Es kann nur anfangen, wenn ich da bin

Rorate IV

Alles ist aufgeregt. Die Kinder und ihre Erzieherinnen vor dem Krippenspiel in der Kirche. Zehn Minuten vor Beginn plötzlich die erschrockene Stimme von Tanja, der Erzieherin der Bärengruppe: "Wir können noch nicht anfangen – die Maria ist noch nicht da!" Und sie meinte damit die kleine Felicitas, die in diesem Jahr die Rolle der Maria übernommen hatte.

"Wir können noch nicht anfangen – die Maria ist noch nicht da!" Wir können noch nicht anfangen, dieser Satz der Erzieherin hat einen noch viel tieferen Hintersinn als nur die Notsituation, dass die Hauptdarstellerin fehlt.

Denn die Geschichte von Weihnachten fing damals damit an, dass Maria da war! Dass sie offen, präsent, bereit war, sich dem Ruf Gottes zu stellen.

An Maria kann ich ablesen: Da sein – das ist die Vorbedingung, damit Weihnachten werden kann. Aber zugleich weiß ich: Da sein – echt präsent sein, wirklich aufnahmefähig sein, die leisen Stimmen in mir wahrzunehmen und danach mein Leben auszurichten, das ist in einer Zeit, in der so viele Stimmen auf uns einreden, gar nicht leicht.

Da sein geht nicht nach dem Motto: "Wenn es schön ist, was mir angenehm ist, bin ich da – und wenn es anstrengend, herausfordernd oder gar unangenehm wird, bin ich weg.“ Da sein heißt: Das erspüren wollen, was tief in mir steckt, und auch bereit sein, diese Stimme, diesen Anspruch an mich ernst nehmen wollen.

Weihnachten fing damit an, dass Maria einfach wirklich da war.

Was könnte alles neu auf dieser Welt anfangen und sich zum Guten wenden, wenn Menschen wirklich ehrlichen Herzens sagen könnten: Ich bin da!


Pfarrer Stefan Mai

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