Damit steht und fällt die Zukunft des Christentums

Predigt zum Weltmissionssonntag 2008 (Mt 22,34-40)

Das Wort „Mission“ hatte in unserer Kirche lange Zeit keine besondere Bedeutung. Zwar kam bei Kindern und Jugendlichen manchmal etwas Fernweh und eine romantische Stimmung auf, wenn Missionare bei Heimataufenthalten Bilder aus Afrika zeigten. In uns Buben regte sich die Abenteuerlust, wenn von brüllende Löwen und exotischen Schlangen erzählt wurde. Aber Mission blieb etwas für die Spezialisten, für die Schwestern, Brüder und Patres der Missionsorden.

Seit einigen Jahren macht in der kirchlichen Pastoral ein Zauberwort die Runde. Man höre und staune, es heißt: „Missionarische Gemeinde“. „Mission“ ist plötzlich wieder in. Was uns als Kirche fehlt, meinte vor Jahren der Erfurter Bischof Joachim Wanke, ist nicht das Geld, es ist der Wille, wachsen zu wollen, Menschen neu für den Glauben anzusprechen, alles daran zu setzen, den christlichen Glauben als sinngebende und erfüllende Lebensform unter die Leute zu bringen.

Trotz Beschwörung dieses Zauberwortes „Missionarische Gemeinde“ erleben wir in unserer Kirche eher das Gegenteil: Täglich kehren hunderte von Menschen in Deutschland der Kirche den Rücken. Nach Aussagen des Zukunftsforschers Opaschewski trauen nur noch 10% der Bevölkerung der Kirche eine religionsstiftende und sinntragende Funktion zu. Wenn, dann ist es seiner Aussage nach die Familie. In manchen Landgegenden wandern zuhauf religiös interessierte junge Familien in freikirchliche Gemeinden ab, weil sie ihrer Aussage nach dort erleben, was sie in der Kirche vermissen: Freude am Beten, Interesse aneinander - auch noch nach dem Gottesdienst, das Gefühl der Geborgenheit, des Mitgetragen-Werdens und den Mut, Menschen für den Glauben anzusprechen. Sie erleben nach ihre Aussage dort, was einst das Christentum in der Antike wachsen und groß werden ließ: Einander beistehen, Interesse füreinander und Solidarität untereinander, einen bekennender Glauben, der entschieden und bewusst das Leben gestalten hilft.


Ein Pfarrer meinte einmal resigniert: „Wenn mich Menschen fragen: Welche Veranstaltungen finden in unseren Gemeinden statt, welche Sitzungen gibt es, wo kann man mithelfen?, da kann ich Antworten geben. Aber wenn mich einer fragt: Wo kann man in eurer Gemeinde das Beten lernen?, komme ich in Verlegenheit.“
Und erst vor ein paar Wochen machte mich eine Frau im Krankenhaus sehr nachdenklich. Sie meinte: „Seit einigen Jahren sind wir in eurer Gemeinde zugezogen. Wir besuchen auch gerne die Gottesdienste. Aber irgendwie bleiben wir fremd. So rechtes Interesse hat keiner an uns. Es ist befremdlich, wenn ich die Leute, die im Gottesdienst in meiner Banknähe sind und denen ich beim Friedensgruß die Hand gebe am nächsten Tag im Bus oder auf der Straße so tun, als kennen sie mich überhaupt nicht.“ Diese beiden Stimmen bringen doch auf den Punkt: Wege zu Gott aufzeigen und Wege zueinander eröffnen, da mangelt es in unseren Gemeinden.

Liebe Leser, missionarische Gemeinde, christliche Gemeinde, die anziehend auf andere wirkt und Menschen neu ansprechen kann, hängt an diesen beiden Punkten, die im Doppelgebot zentraler Inhalt sind:
Gottesliebe: In einer christlichen Gemeinde triffst du Menschen, die sehnen sich danach, Gott zu lieben, ihn zu begegnen, mit ihm im Gebet in Kontakt kommen.
Menschenliebe: In einer christlichen Gemeinde findest du Anklang, da findest du Interesse am Menschen, Wohlwollen und ein offenes Ohr, da gehörst du dazu, da kannst du dich ein Stück geborgen fühlen.
Ja ich bin überzeugt: An diesen beiden Geboten hängt die Zukunft des Christentums.


Pfarrer Stefan Mai

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