Hätten Sie etwas bemerkt?

Predigt zum 2.Sonntag im Jahreskreis (Joh 2,1-11)

Stellen Sie es sich einmal vor, Sie wären damals als Gast auf der Hochzeit von Kana dabei gewesen. Sie hätten mitgefeiert, fürstlich getafelt und getanzt. Hätten Sie etwas bemerkt von den Turbulenzen hinter den Kulissen? Von den Sorgen des Speisemeisters, der die Trinkfestigkeit der Gäste völlig unterschätzt hatte? Von der Angst des Bräutigams vor einer riesigen Blamage? Von dem Hick-Hack zwischen Jesus, der sich von seiner Mutter nicht bevormunden lassen will, und Maria, die dem Brautpaar aus der Patsche helfen möchte? Hätten Sie etwas bemerkt von der aufgeregten Geschäftigkeit im Hintergrund, von der Wasserschlepperei der Diener? Ja, hätten Sie bemerkt, dass da ein Wunder geschehen ist?

Das Evangelium erzählt: Die Gäste haben von all den Turbulenzen im Hintergrund nichts bemerkt. Die Dramatik um den Rettungsversuch des Festes blieb ihnen verborgen. Sie haben auch nichts davon gewusst, dass da ein Wunder am Werk war. Für die eingeladenen Gäste verlief dies alles still und unauffällig. Nur über eines „wundert“ man sich. Je länger das Fest, desto besser schmeckt der Wein! Je länger das Fest, desto schöner wird es.

Und das Evangelium nennt auch den Grund. Es behauptet: Das Fest der Hochzeit wird noch schöner, weil da eine Frau rechtzeitig die Krise bemerkt, sensibel reagiert, aber auch den Konflikt nicht scheut. Und es behauptet: Das Fest gewinnt noch an Qualität, weil Menschen den Ratschlag Mariens befolgen: „Alles, was er euch sagt, das tut!“ Wie sie Wasser herbeischleppen, ohne gleich zu wissen, wofür diese Prozedur sinnvoll sein soll. Und das Fest wird schöner, weil da einer nicht berechnend vorgeht und seinen Gästen einen Spitzenwein gönnt, obwohl diese ihn gar nicht mehr so richtig schätzen können.

Diese Erzählung von der Hochzeit in Kana erzählt vom Leben. Sie erzählt, dass wir schnell an eine Grenze kommen können, dass uns schnell die Freude, die Lebensenergie ausgehen können. Es erzählt aber vor allem, wie Leben trotz allem gelingen kann. Die Erzählung von der Hochzeit in Kana behauptet: Leben gelingt, wenn Menschen wie Maria sensibel dafür sind, was um ihnen herum geschieht, nicht nur vordergründig, sondern auch verdeckt und hinter den Kulissen. Die aber nicht nur aus Sensationslust ihre neugierige Nase hineinstecken und sich freuen, wenn bei anderen etwas schief läuft, sondern durch ihre Aufmerksamkeit weiter helfen wollen und dabei auch Konflikte nicht scheuen.
Leben gelingt, wenn Menschen wirklich verstehen wollen, was Jesus von ihnen in ihrer Situation, in ihrem Lebensumfeld, in ihrem Verantwortungsbereich verlangt und dann bereit sind, ihr Handeln auch danach auszurichten, auch wenn sie noch nicht wissen, ob es Erfolg hat oder ihnen etwas einbringt.
Leben gelingt, wenn Menschen bereit sind, für andere Wasserträger zu sein. Das, was ihnen möglich ist zu tun, im Bewusstsein, dass wir all nur mit Wasser kochen und keine Wunder wirken können.
Leben gelingt, wenn Menschen aber auch damit rechnen, dass einer im Hintergrund da ist und immer fähig ist, unerwartete Dinge zu tun und das Leben in ungewohnte Bahnen zu lenken, mit denen wir niemals gerechnet hätten. Wo Menschen so handeln, da kann man sich nur wundern, welche Qualität das Leben bekommen kann!


Pfarrer Stefan Mai

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