Den Dreck abwaschen

Predigt zum Fest der Taufe Jesu

Einfach ekelig, wenn ich auf dem Weg ins Pfarrheim oder in die Kirche über die Spuckpfützen der Jugendlichen steigen muss.
Einfach ärgerlich, wenn an einem schönen, ruhigen Sonntagmorgen zerdepperte Wodkaflaschen, herumliegende Bierdosen, Mac Donalds Tüten und Becher auf dem Kirchengelände die Sonntagsstimmung vermiesen.
Das geht schon die Nase hoch, wenn man an bestimmten Ecken des Pfarrzentrums vorbeigeht, die des Nachts als Pinkelplätze im Freien herhalten müssen.
„Wie kann man nur alles einfach stehen und fallen lassen, wo man sich gerade aufhält. Es gibt ja ein paar Deppen, die gehen dann schon hinterher und räumen den Dreck wieder auf!“ So ähnlich reagieren doch die meisten von uns, wenn wir mit dem herumliegenden Dreck in unserem Gelände konfrontiert werden. Und die meisten von uns sagen: Das müsste doch nicht sein und so was tun wir nicht.

Ja, vielleicht wirfst du keine Wodkaflaschen oder Zigarettenschachteln ins Gebüsch und pinkelst nicht ans jede nächste Eck, aber sei dir dessen nicht so sicher, dass du auf dieser Welt keinen Dreck hinterlässt! Das, meine ich, ist die Quintessenz der hintergründigen Fabel vom Kamel, die der antike Dichter Äsop erzählt:

Ein Kamel durchschritt einst einen rasch strömenden Fluss. Da verrichtete es seine Notdurft, und als es seinen Mist vor sich auf der gewaltigen Strömung des Wassers schwimmen sah, sagte es: „Was ist das? Ich sehe ja das Hintere jetzt vor mir!“
Ist nicht der Mensch dieses Kamel, fragt Äsop, dem erst sein Dreck und sein Mist, den er macht, bewusst wird, wenn man ihn direkt mit der Nase drauf stößt oder vor Augen führt?

Die biblischen Propheten führten oft symbolische Handlungen aus, um den Menschen ihr Fehlverhalten vor Augen zu führen und sie in ihrem schläfrig gewordenen Gewissen aufzurütteln. „Jeder Mensch hat Dreck am Stecken!“ – das ist die Botschaft Johannes des Täufers. Und dadurch erschwert er, dass die Idee von einem guten Leben auf dieser Welt, wie Gott es sich vorstellt, zur Verwirklichung kommt. Und so hält der Täufer den Menschen draußen in der Wüste am Jordanfluss ihren Dreck vors Gesicht, wäscht ihn symbolisch im fließenden Jordanwasser ab und propagiert die Taufe als Zeichen der Bereitschaft, etwas gegen den Dreck in dieser Welt etwas zu tun.
Und plötzlich erschrickt Johannes, als Jesus wie jeder andere vor ihm in der Schlange steht und er kommt ins Stottern: „Eigentlich müsste ich von dir getauft werden und du kommst zu mir?“
Ich denke, auch heute machen wir manchmal diese Erfahrung, dass wir Menschen begegnen, die in aller Stille und Bescheidenheit eine ungeheure positive Ausstrahlung haben. Wo wir ahnen, unsere Welt würde sich verändern, wenn es mehr von diesen gäbe. Wir machen in solchen Begegnungen wie Johannes in der Begegnung mit Jesus die Erfahrung, die Martin Gutl einmal in die Worte brachte:

Einer kam
und zeigte
wie ein Blitzlicht,
einen Bruchteil
der Geschichte,
was ein Mensch
sein könnte.


Pfarrer Stefan Mai

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