Fünf Lektionen des heiligen Geistes

Predigt zum Pfingstmontag 2007 (Apg 19,1b-6a)

Einleitung

Stellen Sie sich einmal vor: Nach diesem Gottesdienst steht draußen ein Reporter, hält Ihnen das Mikrophon unter die Nase und fragt Sie: Erklären Sie bitte ganz kurz, was ist für Sie Heiliger Geist?
Was würden Sie sagen?
In der Tat, das ist nicht leicht. Definitionen gibt es auch in der Bibel nicht. Es wird immer nur geschildert, welche Wirkungen der heilige Geist hinterlässt.

Predigt

Manche Präfationen unseres Messbuches sprechen nicht mehr meine Sprache, kommen mir abgehoben fromm, wenn nicht sogar schwülstig vor. Gerne singe ich dagegen die Präfation vom Heiligen Geist. Da heißt es: „Gott, deine Vorsehung waltet über jeder Zeit. In deiner Weisheit und Allmacht führst du das Steuer der Kirche und stärkst sie durch die Kraft des Heiligen Geistes. In ihm kann sie allezeit auf deine Hilfe vertrauen, in Not und Bedrängnis zu dir rufen und in Tagen der Freude dir danken.“ Ich singe diese Zeilen besonders dann mit voller Überzeugung, wenn ich nicht weiß, wo denn der Kurs des Schiffleins Petri hingeht, wenn mir manches auf diesem Schiff geistlos oder die Schiffsmannschaft lethargisch und schläfrig erscheint. Die Präfation ist vom Vertrauen getragen: Gottes Geist ist die innere Triebkraft hinter der Geschichte der Kirche, ihr kritisches Korrektiv, ihr Innovationsschub und Impulsgeber für neue Wege.
Dieser rote Faden durchzieht schon die Apostelgeschichte, die von der Gründung der Kirche und ihren ersten Schritten in die Weltgeschichte hinein erzählt. Fünfmal greift Gottes Geist direkt ein.
Zum ersten Mal meldet sich der Heilige Geist in der Apostelgeschichte zu Wort und funkt dazwischen, als es nach dem Tod Jesu zu einer erstarrenden Lähmung und zum gefährlichen Stillstand kommt. Die Bewegung, die Jesus ausgelöst hat, ist an einem toten Punkt. Alle erstarren in Furcht, verrammeln die Türen hinter sich und verschanzen sich im Haus. Und da macht der Geist Gottes Feuer unter den Hintern, bringt frischen Wind in den lahmen Haufen und treibt die Jünger zu den Menschen auf die Straßen hinaus.
Aber bald tauchen schon wieder Schwierigkeiten auf. Wer sich auf der neuen Woge des Erfolgs schwimmen sieht, wird bald ernüchtert. Überall werden den Jüngern Steine in den Weg geworfen. Die Führerfiguren Petrus und Johannes kommen mit den Glaubenswächtern des Tempels ins Gehege, werden hinter Gitter gesetzt, um sie mundtot zu machen. Sie kommen wieder frei, die Gemeinde betet mit ihnen und „da bebte der Ort, an dem sie versammelt waren und alle wurden mit dem heiligen Geist erfüllt und sie verkündigten mir Freimut das Wort“ (Apg 4,31). Und: Die Angsthasen werden zu mutigen Verkündigern.
Bald zeigen sich Früchte des Erfolgs. Doch dann stehen die Jünger vor einem entscheidenden Schlagbaum: Sollen auch die Christen die nationalen Feindschaften zwischen Juden und Samaritanern weiterhin pflegen? Nein, die jungen Christen entscheiden sich dafür, die Feindschaft endgültig zu begraben: Die Samaritaner, die vom Tempel ausgeschlossen waren und von den Juden gemieden wurden, zu ihnen ging Petrus hin und holte sie in die junge Gemeinschaft herein. Das Zeichen dafür ist die Gabe des Heiligen Geistes.
Aber damit nicht genug: Bald stehen die jungen Christen nicht nur vor innerjüdischen Grenzen, sondern auch an der Grenze zu den Heiden. Es bedarf größter Anstrengung von Seiten Gottes, Petrus überhaupt über die Schwelle eines heidnischen Hauses zu bringen. Und als er dort anfängt, eine ellenlange Predigt zu halten – funkt Gott einfach dazwischen: Der heilige Geist kommt auf alle herab. Und damit sind die Heiden ein für alle Mal in der Jesusbewegung dabei.
Und noch einmal wird Gottes Geist tätig, wir haben es heute in der Lesung gehört: Eine Gruppe, die nicht im wahren Glauben steht, die zwar getauft ist, aber für die der heilige Geist noch ein Fremdwort ist, dieser wird die Tür zur Gemeinschaft geöffnet: der heilige Geist kommt auf sie herab und sie fangen an, vor Geist nur so zu sprühen.
Liebe Leser,
wer diese fünf Einflugschneisen des heiligen Geistes in der Apostelgeschichte des Lukas ernst nimmt, der kann sich doch an seinen fünf Fingern abzählen, wo auch heute noch der Geist Gottes in der Kirche auf den Plan tritt und kräftig mitmischt:
Der Geist Gottes ist am Werk, wo Angst überwunden wird und Christen den Mut haben, zu ihrem Christsein zu stehen.
Der Geist Gottes ist am Werk, wo sich Kirche für Menschen öffnet, mit denen man eigentlich nichts zu tun haben möchte.
Der Geist Gottes ist am Werk, wo nicht gesagt wird: Dein Glaube ist nicht korrekt genug, sondern wo denen Heimat geschenkt wird, die sich nach Glauben sehnen.

Fürbitten

Gott, am Geburtsfest der Kirche bitten wir dich um deinen heiligen Geist:

- Der Geist Gottes bewege unsere Gemeinden, er öffne ihre Türen und erfülle sie mit wohltuender Weite …
- Der Geist Gottes stärke alle Müden und Ängstlichen, er gebe ihnen Rückgrat, schenke ihnen neuen Mut und Zuversicht …
- Der Geist Gottes öffne unsere Augen, er lasse uns die Menschen sehen, wie sie sind, und nicht, wie wir sie haben wollen …
- Der Geist Gottes sei mit allen rückwärts Gewandten und zeige ihnen Wege, sich auf Neues einzulassen
- Der Geist Gottes schließe unsere Herzen auf. Er lasse nicht zu, dass sie von Rechthaberei und Härte bestimmt werden, sondern von Güte und Verständnis …


Pfarrer Stefan Mai

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