Die Hosen des heiligen Josef

Predigt zum 4. Advent 2007

Irgendwie steht er immer daneben, wenn die Bibel von ihm erzählt. Und er will auch nicht im Wege stehen. Wenn es brennt, ist er recht. Eine junge Frau, die ein uneheliches Kind erwartet, nicht im Regen stehen zu lassen, dafür ist er gut. Wenn Gefahr für das Kind heraufzieht, wird er wieder gebraucht. Aber sonst erzählt die Bibel nichts über Josef. Irgendwie bleibt er eine Nebenfigur des Geschehens. Ja, es entsteht der Eindruck: Josef, wenn du deine Schuldigkeit getan hast, dann kannst du wieder gehen.

Auch in der kirchlichen Kunst ist es nicht anders. Auf den meisten Weihnachtsbildern bleibt Josef immer eine Nebenfigur. Weit hinter Maria steht er zurück. Irgendwie eine Figur am Rande, die nicht so richtig dazugehört. Man sieht ihn meist als alten Mann am Rande des Geschehens, der für die eigentliche Handlung der Geburtsszene wenig Bedeutung zu haben scheint. Er steht irgendwie einfach herum oder sitzt nachsinnend am Bildrand, oder ist gar eingeschlafen und bekommt den Rummel im Stall gar nicht so recht mit.
Im Spätmittelalter gab es jedoch einmal im 15. Jahrhundert eine Epoche, da war es anders. Da avanciert Josef direkt zum Protagonisten: Ungeheuer beschäftigt ist er und verrichtet für seine Maria und den kleinen Knaben verschiedenste hausfrauliche Tätigkeiten. Er trocknet Windeln am Feuer, holt Brennholz und Wasser, hantiert mit Kochgeschirr, kocht über einer Feuerstelle einen Brei für die Wöchnerin und badet das Jesuskind. Eines der bewegendsten Josefbilder ist für mich ein Bild aus einem Südtiroler Flügelaltar:

Bildausschnitt aus dem Schnitzaltar von Hans Multscher, Frauenkirche Sterzing


Da trocknet sich Josef nicht die Füße ab, wie es beim ersten Hinschauen erscheinen mag. Nein! Da zieht Josef buchstäblich für das kleine nackte Jesuskind seine Hosen aus. Während Maria andächtig mit gefalteten Händen vor dem Kind kniet, schlägt dem Josef sein fürsorgendes Herz für den frierenden Kleinen. Er zieht sich gerade seinen linken Strumpf vom Bein, während der rechte schon bereitliegt. Um das Bild zu verstehen, muss man wissen, dass es im 15. Jahrhundert noch keine Hosen für die Männer gab, sondern nur Beinlinge, Tücher, die mit Bändern oben am Wams befestigt und unten zusammengebunden wurden. Aus diesen Hosenbeinen fertigt Josef für das frierende Kind Windel, um den Kleinen zu wärmen.

Welch eine Botschaft, die die Maler des 15. Jahrhunderts in die Kirchen malten. Sie betonten in einer Zeit, in der die Klöster nur so aus dem Boden schossen, in der fromme und reiche Stifter zur Ehre Gottes Kirchen errichteten und in diesen für ihr Seelenheil beten ließen, mit der Josefsfigur etwas anderes. Sie übermittelten mit dem kochenden, Feuer schürenden, Wasser holenden und sich die Hosen ausziehenden Josef vor allem für die einfache Bevölkerung die Botschaft: Wie Gott an diesem geschäftigen und fürsorgenden Josef, von dem die Bibel nichts erzählt und der wenig Zeit zum Beten hat, seine Freude hat, so sieht er auch auf die vielen kleinen Dienste, die ihr tagein, tagaus für Menschen tut. Er schaut auf den Kleinkram des Alltags, auf die vielen alltägliche Dinge, die erledigt werden müssen, ohne dass das Gefühl bleibt, etwas Großes getan zu haben. Und diese zählen vor ihm genauso wie die gefalteten Hände.


Pfarrer Stefan Mai

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