Am liebsten beides

Predigt zum 13. Sonntag im Jahreskreis (Lk 9,57-62)

Neulich war ich wieder einmal anlässlich eines großen Empfangs zu einem festlichen Buffet eingeladen. Ein riesiges Vorspeisenbuffet auf einer langen Tafel, auf der nächsten Tafel eine für mich fast nicht übersehbare Auswahl an Hauptspeisen, ebenso bunt und reichhaltig die Nachtischauswahl. Alles geboten, was das Herz begehrt. Nur ein Handicap: Der Buckel ist kein Bauch. Bei dieser Riesenauswahl wohin greifen, was wählen, wo doch alles einen so freundlich anlacht? Ein Trick hat es den Eingeladenen erleichtert, um sie vor der Qual der Wahl zu verschonen und möglichst viele Speisen kosten zu lassen. Die Klöße hatten keine Schneeballgröße, sondern waren Tischtennisbällchen, da ging dann trotzdem noch was mit Nudeln, Reis, Kartoffelgratin und geschmelzten Kartöffelchen. Die Putenschenkel waren keine Riesenkeulen, sondern waren von Babyputen, viel kleiner dimensioniert, da war dann noch ein Scheibchen Rinderfilet oder Lendchen möglich.
Geschickt gemacht, dachte ich mir beim Abschreiten der Tafeln. Denn damit kommt man einem Trend unserer Zeit sehr entgegen: Alles mitnehmen können, ohne sich groß entscheiden zu müssen.

„Am liebsten beides“ – so lautet der Titel eines Buches, das sich mit den typischen Entscheidungsproblemen moderner Menschen beschäftigt. Die große Auswahl von Angeboten auf allen Gebieten machen es vielen Menschen heute schwer, Entscheidungen zu fällen. Was essen, was anziehen, welches Auto, welches Handy, welches Urlaubsziel? Alle Möglichkeiten zu haben ist ein großer Segen, kann aber auch zum Alptraum werden. „Ja nichts verpassen!“, lautet die Devise. Deswegen werden verbindliche Anmeldungen für eine Veranstaltung so lange wie möglich hingezogen. Es könnte sich ja bis dorthin noch etwas Attraktiveres auftun. So mancher hat Angst, wenn er sich für eine der Möglichkeiten entscheidet, entgehen ihm so viele andere Chancen. Deswegen das Motto „Am liebsten alles!“

„Am liebsten alles!“ Mir scheint, dieser Slogan trifft auch im Blick auf den Stellenwert des Glaubens in heutigen Lebensentwürfen zu. Im Bild gesprochen: Glaube ist eines der vielen Geleise, auf denen ich im Leben fahre, er ist aber nicht die Hauptstraße, von der aus ich mich in die vielen Lebensfelder hineinbegebe. Der Glaube ist eine Art Steinbruch für fehlende Bausteine in meinem Leben. Er ist willkommen als Ergänzung, als Abwechslung, wenn mir danach zumute, wenn ich mir ein wenig Stimmung erhoffe, besinnlich werden möchte, einen Zipfel Trost brauche oder ich mir nicht mehr zu helfen weiß. Er wird mehr im Mitnahmeeffekt benutzt oder als letzter Notnagel. Aber von einer echten Entscheidung zu sprechen, die mein ganzes Leben durchpulst und die Richtung meines Lebens bestimmt und es wie ein roter Faden durchzieht, ist zu hoch gegriffen.

Auf diesem Hintergrund gewinnen die radikalen Worte Jesu des heutigen Evangeliums an neuer Aktualität. „Ich will schon, aber zuvor lass mich noch...“, bekommt Jesus mehrmals von Sympathisanten zu hören. „Ich möchte mit dir etwas zu tun haben, aber du musst die Gründe schon verstehen, dass ich mich nicht so ganz auf dich einlassen kann.“ Jesus reagiert hart und schroff: „Keiner, der die Hand an den Pflug legt und nochmals zurückblickt, taugt für das Reich Gottes!“ An ihn glauben, ihm nachfolgen hat Folgen und Konsequenzen und verträgt sich nicht mit einer Lebensart, die sich alle Möglichkeiten offen halten will und wenn es gerade einem so passt, auf Jesus zurückzukommen. Wenn ich mit ihm zu tun haben will, dann will der Jesus des heutigen Evangeliums keine Randerscheinung oder eine der vielen Möglichkeiten sein. Nein, dann will er der sein, dem alles andere nachgeordnet ist.


Pfarrer Stefan Mai

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