Es geht um Ihr Handy!

Predigt zum Stadtkatholikentag in Schweinfurt am 17. Mai 2007

Begrüßung

Guten Morgen und herzlich willkommen zum 2. Stadtkatholikentag in Schweinfurt. Herzlich willkommen allen Christen aus den 9 Schweinfurter Pfarreien und den Gästen, die heute unter uns sind.
Vielleicht sind Sie jetzt ein bisschen verwirrt: Sie schauen nach vorn, die Begrüßung komm von hinten.
Vielleicht überlegen Sie gerade: Soll ich mich jetzt umdrehen? Oder weiter nach vorne schauen?
Dieses kleine Begrüßungsexperiment sollte uns zeigen: Es ist schwer, wenn ich einmal auf eine Blickrichtung gepolt bin, diese Blickrichtung zu ändern. Es ist nicht leicht, vo einem festgefahrenen Blickwinkel abzurücken.
Dieses kleine Experiment macht uns als erstes klar: I Projekt Stadtkirche geht es um eine Veränderung des Blickwinkels in der Seelsorge, in den Organisationsstrukturen der Kirche in unserer Stadt. Es geht auch um die Veränderung des Blickwinkels bei uns selbst. In die richtige Richtung geht er, wenn er i die Richtung des Liedes geht, in das wir nun einstimmen wollen.
Thematische Einleitung
Zur Zeit brodelt in der Fußball-Bundesliga der Kampf um die Meisterschaft und um die begehrten ersten Plätze. Aber ebenso geht die Angst vor dem Abstieg um. Denn jeder weiß: Wenn man absteigt, dann verlieren die Fans ihre Lust und Freude. Frust kehrt ein, die Stadien dünnen immer mehr aus. Und mit der Zeit wird das Häufchen immer kleiner, das die Treue hält.
Auf religiösem Feld passiert etwas ähnliches, wenn der Verein Kirche an Attraktivität verliert und sich auf einem absteigendem Ast befindet. Dann wird es dünn und dünner, langweilig und langweiliger. Keine Lust, keine Leidenschaft, kein Begeisterung und kein Elan bei den Fans mehr zu spüren. Am Ende schleppen sich alle auf niedrigem Niveau dahin. Lähmung – Resignation – Depression. Keine Innovation in Sicht.
Wo keine Atmosphäre in Sicht ist, entsteht auch keine. Aber Kirche braucht ein positives Klima, wenn sie für Menschen attraktiv sein will, Ausstrahlung und Leuchtkraft besitzen will.
Vielleicht sind die kühlen Temperaturen von heute ei bildhaftes Thermometer für das Klima, das zur Zeit in Kirchenkreisen herrscht.
Und da wollen wir heute von Weite, Wärme, Geborgenheit und von Stärke träumen?
Möge vom heutigen Tag wirklich einmal ein kleiner Ruck durch unsere Kirchenreihen gehen. Möge dieser Gottesdienst uns an diesen Traum glauben lassen, ns aus de Glauben heraus zum Wege suchen ermutigen und das Vertrauen in uns stärken, auch Wege in die Zukunft zu finden.


„Sketchige“ Gedanken zum Stadtkatholikentag am 17.05.07 „An den Eichen“

A: Ach is des schö, bei dem Wetter a en Feierdooch einfach da steh’, der Leut’ zuglotz und en Herrgott en guaten Mo sei lass.

B: Ja, sou e richticher Vadderdooch. E Bier und sei Ruh!

A: Vo wegen Ruh’…, was is denn des da für ä Musik, was mer da hört ?

B: Ach, des wird sicher wieder so ä Bierfestle oder irgend ä Kirchweih sei, heutzutag machen se doch aus allem a Festle

A: Na, wenn des so is, nachert hat grad enner Freibier ausgäm

B: Ja? Wie kummste den da drauf ?

A: Weil se grad gsunge ham „Wir loben, wir danken, deine Kinder in Franken“

B: Schmarr doch net, wenn ich mir die Leut so aschau hat des mehr geklunga wie „Kommt her ihr Kreaturen all“. Aber halt, ich gläbb’ ich wäß woher die Musik kummt. Heut is doch der Stadtkatholikentag am Waldspielplatz drom de Eichen. Du mußt blos emol in dei Kircheblättle neischau, da stehts doch drinn

A: (studiert das Blättchen) Ja, ja „Alles neu, mecht der Mai“ ...

B: Wie meenstn jetzt des ?

A: No, unser Stadtdekan is doch ständig am Erneuern. Hä, Stadtkatholikentag, alles wird zum Event gemacht – früher hats ä lateinische Stillmess gäm, dominus wo bist du – Amen… und des wors

B: Mensch Helmuth, Des war emol, die Zeiten ham sich geändert. Heutzutag mußt de der Leut scho was biet, wenn de Erfolg hab willst. Schau doch emol nei die Michelskirch, die is doch mittlerweile die angesagteste „Praylocation“ in ganz Schweinfurt überhaupts

A: Also, des wird mer ehrlich gsacht, alles eweng zu modern. Da, hör was in dem Blättle drinsteht: „ Ohne die Menschen geht es nicht ...“! Auf einmal ! Früher isses doch aa gange. Und ä neue Citykirch wolln se aa noch bau – na, die müssn Gald hab

B: Ach du kapierst a gar nix, des verstehst du bloß wieder net. Des is Bildlich gemeent.

A: So wie Sterbebildlich??

B: Bildlich, als Adjektiv, Wie-Wort Helmuth!!! Da wird doch kee neue Kirch gebaut. Des is doch bloß ä Umstrukturierung, weils immer weniger Pfarrer gibt. Wäßte, mer will halt alles äweng effektiver gstalt und mehr vernetz und nimmer so vor sich hie wurschtel. Mer will, dass die Leut und a die Pfarrer mehr über ihrn eigene Kirchturm schaun

A: Übern eigene Kirchturm schaun ...? Des wird schwierig, wenn ich mir die klenne Leut anschau und der mäßten is des ehh viel zu hoch!

B: Ach, wenns nach dir ginget, dät sich gar nix veränder. Da bliebet alles beim Alten. Wäßt du überhaupt scho, dass ins Dekanatszentrum ä Kirchencafe kumm soll ?

A: Was, ä Kirchencafe ? Als wenns in SW net scho genug Fressbudn gäbert

B: Des hat mit Essen und Trinken eher weniger zu tun. Da will mer halt mit Leut ins Gspräch kumm, die noch auf der Suche nach ihrm Glauben sin

A: Und den Glauben finden se dann zufällig: unter der Kaffeetassn, oder was ?? Des sin doch alles neumodische Pförz. Entweder du hast en Glauben oder du hast kenn. Früher is mer getauft worrn und hat sein Glauben ghabt – ob mer gewollt hat oder net. Saubere Sach’ !Da ham mer net lang rumsuch müß. Heut wird andauernd von Endscheidung geredt „w.w.w.Glaube-gesucht.de, so häßt der neu Firmkurs. Und des Brautleutseminar um 17.30 Uhr häßt dann wohl Hochzeit-vor sechs.de ???Ja, wu kumme mer denn da hie?

B: Helmuth, jetzt übertreibst de aber ganz schö’!! Unser Pfarrer hat in seiner letzten Predigt gsacht: „Wir Christen sin unser ganzes Leben lang Suchende“

A: (schaut suchend um sich, kramt in seinen Taschen und brummelt vor sich hin )

B: Ja, was issen jetzt los? Suchst Du was?

A: Ja, hast du irgendwo mei Handy gsehn?

B: Guck halt nei die Händ’ da wird’s scho sei die Händi. Da siehste wieder emol, wie Recht der Pfarrer ghabt hat, mit dem Suchen. Aber abgsehn davon, (flüsternd weiter)hast du eigentlich scho ghört, die überleichn mit die Evangelische, ob se net e was im ECE afang solln?

A: Im I C E ??

B: Der ICE is doch a Eisenbahn, im EEE CCCC EEEEE !!!

A: Was im ECE? Aber des is doch ä Einkaufszentrum. Gibts da nacher am End vielleicht aa noch Gesprächssonderangebote? Nach dem Motto: Wie hätten se denn gern ihrn Glauben? Evangelisch aufgeschnitten oder katholisch am Stück ??Die sölln ner bloß aufpass, dess sa da net verkäfft wern.

B: Ich find des gar net so schlecht. Wenn die Leut net nei die Kirch gehn, muß die Kirch halt dahi, wo die Leut sin, so wie se im Blättle gschriem ham: „... die Stadtkirche hat für viele was zu bieten: Auffangräume für Gescheiterte, Ruhezonen für Gejagte

A: Was, Aufhängräume für Gescheiterte und Ruhezonen für Gejagte ? Ja, was sacht denn da die Polizei dezu ? Also, des is mir alles zu modern. Ich bin der Meinung, es sollert alles so bleib, wies war. Ich brauch net alle Minutn was Neues (kurze Pause, spielt an seinem Handy herum. Handy funktioniert einfach nicht) Verreck, was is denn jetzt mit meim Hany los? Da funktioniert ja gar nix mer!. Weil mer auch immer den ältesten Mist derhemm hat. Des hab ich jetzt davon – nix geht mehr. Funkstille – aus – Amen. Also morgen wird gleich ä Neues gekäfft, und zwar es Modernste, was es zur Zeit aufm Markt gibt.
(Steht auf und knallt sein Händy auf den Tisch, geht ab, spricht im Weggehen) aber mit Java und Jamba un SMS und wehe es hat net mindestens neunerlei Klingeltön

B: Na sowas, schau ne a, a neues Händy will er !!! , Ich denk der braucht gor nix Neus, und auf e Mal will er gleich des Allerneueste. Aber vielleicht hätt mer bloß des alte Handy a emol auflad müß ...?

© Gras

Predigt

Liebe Schweinfurter, liebe Gäste,
einfach zum Schmunzeln, dieser Sketch von Günther Schäfer, den uns die beiden Schweinfurter Babbler, Ludwig Paul und Helmut Backhaus, vorgespielt haben.
Einfach zum Schmunzeln, wie da beide Seiten auf den Arm genommen werden: die Stadtkirche-Vorantreiber genauso wie die Stadtkirche-Gegner. Einfach gut, wenn man die schwerste Kunst beherrscht: sich selbst auf den Arm zu nehmen.
Jetzt aber einmal Ernst: In der Stadtkirche geht es um Ihr Handy. Egal, ob Sie eines in der Tasche haben – hoffentlich ausgeschaltet – oder nicht. Es geht um das Handy als Zeichen für die Kommunikation mit Gott. Es geht um unsere Telefonate zum Himmel und um unsere Empfangsbereitschaft.
Wir alle, die wir hier sitzen, haben so ein Handy: Unsere Telefonate mit Gott passieren im Gottesdienst unserer Pfarrkirche, im Bibelkreis unserer Gemeinde, im Rosenkranzgebet und der Maiandacht der älteren Generation, in der Frühschicht und liturgischen Nacht der (inzwischen älter gewordenen) Jugend, in den Weggottesdiensten der Kommunionkinder, hie und da in einer Wallfahrt oder im Familiengottesdienst als kleinem Event.
Aber, liebe Schweinfurter: Dieses Modell von Handy ist uns zwar sehr vertraut und lieb, aber ich habe den leisen Verdacht: Es ist schon längst aus der Mode gekommen.
Hand aufs Herz: Wer von Ihren Kindern, wer von Ihren Enkeln hat noch Freude an Ihrem alten Handymodell? Wer von Ihren Kindern und Enkeln geht am Sonntag noch mit in die Pfarrkirche? Wo liegt das Gotteslob, das Sie Ihrem Enkel zur Kommunion geschenkt haben, und wie oft wird es in die Hand genommen? Haben Ihre Kinder je einmal den Rosenkranz benutzt? Und selbst bei der Frühschicht oder der liturgischen Nacht für die Jugend: Konnten Sie Ihre Enkel schon einmal überzeugen, dass das eine gute Sache ist?
Sie kennen die Antworten, die wir uns anhören müssen: Du mit Deinem alten Zeug! Das war einmal. Das war vielleicht etwas für Dich, aber nicht für uns!
Liebe Schweinfurter, das Projekt Stadtkirche will niemandem das alte Handy wegnehmen, die Bindung an seine eigene Pfarrei und seine eigene Frömmigkeitsgeschichte. Wir wissen, dass das ein wertvoller Schatz ist, der erhalten bleiben muss.
Aber wir haben Sorge um die vielen, die dieses alte Handymodell weggeworfen haben. Die es nicht mehr aufladen. Die nicht mehr zu unseren Veranstaltungen kommen – und die in Gefahr stehen, dass damit auch ihre Verbindung mit Gott immer mehr abbricht.
Dem Projekt Stadtkirche geht es um diese Menschen. Es geht um Ihre Enkel, es geht um Ihre erwachsenen Kinder, um alle, die mit dem alten Kirchenhandy nichts mehr anfangen können.
Das ist der Knackpunkt der Kirche im Augenblick: Schaffen wir es, dass das, was uns ungeheuer wertvoll ist, auch die nachfolgenden Generationen anspricht? Finden wir Mittel und Wege, dass die nachfolgenden Generationen in das Gespräch mit Gott eintreten? Dass sie eine Heimat und Ansprache in der Glaubensgemeinschaft finden? Dass sie spüren, Christ sein ist ein Geschenk und ein Reiz.
Ich bin überzeugt: Es gelingt uns nur, wenn wir uns an die Entwicklung von neuen Handys wagen, auch wenn noch keiner von uns weiß, wie sie aussehen und funktionieren.
Vielleicht ist der stille Raum von Heilig Geist neben dem geschäftig lauten ECE-Center der Ort, wo wir die Türen aufhalten müssen, damit Menschen wieder den Wert der Stille neu schätzen lernen. Vielleicht muss dort ein Empfangskomitee sitzen, das – wenn gewünscht – gesprächsbereit ist, Tipps zum Beten gibt, eine Bibelstelle aufschlägt oder ein paar trostvolle Worte findet.
Vielleicht müssen wir unsere Kindergartenarbeit völlig neu aufziehen: Kindern die Stille entdecken lassen, das Staunen und Lauschen. Und in den Eltern neue Verbündete suchen, die sich selbst gegen den Trend der Zeit einer dauernden Beschleunigung und Dauerberieselung durch Bilder und Töne stellen wollen.
Vielleicht müssen wir wirklich ein Kirchenkaffee eröffnen. Ich weiß, es gibt in Schweinfurt genügend Fressbuden. Völlig klar, der Glaube ist nicht unter der Kaffeetasse zu finden. Aber vielleicht ist das ein Raum, wo man über das, was einen beschäftigt, was einen umtreibt, endlich geschützt reden kann, wo man sozusagen ein Glaubensgespräch führen kann – ohne den typischen Kirchengeruch.
Liebe Schweinfurter,
Sie haben’s schon richtig verstanden: das Projekt Stadtkirche ist Werbung neuer Mitglieder. Verhindern, dass der Letzte in unseren Pfarreien das Licht ausmacht. Das, was uns prägt, für so wertvoll halten, dass wir neue Formen wagen. Ich darf weiterhin das alte Handy, das mir genügt, so lang benutzen und aufladen wie möglich.
Aber für die vielen, die sagen: Nein danke!, heißt Stadtkirche: an der Entwicklung eines neuen Kirchenhandys arbeiten, damit Ihre Enkel, Ihre Kinder – und die vielen, die suchen, den Kontakt zu Gott wieder finden und den Wert der Glaubensgemeinschaft entdecken.

Friedensgebet

9 verschiedene Pfarreien. DIE 9 haben 9 verschiedene Glockengeläute. Und trotzdem ist es schön, wenn sie über Schweinfurt hinweg am Sonntag um 10 Uhr fast alle um die Wette läuten. Es ist kein Gleichklang. Aber doch ein Zusammenklingen. Was die Glocken vormachen, das wärs.
Herr, Jesus Christus. Als deine Kirche leben wir von verschiedenen Kräften, Begabungen, Einstellungen. Gib, dass wir uns mit dem, was wir von Gott geschenkt bekommen haben, nicht zerstreiten, sondern einander dienen mit dem, was du einem jeden zum Nutzen aller gibst. Schenke uns dazu deinen Frieden.


Pfarrer Stefan Mai

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