Wenn ich einmal reich wär’

Katholische Morgenfeier am 14. Oktober 2007 (28. Sonntag im Jahreskreis)

Der Traum vom Reichsein

Haben Sie manchmal auch den Traum, richtig reich zu sein, sich, ihrer Frau und den Kindern alles gönnen zu können, was sie wollen? Ein schönes Haus, ein großes Auto, traumhafte Urlaubsreisen, kostspielige Hobbys? Es einfach leichter zu haben im Leben, nicht jeden Fünfer umdrehen und erst nachrechnen müssen, ob ich mir das leisten kann? Zeigen können: Leute, ich hab was drauf, ich bin doch wer und kann in besseren Kreisen verkehren?
Der Traum des armen Milchmanns aus dem Musical Ana Tevka spricht vielen aus der Seele:

Sprecher
Wenn ich einmal reich wär', dann bräuchte ich nicht zur Arbeit, den Leuten würde ich dann ein Haus vor die Nase bauen, hier mitten in uns'rer Stadt, mit Türen aus geschnitztem Holz. Da führt dann 'ne lange breite Treppe hinauf und noch eine läng're führt hinab. So ein Haus das wär' mein ganzer Stolz. Meine Frau stolziert herum, beladen mit Geschmeide und aufgedonnert wie ein Pfau. Sie zu sehen ist eine wahre Pracht. Die feinsten Delikatessen lässt sie sich servieren, spielt sich auf als "Gnädige Frau", scheucht das Personal bei Tag und Nacht. Ich hätt dann Zeit und könnte endlich zum Beten oft in die Synagoge gehn. Ein Ehrenplatz dort wäre mein schönster Lohn. Mit den Gelehrten könnte ich dann die Bibel diskutiern. Ach, das wünschte ich mir schon! Ja, wenn ich einmal reich wär'!

Musik: Der Traum des armen Milchmanns aus Ana Tevka


Es ist schon was dran: Geld regiert die Welt. Wer Geld hat, hat’s im Leben in vielem leichter, Geld hebt automatisch den sozialen Status. Wer Geld hat, hat Macht. Und so fragt der arme Milchmann Gott, weshalb er ihn zu den Lämmern gestellt hat und nicht zu den Löwen, zu den armen Säcken und nicht zu den potenten Leuten. Er fragt: „Wär es wirklich gegen deinen Plan, wenn ich wär ein reicher Mann?
„Geld regiert die Welt!“ Besonders auffällig ist das auf dem Gebiet des Gesundheitswesens. Da sieht man, wer arm ist. Es geht schon los bei der Ernährung. Übergewichtige Kinder finden wir in ärmeren Bevölkerungsschichten viel häufiger als in wohlhabenden. Billig ist oft da das Auswahlkriterium bei den Speisen und nicht die Frische- und Gütequalität. Die Gefahr einer Zweiklassengesellschaft im Gesundheitswesen ist nicht nur ein Gespenst. Die Warteschlangen bei den Ärzten, an denen die Privatpatienten vorbeigeschleust werden, sprechen da täglich eine deutliche Sprache. Und wer aus den gering verdienenden Gesellschaftsschichten kann sich schon im Krankenhaus ein Einzelzimmer oder gar eine Behandlung durch den Chefarzt leisten? Und welchem Sozialhilfefall wird schon im Pflegeheim das Recht auf ein Einzelzimmer eingeräumt?

Eine Antigeschichte

Geld regiert die Welt und lässt die Puppen tanzen. Das dachte auch einer vor 3000 Jahren. Er hieß Naaman. Er war die rechte Hand des Königs von Aram. Geld spielte bei ihm keine Rolle. Aber er ist krank. Schwer krank. Er hat Aussatz. Und kein Arzt kann ihm helfen. Trotz seines vielen Geldes.
Und wie es so geht: Wenn man krank ist, klammert man sich an alles. Der gebildete reiche Minister Naaman hört in diesem Fall sogar auf das, was eine Sklavin seiner Frau nebenbei ins Ohr flüstert: „Ach, wenn nur mein Herr bei dem Propheten in Samaria wäre. Der würde ihn von seinem Aussatz heilen.“
Und so hört der Minister Naaman, der sonst das Befehlen gewohnt ist sogar auf den Rat einer Sklavin, in der Hoffnung auf ein Wunder.
Die Wagen beladen mit Silbertalenten, Gold und Festkleidern, macht sich Naaman auf den Weg. Wenn etwas zieht bei den Heilern, dann ist es doch das Geld. Und dazu hat ihm der König noch ein eigenes Empfehlungsschreiben mitgegeben und ihn zur ersten Adresse in Israel geschickt, zum König höchstpersönlich. Aber der schickt ihn weiter, zum Propheten Elischa.

Das Buch der Könige erzählt: (2 Kön 5,9-17)

Sprecher
So kam Naaman mit seinen Pferden und Wagen und hielt vor dem Haus Elischas. Dieser schickte einen Boten zu ihm hinaus und ließ ihm sagen: Geh und wasch dich siebenmal im Jordan! Dann wird dein Leib wieder gesund, und du wirst rein. Doch Naaman wurde zornig. Er ging weg und sagte: Ich dachte, er würde herauskommen, vor mich hintreten, den Namen Jahwes, seines Gottes, anrufen, seine Hand über die kranke Stelle bewegen und so den Aussatz heilen. Sind nicht der Abana und der Parpar, die Flüsse von Damaskus, besser als alle Gewässer Israels? Kann ich nicht dort mich waschen, um rein zu werden? Voll Zorn wandte er sich ab und ging weg. Doch seine Diener traten an ihn heran und redeten ihm zu: Wenn der Prophet etwas Schweres von dir verlangt hätte, würdest du es tun; wieviel mehr jetzt, da er zu dir nur gesagt hat: Wasch dich, und du wirst rein. So ging er also zum Jordan hinab und tauchte siebenmal unter, wie ihm der Gottesmann befohlen hatte. Da wurde sein Leib gesund wie der Leib eines Kindes, und er war rein. Nun kehrte er mit seinem ganzen Gefolge zum Gottesmann zurück, trat vor ihn hin und sagte: Jetzt weiß ich, dass es nirgends auf der Erde einen Gott gibt außer in Israel. So nimm jetzt von deinem Knecht ein Dankgeschenk an! Elischa antwortete: So wahr der Herr lebt, in dessen Dienst ich stehe: Ich nehme nichts an. Auch als Naaman ihn dringend bat, es zu nehmen, lehnte er ab. Darauf sagte Naaman: Wenn es also nicht sein kann, dann gebe man deinem Knecht so viel Erde, wie zwei Maultiere tragen können; denn dein Knecht wird keinem andern Gott mehr Brand- und Schlachtopfer darbringen als Jahwe allein.


Der Reiche bekommt von Elischa eine harte Lektion erteilt: Du täuschst dich gewaltig, wenn du meinst, mit Geld kann man sich alles kaufen. Merke dir: Auch wenn du es als angesehener und einflussreicher Mann gewohnt bist. Nicht alle springen, wenn du mit Geld lockst.

Klezmer-Musik: Giora Feidmann

Für Naaman ist es eine Demütigung, dass der Prophet ihn nicht bevorzugt behandelt, ja nicht einmal persönlich begrüßt und nicht aus dem Haus heraus geht, sondern durch einen Diener seine Botschaft übermitteln lässt. Er verletzt alle Höflichkeitsformen und brüskiert den Herrn Minister.
Am liebsten wäre Naaman auf der Stelle umgekehrt. Nur das Beschwichtigen und Gutzureden seiner Diener verhindern dies und Naaman befolgt letzten Endes doch zähneknirschend den Rat Elischas - und kommt wider Erwarten geheilt vom Jordan zurück. Ja, er kommt nicht nur als ein von einer schweren Krankheit Geheilter zurück. Naaman ist von einer Lebenshaltung geheilt. Von der Haltung, sich über das Geld zu definieren. Von der Einstellung: Ich bin, was ich habe. Eigentlich übernimmt er die Wertevorstellung einer Sklavin – und lässt sich ein paar Säcke fremde Erde aus Israel nach Damaskus bringen, damit er nie vergisst, was ihm durch die Hilfe Elischas unverdient vom Gott Israels geschenkt worden ist.
Eine schöne Genesungsstory! Aber das ist noch lange nicht die Sinnspitze der alttestamentlichen Erzählung. Das Großartige an der Erzählung von Naaman ist: Sie ist nicht einfach ein Lehrstück für einen Reichen. sondern ist zugleich Warnrede gegen die Armen. Denn, so erzählt die Geschichte weiter: Im Grunde ihres Herzens ticken die Armen – wenn sie die Mittel und Möglichkeiten hätten - nicht anders als die Reichen. Auch sie träumen von Reichtum und davon, dass sie dann auch etwas gelten, diktieren können, angeben können, auf die anderen runtertrumpfen können, dass alle auf sie schauen. Wie leicht kann man auch als Armer in die Krankheit der Reichen verfallen, in den Wahn: Geld regiert die Welt. Die Geschichte von Naaman setzt es ins Bild: Der arme Diener des Propheten wird selbst mit der Krankheit des Reichen geschlagen, als er sich den Traum, endlich reich zu sein, heimlich erschleicht. Das Buch der Könige erzählt weiter:

Sprecher
… Als Naaman schon eine Strecke Weges von ihm entfernt war, sagte sich Gehasi, der Diener Elischas, des Gottesmannes: Mein Herr hat diesen Aramäer Naaman geschont und nichts von dem angenommen, was er mitgebracht hatte. So wahr der Herr lebt: Ich werde ihm nachlaufen und mir etwas von ihm holen. Gehasi eilte ihm also nach. Als ihn Naaman hinter sich herankommen sah, beugte er sich ihm vom Wagen aus zu und fragte: Steht alles gut? Er antwortete: Ja; nur läßt mein Herr sagen: Soeben sind vom Gebirge Efraim zwei junge Männer, zwei Prophetenjünger, zu mir gekommen. Gib ihnen doch ein Talent Silber und zwei Festkleider! Naaman erwiderte: Tu mir den Gefallen, und nimm zwei Talente! Er bat ihn dringend darum und tat zwei Talente Silber in zwei Beutel, legte zwei Festkleider dazu und ließ sie durch zwei Diener vor ihm hertragen. Als Gehasi auf der Höhe angekommen war, nahm er ihnen die Geschenke ab und brachte sie in das Haus. Die Männer schickte er weg, und sie kehrten zurück. Er selbst ging hinein und trat vor seinen Herrn. Elischa fragte ihn: Woher kommst du, Gehasi? Er antwortete: Dein Knecht ist nirgendwohin gegangen. Da sagte Elischa zu ihm: War nicht mein Geist zugegen, als sich jemand von seinem Wagen aus dir zuwandte? Ist es denn Zeit, Geld anzunehmen und Kleider, Ölgärten, Weinberge, Schafe und Rinder, Knechte und Mägde zu erwerben? Der Aussatz Naamans aber soll für immer an dir und deinen Nachkommen haften. Gehasi ging hinaus und war vom Aussatz weiß wie Schnee. (2 Kön 5,19-27)


Klezmer-Musik: Giora Feidmann

Eine subversive Geschichte

Für mich ist die Erzählung vom reichen Naaman eine subversive Geschichte. Sie entlarvt das Gerede: „Geld regiert die Welt“, Geld kann alles. Sie zeigt deutlich die Grenzen auf. Und wie oft habe ich den Satz schon im Krankenhaus gehört: „Gott sei Dank, dass sich auch die Reichen ihr Leben nicht kaufen können. Das ist eine ausgleichende Gerechtigkeit auf dieser Welt.“ Der langjährige Gefängnis- und Aidsseelsorger Petrus Ceelen erzählt einmal von einer Frau im Pflegeheim, die verbittert meint: „Ich habe ein Leben lang geschafft und alles auf die hohe Kante gelegt. Und jetzt geht das ganze Geld drauf. Andere sind immer zum Sozialamt gegangen und solche liegen hier im gleichen Zimmer, bekommen das gleiche Essen und die gleichen Windel. Beschissen.“
Und er schreibt dazu die Gedanken: „Es ist nicht schön, wenn die Ersparnisse durch Pflegekosten aufgezehrt werden. Es ist nicht schön, wenn ein alter Mensch bis auf´s Hemd ausgezogen wird. Es ist nicht schön, wenn ein Herr dasteht mit leeren Händen und vollen Pampers. Es ist nicht schön, so bloßgestellt zu werden. Aber ist es nicht gut, dass auch die Begüterten am Ende arm dran sind?“
Die Geschichte vom reichen Naaman ist eine subversive Geschichte. Sie behauptet verdeckt: Die Reichen haben nur so lange die Macht und das Sagen, solange die Menschen davon träumen, reich zu sein. Die Geschichte sagt mir: Deine Größe zeigt sich nicht an der Größe deines Geldbeutels. Lern vom Propheten Elischa, rät die Meistererzählung aus dem Buch der Könige: Gib den Reichen nicht den Platz, den sie wollen. Mach dich nicht zu ihren Knickdienern und Bewunderungszwergen, die sich geehrt fühlen, sich in ihrem Schatten aufhalten zu dürfen. Bewahre dir deine Würde.
Es gibt Menschen, die es anders machen. Mit größter Bewunderung habe ich die couragierte einfache Bauersfrau vor Augen, zu der vor 40 Jahren um die Mittagszeit der Herr Dorfschulrektor kam und bestimmend meinte: „Ihnen gehört doch die Wiese mit den Obstbäumen neben meinem Haus.
Ich möchte noch Garagen anbauen und deshalb vorn an der Straße ein paar Meter Wiese abkaufen.“ „Das geht nicht, die Wiese ist viel zu schmal. Wir hätten dann unsere liebe Müh und Not, zum Mähen überhaupt in die Wiese zu kommen. Wir verkaufen nichts!“ erwiderte die Bauersfrau. „Gehört Ihnen die Wiese überhaupt?“, fragt der Rektor zurück. „Nein, Besitzer ist offiziell mein Mann.“ „Dann möchte ich Ihren Mann sprechen!“ „Der schläft gerade.“ „Dann wecken Sie ihn auf, ich möchte mit ihm reden.“ „Sie werden doch nicht glauben, dass ich wegen eines Schulrektors meinen Mann aufwecke, der schon in der Frühe fünf Stunden auf dem Feld war und in einer halben Stunde zur Spätschicht in die Fabrik geht!“ Wutentbrannt machte der Herr Rektor kehrt und betrat nie mehr den Hof.

Klezmer-Musik: Giora Feidmann „Wenn ich einmal reich wär“

Gebetsteil

Ich bin reich, mein Reichtum eröffnet mir mehr Chancen, gibt mir größeres Gewicht und lässt andere springen, so hofft Naaman. Wenn ich einmal reich wär, so denkt Gehasi und singt der Milchmann Tevje. Und so träumen viele mit ihnen. Der Prophet Elischa setzt andere Akzente im Leben. Mit seinem konsequenten Verhalten gegenüber dem reichen Naaman, aber auch gegenüber seinem Diener Gehasi macht er deutlich: „Wenn ich einmal reich wär“, dieser Wunsch allein macht das Leben nicht automatisch erfüllter, reicher und lebenswerter. Da müssen noch andere Dimensionen ins Leben rein. Um diese Lebensdimensionen möchte ich heute einmal beten:

Es kommt im Leben darauf an, welches Gewicht man den einzelnen Dingen im Leben gibt. Was vordergründig und oberflächlich ist und was wirkliche Bedeutung für ein gutes Leben hat.
Gott, lass es mich nicht nur sagen, sondern auch verinnerlichen: Geld hat Grenzen. Bewahre mich vor Geiz und Gier, die einen Menschen zum Getriebenen machen

Es kommt im Leben darauf an, welche Meinungen mir zu Ohren kommen und zu Herzen gehen, nach welchen Wertemustern und Lebensprioritäten ich mein Leben ausrichte.
Gott, schenke mir die Fähigkeit, Wichtiges vom Unwichtigen zu unterscheiden und nicht zu fragen, wie kann ich „in“ sein

Es kommt im Leben darauf an, ob ich das Schöne wahrnehme und ob ich dankbar dafür bin, dass mir viel Gutes unverdient zufällt.
Gott bewahre mich vor dem Wahn, alles aus eigener Kraft bewerkstelligen und durch eigene Leistung verdienen zu müssen

Es kommt darauf an, ob in meinem Leben auch die leisen Töne höre, die eigene Sehnsucht, die versteckten Fragen der Menschen. Es kommt darauf an, ob ich an Tiefgang gewinne.
Gott, bewahre mich vor aller Oberflächlichkeit. Lass nicht zu, dass ich mich an meinen Lebensfragen vorbeidrücke oder sie durch dauernde Beschäftigung und Ablenkung zuschütte

Es kommt im Leben darauf an, ob ich mir ehrlich vor dem Spiegel selbst in die Augen schauen kann und ob ich spüren darf, dass andere in meiner Umgebung sich ehrlich verhalten können und wohl fühlen.
Gott, schenke mir ein Rückgrat, das sich nicht in der Hoffnung nach Vorwärtskommen oder aus falschen Rücksichten verbiegen lässt

Es kommt darauf an, ob in meinem Leben Gott vorkommt, wie weit der geheimnisvoll Abwesende in mir , meinem Suchen und Fragen, meinen Vorstellungen und Gedanken anwesend ist
Gott, lass mich wahrnehmen können, wo deine Einfallstore in dieser Welt und in meinem alltäglichen Leben sind

Segen

Möge dir im Lauf deiner Jahre das Geheimnis deines Lebens mehr und mehr aufgehen und einleuchten.
Möge dir die Dankbarkeit des Herzens für alles Gute und Schöne erhalten bleiben und dir im Schweren die nötige Kraft zuwachsen.
Möge dir der Segen des treuen Gottes den Rücken stärken.
Das gewähre dir der Vater, der Sohn und der heilige Geist.

Amen


Pfarrer Stefan Mai

© Stefan Mai 2001 - 2024
Alle Rechte vorbehalten.
Vervielfältigung nur mit Genehmigung von Pfarrer Stefan Mai.

www.stefanmai.de