Marana tha – Komm, Herr Jesus

Predigt zum 7. Sonntag in der Osterzeit (Offb 22,12-20)

Vielleicht kennen Sie noch aus den 70-er Jahren die Schlager der Sängerin Daliah Lavi. Lieder wie „Wer hat mein Lied so zerstört“, „Willst du mit mir gehen?“ Oder „Oh wann kommst du?“ sind manchem noch in Erinnerung.

-Refrain des Schlagers von Daliah Lavi spielen lassen-

Sicherlich, dieser Schlager von Daliah Lavi ist kein religiöses Lied, aber in diesem langen „oooooh, wann kommst du?“ kommt stark die Sehnsucht eines Wartenden zum Ausdruck. Es wird die Sehnsucht geschildert, die einen Menschen fast verzehren kann.
Das Warten auf einen Menschen, den man gern hat, kann ungeheuer spannend sein, man kann es genießen in der Vorfreude, es kann aber auch an den Rand des Wahnsinns bringen.

-Refrain des Schlagers von Daliah Lavi spielen lassen-

Das junge Ehepaar war mit seinen Kindern zu Besuch bei der Oma. Es steigt mit den zwei goldigen Kerlchen ins Auto. Von der Oma gibt es für die zwei noch ein Küsschen. Dann springt der Motor an. Beim Anfahren des Autos gehen noch einmal die Fensterscheiben herunter. Das Auto hupt, alle vier winken und die Oma ruft noch nach: „Kommt gut heim und kommt bald wieder!“

-Refrain des Schlagers von Daliah Lavi spielen lassen-

„Du, Franz, ich gehe jetzt schnell mal zum Einkaufen weg. Bleib noch so lange im Bett liegen, bis ich wieder da bin,“ schärft die 70-jährige ihrem behinderten Mann ein. Sie weiß, dass er seit seinem schweren Schlaganfall nicht mehr gern allein daheim ist. Sie packt ihre Tasche und geht zur Haustür. „Bleib nicht so lange fort, komm schnell wieder heim!“, hört sie noch beim Hinausgehen. Und sie beeilt sich und er vergeht vor Warten daheim.

-Refrain des Schlagers von Daliah Lavi spielen lassen-

Es ist beeindruckend. Das NT endet mit diesem Sehnsucht-Thema auf der letzten Seite. Wir haben es in der Lesung aus der Offenbarung gehört. Es sind die letzten Sätze der Bibel. Da sagt einer: „Ich komme!“ und der andere antwortet sehnsuchtsvoll „Komm, Herr Jesus!“ Da verspricht einer seine Nähe und der andere antwortet mit seiner Sehnsucht. Die ersten Christen haben diesen Sehnsuchtsschrei nicht nur auf die letzte Seite ihrer Bibel gesetzt, sie haben diesen Ruf „Marana tha“, „Komm, Herr Jesus!“ auch als Schlusslied ihrer Eucharistiefeiern gesungen. Und mit dieser Sehnsucht, sind sie zurück in den Alltag.

-Refrain des Schlagers von Daliah Lavi spielen lassen-

In einem modernen Gedicht „Sandalen der Sehnsucht“ bringt die Schriftstellerin Käthi Hohl-Hauser diese Sehnsucht in ein ausdruckstarkes Bild:

ich wusste nicht wer
sie mir heimlich angezogen
die Sandalen der Sehnsucht
aber ich ging in ihnen
ging, ging, ging

sie wuchsen in mir
wurden dünn und schmiegsam
die Sandalen der Sehnsucht
wir saßen unterm Tulpenberg
im Farnwald
unter dem Sprühregen
mitten im Regenbogen
die Sandalen der Sehnsucht und ich

Wo sind sie jetzt, wo?
sie müssen in mir sein
sie tragen mich durch
das Sumpfland Zweifel
und die Sandöde Trauer
sie tragen immerzu
immerzu ihm zu
der sie mir heimlich angezogen hat
die Sandalen der Sehnsucht


Pfarrer Stefan Mai

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