Quatsch dich leer!

Predigt zum Weihnachtsfeiertag 2007

Einleitung

Viele Menschen hoffen darauf, an Weihnachten ein gutes Wort zu hören, oder auf einer Weihnachtskarte mehr zu lesen als „Frohe Weihnachten!“
Wie ging es Ihnen? Durften Sie so ein zu Herzen gehendes Wort hören oder lesen? Und: Haben Sie sich selbst darum bemüht, jemandem ein solches Wort zu sagen oder zu schreiben?

Predigt

Sicherlich, manchmal ist es einfach gut, sich richtig ausreden zu können. Das spürt die Mutter, die jeden Mittag zuhause ist, um ihrem Kind nach der Schule die Haustüre zu öffnen. Was sich in ein paar Stunden in einem so kleinen Herzen und Hirn alles ansammeln kann, das einfach heraussprudeln muss. Und die Mutter hört geduldig zu und streichelt ihrem Kind dabei über den Kopf.
Wie gut das tut, das weiß der Jugendliche, der daheim mit seinen Eltern nicht mehr klar kommt und mit seiner Clique am Samstag Abend ausgeht – und dann endlich über das reden kann, was ihm gerade auf der Seele liegt.
Wie gut das tut, das weiß auch die 83jährige im Seniorenheim: Wenn die Nachbarin zu Besuch kommt und sie sich die Geschichten von früher zum hundersten Mal erzählen.
Reden kann ungeheuer gut tun und wichtig sein. Aber es ist ein Unterschied, ob ich rede, erzähle – oder einfach drauflos quatsche. Erschreckend in meinen Augen: Wenn T-Mobile für ein Sony Ericsson-Handy mit dem Slogan wirbt: Quatsch dich leer! Und man sieht auf dem Werbeflyer einen Jugendlichen, der lässig auf einer Treppe liegt, das Handy ans Ohr hält, quatscht und quatscht, bis Hemd und Hose in sich zusammenpatschen und tatsächlich leer sind. Die Werbung setzt es ins Bild: Quatsch dich leer! Und so eine Quatsch-Kommunikation findet täglich tausendfach statt. „Hi, ich bin gerade am Rossmarkt – und wo bist du?“ Menschen laufen mit dem Handy durch die Straßen, quatschen und quatschen, aber sagen eigentlich nichts.
Von einer ganz anderen Bewegung hören wir Jahr für Jahr im Evangelium am ersten Weihnachtsfeiertag. Von einem einzigen Wort ist die Rede – und das wird Fleisch, bekommt Hand und Fuß. Das ist nicht einfach so dahingesagt. „Im Anfang war das Wort. Und das Wort war bei Gott. Und Gott war das Wort … Und das Wort ist Fleisch geworden. Und es hat unter uns gewohnt. Und wir haben seine Herrlichkeit geschaut.“
Das spüren wir doch alle: Je besser und perfekter die technische Kommunikation wird, je schneller man mit anderen in Kontakt treten kann über zig-tausende von Kilometern, je erreichbarer wir werden, desto ärmer wird die menschliche Kommunikation.
Da bin ich sicher: Wonach Menschen wirklich hungern, das ist nicht die Devise: Quatsch dich leer.
Wonach Menschen hungern, das ist: ein Wort, auf das ich mich verlassen kann. Das nicht einfach dahergesagt ist. Das nicht einfach eine Luftblase ist, sondern das in die Tat umgesetzt wird.
Wonach Menschen hungern, das ist nicht die Vielzahl der Wörter, sondern das eine Wort in den vielen Wörtern, das mich aus einer Krise herausreißen kann.
Wonach Menschen hungern, das ist nicht das Gequatsche, sondern das Wort, das mir Mut macht, das mir zeigt: Du bist geschätzt. Dieses Wort gilt dir.

Kommunion-Meditation (dazu Orgelspiel)

Ein Wort, das gilt:
Fürchtet euch nicht! Euch ist heute der Heiland geboren! (vgl. Lk 2,10f.)
Jeder Stiefel, der dröhnend daherstampft, jeder Mantel, der mit Blut befleckt ist, wird verbrannt, wird ein Fraß des Feuers (Jes 9,4)
Die Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes ist euch erschienen (vgl. Tit 3,4).
Maria aber bewahrte alle diese Worte in ihrem Herzen und dachte darüber nach (Lk 2,19).
Am Anfang war das Wort … In ihm war das Leben. Und das Leben war das Licht der Menschen (Joh 1,1.4).


Pfarrer Stefan Mai

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