Ein kleines Licht in der Hand

Osternacht

Einleitung am Feuer

Unsere Vorstellung von Ostern ist geprägt durch Bilder wie das berühmte Bild vom Isenheimer Altar von Matthias Grünewald: Mit der Osterfahne in der Hand fährt der Auferstandene triumphierend empor, und die Wächter purzeln um wie die Kegel.
Die Osterevangelien sind da viel zurückhaltender. Über das Wie der Auferstehung sagen sie nichts. Nicht anders die ältesten Osterdarstellungen: Sie zeigen nur den Grabgang der Frauen. Und den Engel, der ihnen die Botschaft sagt: Er ist auferweckt.
Auch die Liturgie der Osternacht ist zurückhaltend. Ihr genügt das Symbol der Osterkerze. Das Zeichen des kleinen Lichts gegen die dunkle Nacht.

Wortgottesdienst: Einleitungen zu den Lesungen

Einführung zur 1. Lesung (LektorIn 1)
Das erste Wort Gottes in der Bibel ist: „Es werde Licht!“ Schöpfung beginnt mit der Trennung von Licht und Finsternis. Finsternis ist in die Schranken gewiesen. Nach jeder Nacht kommt wieder ein Tag. Ohne Licht kein Leben.

1. Lesung: Gen 1,1-2,2 (LektorIn 2)
Zwischengesang: GL 263,1.3

Gebet (Priester)

Gott, Schöpfer des Alls,
du hast uns deine Schöpfung anvertraut,
die voll ist von deiner großen Güte.
Wir preisen dich und danken dir für das Licht,
das uns aufstrahlt in dieser Nacht.
Es möge uns leuchten auf den Wegen unseres Lebens.

Einführung zur 3. Lesung (LektorIn 1)
Der Weg ist ungewiss. Die Feinde sitzen im Nacken – bei der Flucht aus Ägypten. In der Erzählung von der Errettung am Schilfmeer heißt es:
„Der Herr zog vor ihnen her, bei Tag in einer Wolkensäule, um ihnen den Weg zu zeigen, bei Nacht in einer Feuersäule, um ihnen zu leuchten, damit sie bei Tag und Nacht wandern konnten. Nicht wich die Wolkensäule bei Tag und die Feuersäule bei Nacht von der Spitze des Volkes.“
Das ist Befreiung: eine klare Orientierung haben; Wissen, wo der Weg hingeht.

3. Lesung: Ex 14,15-15,1 (LektorIn 3)
Zwischengesang: 258,4

Gebet (Priester)

Gott, deine uralten Wunder noch in unseren Tagen.
Einst hast du das Volk Israel aus der Knechtschaft des Pharao befreit
und bist ihm in der Feuersäule vorangezogen.
Zeige auch uns den richtigen Weg durch unser Leben
und unsere Zeit.

Einführung zur 6. Lesung (LektorIn 1)
Das ist die Überzeugung der Bibel: Mit dem Schöpfung kommt das Licht in die Welt. Die Sonne spiegelt es wider am Tag, die Sterne und der Mond in der Nacht. Aber das Volk Israel kennt noch eine zweite große Lichtquelle: das Wort in ihren heiligen Schriften. Darin leuchtet Gottes Weisheit auf. Sie gibt dem Volk Israel Orientierung. Und jedem Israeliten wird ans Herz gelegt: Geh deinen Weg im Glanz ihres Lichtes!

6. Lesung: Bar 3,9-15.32-4,4 (LektorIn 4)
Zwischengesang: Dein Wort ist Licht und Wahrheit (GL 687)

Gebet (Priester)

Gott,
du bist reich für alle, die dich suchen.
Du hast durch das Wort der Propheten zu uns gesprochen.
Lass uns auf dein Wort hören,
damit es uns zum Quell der Weisheit wird
und wir auf deinen Wegen gehen.

Gloria

Tagesgebet

Gott des Lebens und Vater des Lichtes,
du erleuchtest diese Nacht durch die Auferweckung deines Sohnes.
In ihm erfährt die Welt,
was von Ewigkeit her dein Wille ist.
Was alt ist, wird neu,
was dunkel ist, wird licht,
was tot war, steht auf zum Leben.
Und alles wird wieder heil in dem,
der der Ursprung von allem ist:
Jesus Christus, unser Herr, …

Predigt

Vor einigen Monaten hat sie ihren Mann verloren. Als der Anruf von der Intensivstation kam, ist sie schnell hingefahren. Die Krankenschwester hatte an seinem Bett ein kleines Bronzekreuz aufgestellt, daneben eine brennende Osterkerze.
Als sie im Ostergottesdienst die Kerze in ihren Händen hält, erinnert sie sich wieder an das Licht, das neben dem Bett ihres sterbenden und dann verstorbenen Mannes gebrannt hat.
Nein … denkt sie … hofft sie …Der Tod kann nicht das Letzte sein. Es gibt Licht im Dunkel des Todes. Das leuchtet jetzt auch ihm.
Sie schaut auf die kleine brennende Osterkerze in ihren Händen. Und neben der Trauer und dem Schmerz spürt sie Hoffnung und Trost in ihrem Herzen.
Er ist 18 Jahre alt. Weihnachten und Ostern geht er zum Gottesdienst. Über Glaube und Kirche zu sprechen – das ist nicht seine Art. Aber vor kurzem ist es ihm in seiner Clique herausgerutscht: Events hier und da – gut und schön. Aber die alleine bringen doch noch nicht den Kick!
Als er die Osterkerze in seinen Händen hält, da kommt ihm neu die Ahnung: Das hier kann doch nicht alles sein. Er kann sich zwar nicht vorstellen, wie das gewesen sein soll mit der Auferstehung Jesu. Aber, denkt er sich: Der da oben hat mir doch schon geholfen, als ich down gewesen bin und in einem dunklen Loch gehockt war.
Er schaut auf seine kleine brennende Osterkerze und denkt: Gut, dass es dich da oben gibt. Auch wenn ich mit dir nicht viel am Hut hab’, bin ich dir nicht egal. Und in seinem Herzen macht sich die Hoffnung breit: Er ist auch dann da, wenn’s mit mir zu Ende geht.
Er schaut in das flackernde Licht seiner kleinen Osterkerze und denkt sich: Nein, wir sind keine Eintagsfliegen.
Der vierzigjährigen Frau ist nicht nach Ostern zumute. Nicht nach Halleluja und nicht nach „Wir wollen alle fröhlich sein“ (GL 223).
Sie ist müde und abgespannt. Sie hat Sorgen und Probleme, seitdem ihr Mann ausgezogen ist und sich eine andere genommen hat. Sie hat viel geweint in den vergangenen Monaten. Gott sei Dank, dass sie in einem Kalenderblatt auf einen Ausspruch der jüdischen Dichterin Nelly Sachs gestoßen ist. Sie trägt ihn immer in ihrem Geldbeutel bei sich. Oft liest sie ihn: „Die Auferstehungen deiner unsichtbaren Frühlinge sind in Tränen gebadet.“ Es ist ihr bewusst geworden, dass die Tränen ausgeweint werden müssen. Dass der Schmerz nicht zurückgehalten werden darf.
Als sie in die nachtschwarze Kirche gekommen ist, hat sie sich gedacht: So dunkel sieht’s bei mir drinnen aus. Und jetzt, als sie kleine brennende Osterkerze in ihren Händen hält, denkt sie sich: Hoffentlich wird’s bei mir auch wieder heller, so wie in diesem Raum.
Drei Lebenssituationen, die die große Bandbreite von Dunkel und Nacht im Leben von Menschen darstellen. Das kleine Osterlicht vor sich denken viele von uns: Ja, darauf kommt es an. An das Licht in der Dunkelheit glauben. Aber wir spüren zugleich: Dieses kleine Licht ist sehr gefährdet. Schnell kann es ausgeblasen werden. Es ist kein Bild für einen brüllenden, selbstsicheren Glauben. Es ist eher ein sehnsüchtiges Flackern. Der Wunsch, dass einem das Hoffnungslicht im Leben nie ausgeht.
Liebe Leser, jeder von uns weiß, die Dunkelheit im Leben kann schnell hereinbrechen und groß sein. Die Liturgie dieser Nacht sagt uns: Wir haben nichts dagegenzusetzen als eine winzige Hoffnung. Wir haben nichts in Händen als ein kleines Licht im Dunkeln.

Schlussgebet

Gott des Lebens,
in dieser Nacht haben wir die Auferstehung deines Sohnes gefeiert.
Durch sie hast du der hoffnungslosen Welt deine Zukunft eröffnet.
Leite die auf dich hoffen
aus dem Schatten des Todes in das Licht deiner Freude.


Pfarrer Stefan Mai

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