Eintauchen - Beten und mehr

Routine – heilend oder tödlich?

Lied: Zeit für Ruhe...

L1: Der Mensch ist ein Gewohnheitstier-
L2: Ich bin es gewohnt, hart zu arbeiten-
L3: Wie war dein Tag? Ach, wie immer!-
L1: Gewohnheit lindert alle Dinge-
L2: Gewohnheit ist ein eisern Hemd-
L3: Gewohnheit will Recht haben-
L1: Alte Gewohnheit ist stärker als Brief und Siegel-
L2: Gewohnheit wächst mit den Jahren-
L3: Gewöhne dich, so kommt’s dir nicht hart an-

Das sind Sätze aus der Umgangssprache oder aus dem Sprichwörterschatz zum Thema: Routine, Gewohnheit.
Welches Gefühl tragen Sie im Bauch?
Routine macht stumpf und dumpf – oder: Routine ist ein Segen?
Routine – heilend oder tödlich?

Geräusche CD (Wecker/ Wasserleitung/ Zähneputzen/ Kaffeemaschine/ Autogeräusch...)

L1: „Dann stürzen die Kulissen ein. Aufstehen, Straßenbahn, vier Stunden Büro oder Fabrik, Essen, Straßenbahn, vier Stunden Arbeit, Essen, Schlafen, Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag, Samstag, immer derselbe Rhythmus - das ist sehr lange ein bequemer Weg. Eines Tages aber steht das 'Warum' da, und mit diesem Überdruss, in den sich Erstaunen mischt, fängt alles an. 'Fängt an' - das ist wichtig.“ (Albert Camus)


Auf dem Weg zur Schule traf ich vor ein paar Jahren einen Mann aus unserer Gemeinde, der schon einige Jahre in Pension ist. Er ging mit mir ein Stück des Weges. „Sie gehen diesen Weg in die Stadt?“, fragte ich ihn. „Wissen Sie“, gab er zur Antwort, „diesen Weg bin ich während meiner Arbeitszeit jahrzehntelang jeden Tag zum Kugelfischer gegangen. Schon damals hat er mir geholfen, mich am Morgen auf meinen Arbeitstag einzustimmen, und am Abend, die Arbeit und manchen Ärger hinter mir zu lassen. Auch heute noch gehe ich oft diesen Weg.“

Stille

Routine – heilend oder tödlich?

Lassen Sie einmal den heutigen Tag an Ihrem geistigen Auge vorüberziehen. Aus wieviel Prozent Routine und Routinearbeiten bestand er?
Was war wirklich heute neu und ungewohnt?
Was gibt mir Halt und Rhythmus? Wonach sehne ich mich noch?

Stille – Lied: Meine Hoffnung und meine Freude

Hören wir nun wieder bewusst auf Worte aus der heiligen Schrift. Auch in ihr sind verschiedene Empfindungen gegenüber der Routine zu finden. Welches Wort spricht mich an oder fordert mich heraus?

Der Tropfbrunnen wird angeschaltet, die Schriftworte werden langsam vorgelesen und nach jedem Wort eine Kerze entzündet


L3: Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz, prüfe mich, und erkenne mein Denken. Sieh her, ob ich auf dem Weg bin, der dich kränkt, und leite mich auf dem altbewährten Weg!
Ps 139,23f


L2: Erschaffe mir, Gott, ein reines Herz, und gib mir einen neuen, beständigen Geist!
Ps 51,12

L3: Was geschehen ist, wird wieder geschehen, was man getan hat, wird man wieder tun: Es gibt nichts Neues unter der Sonne. Zwar gibt es bisweilen ein Ding, von dem es heißt: Sieh dir das an, das ist etwas Neues - aber auch das gab es schon zu Zeiten, die vor uns gewesen sind.
Koh 1, 9.10

L2: So kam er nach Nazareth, wo er aufgewachsen war, und ging, wie gewohnt, am Sabbat in die Synagoge.
Lk 4,16

L3: Neuen Wein muss man in neue Schläuche füllen. Und niemand, der alten Wein getrunken hat, will neuen, denn er sagt: Der alte Wein ist besser.
Lk 5,38f

L2: Geht durch das enge Tor! Denn das Tor ist weit, das ins Verderben führt, und der Weg dahin ist breit, und viele gehen auf ihm. Aber das Tor, das zum Leben führt, ist eng, und der Weg dahin ist schmal, und nur wenige finden ihn.
Mt 7,13f

Während die Gottesdienstteilnehmer ihr Wort wählen und bedenken wird der „Canon“ von J. Pachelbel gespielt (CD Nr.15)

Vielleicht haben Sie bewusst einmal auf diese Musik von Johann Pachelbel gehört. Canon wird dieses Stück genannt. Pachelbels Kanon wird von einer durchgängigen, ganz einfachen Grundmelodie getragen. Die geht ins Ohr und wiederholt sich andauernd. Sie gibt den Rhythmus an und gibt Halt. Darüber entwickeln sich dann die Melodien und immer neue Variationen.
Für mich stellt diese Musik in einem Tongemälde die Lebensweisheit dar:
Routine, Gewohnheit ist ein Grundakkord des Lebens, dazu mischt sich Neues. Über dem Bewährten, das Ruhe ins Leben bringt entfalten sich neue Töne und Ideen. Das Neue bannt die Langeweile. Das ruhige Kontinuum bewahrt vor allem Zerflattern.

„Canon“ von J. Pachelbel wird nochmals gespielt (CD Nr. 15)


Segensgebet
(aus P. Weismantel, morgens und abends, S.34) wird abwechselnd gebetet.

An jedem Abend willst du mich fragen,
was ich heute erlebt, was mich gefreut,
gestärkt, ermutigt oder gekränkt hat

An jedem Abend willst du mir sagen,
dass du bei mir warst auf meinem Weg
durch so manch langen mühsamen Tag.

An jedem Abend willst du mir zeigen,
woran ich mich halten, wohin ich mich
flüchten, worauf ich mich verlassen kann.

An jedem Abend willst du mich trösten,
wenn ich traurig, enttäuscht oder einsam
mein so brüchiges Tagwerk beschließe.


An jedem Abend willst du mir versprechen,
dass du mich durch deine Engel behütest,
in allem Unheimlichen der Nacht.

An jedem Abend willst du mich segnen,
mit meinem Gelingen und Scheitern,
mit meinen Freuden und Leiden.

An jedem Abend willst du mich bergen,
wie eine liebende Mutter ihr Kind mit
einem Gute-Nacht-Lied ins Bett bringt.

Es segne und behüte uns...

Lied: Meine Hoffnung und meine Freude

„Canon“ von J. Pachelbel wird nochmals gespielt (CD Nr. 15)


Pfarrer Stefan Mai

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