Auferweckung des Leibes oder Unsterblichkeit der Seele?

Ostersonntag 2007 (Lesung: 1 Kor 15,35-44)

Einleitung

Wenn ein Mensch stirbt, dann steht sie da, die Frage: Was geschieht jetzt mit ihm? Wo ist er?
Als der Schlagersänger Eric Clapton seinen Sohn verloren hat, versuchte er seine Trauer und Ungewissheit in einem Lied auszudrücken. Er gab ihm den Titel: Tears in Heaven – Tränen im Himmel. Er spricht seinen toten Sohn direkt an:

Wenn ich dir jetzt da oben im Himmel begegnen würde
würdest du mich da wiedererkennen?
Wüsstest du überhaupt noch, wie ich heiße?
Wäre dann alles wieder wie vorher?
Würdest du mir die Hand geben, mich festhalten, mir helfen? …

Ich stehe vor dieser Tür
und du bist dahinter.
Du – und Frieden.
Weil es im Himmel keine Tränen gibt.
Davon bin ich überzeugt.


In seinem Lied wirft Clapton die Frage auf: Wie kann man sich die Existenz nach dem Tod vorstellen? Die Frage christliche gewendet: Gibt es eine leibliche Auferstehung der Toten? Wie soll man sich das vorstellen?
Dieser schwierigen Frage wollen wir uns in der Predigt heute an Ostern einmal stellen.

Predigt

Wir behaupten: Das Entscheidende am Christentum ist die Auferweckung. An Ostern feiern wir das Fundament unseres Glaubens. Ostern, das Fest, um das sich alles dreht. Aber wie sollen wir uns das vorstellen: Auferweckung Jesu? Auferstehung der Toten, wie wir es im Credo bekennen?
Eine gängige Vorstellung ist die: Wenn ein Mensch gestorben ist, dann verlässt die Seele den Leib. In vielen Gegenden war es früher Brauch, unmittelbar nach dem Sterben eines Menschen das Fenster zu öffnen, damit die Seele hinausfliegen und ihre Reise zum Himmel antreten kann. Was da liegt, der tote Körper, das ist nur die vergängliche Hülle. Das Eigentliche, das, was den Menschen ausmacht, seine Seele, fliegt himmelwärts. Dort erwartet sie das Gericht. Für die Guten ist der Himmel offen. Die Bösewichte werden von der Hölle verschlungen. Alle, die im Leben einiges schuldig geblieben sind, werden auf den Weg der Läuterung geschickt.
Ich vermute, so stellen sich die meisten von uns das Weiterleben nach dem Tod vor. Aber, bitte erschrecken Sie nicht, das hat nichts mit der christlichen Vorstellung von der Auferweckung der Toten zu tun. Dass die Seele den Körper im Tod verlässt, das ist alte griechische Philosophie. So lehrt es Platon. Der Körper ist das Grab für die Seele.
Wie der Christ Paulus sich Auferweckung vorstellt, haben wir in der Lesung gehört: Da gibt es keine Trennung zwischen Leib und Seele. Das entspricht nicht nur dem gängigen jüdischen Empfinden und der modernen Biologie, das ist doch auch unsere Erfahrung.
Was mich ausmacht, sind einerseits meine Gedanken und Gefühle, andererseits aber auch meine Körpersprache, meine Verhaltensweisen, meine Mimik usw. Ich drücke mich mit meinem Körper aus. Wir würden uns in die Tasche lügen, wenn wir sagen würden: Der Körper ist für uns nur eine Nebensache. Warum geben wir so viel Geld aus für Körperpflege, für körperliches Wohlbefinden, für gesunde Nahrung und schönes Aussehen? Ich habe nicht nur einen Körper, ich bin Körper.
Und deshalb ist es nur konsequent: Wenn der Mensch Körper ist, dann geht im Tod auch der ganze Mensch zugrunde.
Und wenn es dann eine Auferweckung der Toten geben soll, dann muss dieser Mensch auch wieder leibhaftig, mit allem, was ihn als Menschen ausmacht, auferweckt werden – nicht nur als geistige Idee.
Diese Körperhaftigkeit des Menschen wird im Credo ernstgenommen: Auferweckt wird nicht ein geistiges Konzept des Menschen, sondern der „leibhaftige Mensch“ mit seiner körperhaften Ausdrucksform.
Aber wie soll das gehen? Paulus greift genau diese Frage auf und schreibt: „Nun könnte einer fragen: Wie werden die Toten auferweckt? Was für einen Leib werden sie haben?“
Und er antwortet auf diese Frage mit dem Bild von einem Samenkorn: Mit dem Körper eines Menschen ist es so wie mit einem Samenkorn. Du säst ein Samenkorn. Aber was daraus wächst, ist etwas ganz anders. Es hat eine völlig andere Gestalt. Diese neue Gestalt kann allerdings nur wachsen, wenn das Samenkorn in der Erde stirbt, verrottet und zugrunde geht. Sobald der Keimling Wurzeln getrieben hat, braucht er das Samenkorn nicht mehr.
Im Klartext: Der irdische Körper ist vom himmlischen Leib so verschieden wie das Samenkorn von der Pflanze, die daraus entsteht. Das eine muss sterben, damit etwas anderes daraus werden kann.
Aber die große Frage ist: Wie steht das Neue mit dem Alten in Verbindung? Wie kann der Mensch, der auferweckt wird, der gleiche sein, der gestorben ist, obwohl der himmlische Leib und der irdische Körper völlig verschieden sind?
Der biblische Glaube ist davon überzeugt: Gott selbst stellt die Verbindung her. Es ist die Erinnerung Gottes an den einzelnen Menschen, die ihn neu erschafft. Der biblische Glaube rechnet nicht mit einem materiellen Zusammenhang zwischen irdischem und himmlischem Menschen. Gott braucht nicht die Knochen, um den neuen Menschen zusammenzusetzen.
Gott schafft dadurch den Menschen neu, dass er sich an ihn erinnert: wie er war, wie er gemeint war, wie er eigentlich hätte sein wollen – und wie er hätte sein können.

Manchmal spüren wir doch selbst, wenn wir unsere Sehnsüchte und Wünsche anschauen, dass wir nicht das verwirklichen, was wir eigentlich sein könnten. Manchmal leider wir darunter, dass wir nicht den Mut dazu haben, unser Original wirklich zu leben, die Kräfte, die in uns stecken, voll zu entfalten.
Der biblische Auferweckungsglaube sagt genau das: Gott schafft mich neu, er schafft mich zu dem, wie ich von ihm gedacht war und wonach ich mich gesehnt habe zu sein.


Pfarrer Stefan Mai

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