Einfach fies – einfach clever!

Predigt zum 29. Sonntag im Jahreskreis (Mt 22,15-21)

08Sicherlich haben Sie das einmal schon so ähnlich erlebt: Da kommt Ihnen bei einem Gespräch ein mulmiges Gefühl hoch. Sie merken, da will einer unbedingt mit seiner Fragerei auf etwas Bestimmtes hinaus, fragt umständlich herum und täuscht Interesse vor. Aber Sie spüren, da will mich einer leimen oder gar aufs Kreuz legen. Vorneherum scheißfreundlich – und hintenrum hat er schon das Messer gezückt.

Genau dieses Gespür hat Jesus im heutigen Evangelium. Die Freundlichkeit der Pharisäer und Herodianer kommt ihm schon spanisch vor. Diese beiden Gruppen, die religiöse Elitetruppe der einfachen Volksschicht und die Anhänger des vom Volk verhassten König Herodes, der mit Roms Gnaden über Israel herrscht, sind normaler Weise nicht gut auf Jesus zu sprechen. Und jetzt dieses Lob: „Meister, wir wissen, dass du immer die Wahrheit sagst und wirklich den Weg Gottes lehrst...“ Das macht stutzig! Noch spanischer kommt es ihm vor, dass sich zwei Gruppen, die sich normalerweise gegenseitig nicht riechen können, plötzlich gemeinsame Sache machen.
Nach der Einseiftour stellen sie eine raffinierte Frage: „Ist es erlaubt, dem Kaiser Steuer zu zahlen oder nicht?“ Egal wie Jesus auf diese Frage antworten wird, einer der beiden Parteien wird Recht bekommen. Ist die Steuer nicht zu zahlen, dann können die Königstreuen Jesus bei den Römern als politischen Aufrührer anschwärzen. Ist sie zu zahlen, dann können die Pharisäer ihn beim Volk in Misskredit bringen: „Schaut nur! Mit seinem Gerede von der Gottesherrschaft ist es nicht weit her!“

Einfach fies diese Tour! Aber einfach clever, wie Jesus reagiert. Er durchschaut und durchkreuzt dieses Fragespiel. Er verbalisiert sein Bauchgefühl über das Spiel, das mit ihm getrieben wird: „Ihr Heuchler, warum stellt ihr mir eine Falle?“ Und er gibt keine Antwort mit Ja oder Nein, sondern spielt mit einer Gegenfrage den Ball zurück: „Zeigt mir die Münze, mit der ihr eure Steuern bezahlt!“ Und wie sie den Denar mit dem Bild des Kaisers aus der Hosentasche ziehen, haben sie schon verloren. „Ihr habt die Antwort auf eure Frage doch schon längst in der Hosentasche,“ kontert Jesus und entlarvt dadurch alle Scheinheiligkeit. „Wer die Kaisermünze in der Hosentasche trägt, der erkennt den Kaiser an.“ Jesus konfrontiert die Pharisäer und Herodianer mit ihrer eigenen Lebenspraxis und lässt sie somit in die Falle tappen.

Liebe Leser, nicht aus jedem Evangelium muss gleich religiöser Bodensatz gewonnen werden. Das heutige Evangelium gibt mir eher eine praktische Lebenshilfe. Es sagt mir: „Lerne von Jesus drei Punkte fürs Leben!“

1. Versuche nie, bei anderen durch blöde, hinterhältige Fragerei etwas herauszulocken, das du gegen ihn verwenden möchtest. Der andere ist nicht so blöd wie du meinst, er merkt es!
2. Wenn dich jemand scheinheilig aushorchen will, dann nimm den Wind raus und sag, wie diese Fragerei auf dich wirkt und wie du dich dabei fühlst.
3. Geh Fangfragen aus dem Weg. Konfrontiere die Frager mit ihrem eigenen Leben und mach so dem üblen Spiel ein Ende.


Pfarrer Stefan Mai

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