„Wir halten für Sie den Himmel offen“

Predigt zum Stefanustag

Einleitung

Es hat mich beeindruckt: Vor gut 10 Jahren habe ich den bekannten Schweinfurter Maler Isi Huber beerdigt. Als ich zum Trauergespräch bei seiner Frau war, zeigte sie mir sein letztes Bild. Es war ein kleines Aquarell. Ein Stück blauer Himmel.
Heute begegnet uns in der Liturgie auch ein Mann, dessen letzter Blick in den Himmel ging.

Predigt

Ist es Ihnen schon einmal aufgefallen: Je weniger die Kirche mit ihrer Sprache Menschen von heute erreicht, desto mehr nutzt die Werbesprache die Kraft der religiösen Bilder. Die Werbung spürt genau: In den religiösen Bildern werden Ursehnsüchte der Menschen transportiert.
Vor ein paar Jahren prägte die Lufthansa folgenden Werbeslogan: „Wir halten für Sie den Himmel offen!“ Damit wurde die Einladung ausgesprochen: Flieg mit uns in den Himmel hinein. Erlebe an Bord eines Lufthans-Jets himmlische Stunden. Befrei dich von der Erdenschwere. Lass dich von Lufthansa-Stewardessen himmlisch verwöhnen. Aber was nicht gesagt wurde: Du brauchst ein bisschen Kleingeld dafür.
Heute, liebe Leser, feiern wir einen Heiligen, mit dem Kirche gut werben könnte. Dieser Heilige wollte für Menschen den Himmel offen halten. Gerade für diejenigen, die nicht das nötige Kleingeld hatten. Für die Witwen und Armen in Jerusalem setzte er sich ein, wird erzählt. Er wusste, dass für viele Menschen der Himmel nur in der Form einer warmen Suppe oder in einem Bett für die Nacht besteht. Und er hat spüren müssen: Wer derart parteiisch für die einen den Himmel offen hält, der wird von den anderen schnell verteufelt. Aber er steht ein für seine Sache, auch als es für ihn selbst gefährlich wird. Und klingt fast wie die Zusammenfassung seines Lebensprogramms, wenn er am Ende seines Martyriums sagt: „Ich sehe den Himmel offen …“
Liebe Leser, vielleicht fühlten sich an diesem Weihnachtsfest manche Menschen wieder vom Himmel berührt: in einer schönen Familienfeier, in einem Konzert, von einem schönen Text, in einer guten Liturgie, in einem Anflug von Geborgenheit. Das ist gut so und für Menschen ein Geschenk.
Aber wofür die Kirche mit ihrem Stefanus wirbt, ist etwas anderes: Denen den Himmel offen halten, die nichts zu lachen haben. Diejenigen nicht aus den Augen verlieren, die von einem Stück Himmel auf Erden nur träumen können.
Und unbeirrt an der Botschaft festhalten: Auch wenn es schwer und tragisch im Leben wird, muss der Himmel nicht verschlossen bleiben. Auch da kann noch ein Blick in Himmel möglich sein.


Pfarrer Stefan Mai

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