Nicht vergleichen, nicht vergleichen!

Predigt zum 33. Sonntag im Jahreskreis (Mt 25,14-30)

Ein schöner gerechter Herr ist das! Ausgerechnet so einer soll ein Bild für Gott sein? Wie ungleich er doch schon sein Vermögen aufteilt: „Dem einen gab er fünf Talente Silbergeld, dem anderen zwei, wieder einem eines.“ Warum dem einen mehr, dem anderen weniger? Da geht’s doch schon los mit der Ungerechtigkeit auf dieser Welt. Und das ist schließlich die Höhe, wie er mit dem armen Tropf umgeht, der sowieso die schlechtesten Startchancen hat und dazu noch eine ängstliche Natur. Die beiden Bevorzugten werden über den Schellenkönig gelobt. Und der arme Tropf wird zusammengeranzt. Dem hätte eine kleine Aufmunterung doch gut getan. Doch stattdessen: „Du bist ein fauler und schlechter Diener … Werft den nichtsnutzigen Diener hinaus in die Finsternis! Dort wird er heulen und mit den Zähnen knirschen!“ Und dann noch dieses Wort, das einem nicht in den Kopf will. Das soll die Art Gottes sein? „Darum nehmt ihm das Talent weg und gebt dem, der die zehn Talente hat! Denn wer hat, dem wird gegeben, und er wird im Überfluss haben; wer aber nicht hat dem wird auch noch weggenommen, was er hat.“ Das bedeutet doch: Geld zu Geld – und den armen Sack beißen die Hunde. Soll das einmal die Gerechtigkeit Gottes sein?

So ähnlich gehen wir doch an das Gleichnis von den ungleichen Talenten heran. Wir vergleichen andauernd die drei miteinander und ganz unbewusst reagieren wir, wie wir es auch meistens im Leben tun: „Wie ungerecht ist doch alles verteilt. Der hat mehr als ich! Der hat es schon immer im Leben leichter gehabt! Die ist gescheiter, ist schöner als ich. Nach der dreht man sich um. Ich kann mich abwurzeln wie ich mag, wer guckt denn schon auf mich“… Die Reihe ließe sich beliebig fortsetzen. Wie gerne stellen wir doch Vergleiche an.

Um es klipp und klar zu sagen: Das ist nicht die Perspektive Jesu, aus der er uns dieses Gleichnis erzählt. Jesus sieh die Realität des Lebens. Die Begabungen unter den Mensch sind völlig verschieden verteilt: Da hat einer bessere Grundvoraussetzungen, die besseren gesundheitlichen Gene, eine schärfere Intelligenz, viel mehr handwerkliches Geschick, das bessere Nervenkostüm, die heiterere und ausgeglichenere Natur … Aber das macht Jesus nicht verrückt. Denn er vergleicht nicht. Jeder der drei Diener wird vom Herrn für sich allein angesehen und zur Rechenschaft gezogen. Die drei werden nicht unter dem Aspekt verglichen: Wer hat jetzt mehr erwirtschaftet? Nein, der Herr tut nur eines: Er fragt einen jeden einzeln: „Bist du mit deinem Talent verantwortungsvoll umgegangen?“ Er käme nie auf die Idee, vom Diener mit seinen zwei Talenten fünf dazu erwirtschaftete wie vom ersten zu verlangen. Und er hätte auch vom dritten Diener nicht mehr als eines erwartet. Nie würde er mehr von einem fordern als es seine Möglichkeiten zulassen. Aber jeder hat nach Jesu Auffassung die Pflicht, mit dem was er von Gott geschenkt bekam, zu arbeiten. Jeder Mensch hat seiner Auffassung nach mit seinen Talenten einen verschlüsselten Schatz mit auf den Lebensweg bekommen, den er erst in sich entdecken, dann ausgraben und fruchtbar machen muss für sich selbst und für andere. Erst durch das Entdecken und Entfalten der Talente hat er die Talente wirklich, die in ihm schlummern. Der Mann, dem das eine Talent geschenkt wurde, hat es eigentlich nie gehabt, weil er nicht mit ihm umgegangen ist und nichts, auch gar nichts daraus gemacht hat. Und deswegen verliert er auch dieses eine noch. Das meint Jesus mit dem Satz: „Wer hat, dem wird gegeben. Wer aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen, was er hat.“

Liebe Leser, ich werde es nie vergessen, wie eine junge Frau einmal erzählt hat, dass sie sich dauernd mit anderen verglichen hat und jedes Mal dabei ins Jammern kam und immer unzufriedener wurde. Ihren Vater hat dies große Sorgen bereitet. Eines Tages, als sie wieder ihre Jammerlitanei über die Ungerechtigkeit anstimmte, da meinte ihr Vater ganz ruhig, aber bestimmt: „Mädla, Mädla, nicht vergleichen, nicht vergleichen! Denn die Vergleicherei ist der Grund aller Unzufriedenheit.“

Vergleichen hilft nicht zum Leben! Was in den Augen Jesu hilft, ist die Einsicht: Ein jeder Mensch hat mit seinem Talent eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen. Dazu ist er auf der Welt. Gelingt dies ihm, ist für ihn sein Leben sinnvoll. Tut er es nicht, so wird er sein Lebensglück nicht finden.


Pfarrer Stefan Mai

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