir uns deswegen heute bewusst einmal den Vorsatz fassen: In den nächsten Wochen halte ich meine Augen offen für Gutes, was mir Menschen tun … oder kann ich ganz bewusst einmal einem Menschen ein „Danke“ sagen, der es gut mit mir meint?

Schuldbekenntnis

Vergebungsbitte

Lied: Gl 289

Litanei: Dank - Bitte

A: Sagen wir dir Dank

Für alle guten Menschen
Für alle Zeichen der Wertschätzung
Für alles, was uns gelungen ist
Für alle guten Worte
Für alle schönen Erlebnisse
Für alle bereichernden Begegnungen
Für unerwartete Glücksmomente
Für alle Bemühungen, die erfolgreich verliefen
Für Gedanken, die mich zum Nachdenken brachten
Für wohltuende Momente der Stille
Für ein wohlwollendes Miteinander

A: Bitten wir dich

Um wahrnehmungsfähige Augen
Um hellhörige Ohren
Um hilfsbereite Hände
Um einen Blick für andere
Um Phantasie, um liebe Menschen zu überraschen
Um die Kraft, Gutes zu tun ohne Berechnung
Um die Fähigkeit, Gutes und Hilfe anzunehmen
Um ein Herz, das Wärme ausstrahlt
Um ein Wesen, das anderen einfach wohl tut
Um Worte, die bereichern
Um einen guten Willen

Vater unser - Segen

Schlusslied: Gl 266/1-3


Pfarrer Stefan Mai

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