Engel - Bilder göttlicher Nähe

Bußgottesdienst im Advent

Lied: GL 607/ 1+2



Einleitung

Die Bibel ist voll von Engelsgeschichten. Immer wieder sendet Gott seine Engel zu den Menschen. Sie sind Boten Gottes. Sie kommen zu den Menschen, um sie die heilende Nähe Gottes spüren zu lassen. Wenn die Bibel von Engeln spricht, dann geht es immer um Hilfe, um Wegweisung, um Warnung vor falschen Schritten, um Beistand, um Herausforderung oder um eine Botschaft, die Gott Menschen zukommen lässt. Die Engel sind Verkörperung des Interesses Gottes an der Welt und den Menschen und zugleich auch ein Wink für die Menschen, sich auf den geheimnisvollen Gott, den kein Auge geschaut und kein Ohr gehört hat, einzulassen. Sie sind wie ein festes Versprechen: Mit der Hilfe Gottes kannst du deine Aufgaben meistern und dein Leben bestehen und zugleich die Einladung, den Blick nach oben nicht zu verlieren. Die Engel der Bibel treten im Auftrag Gottes ins alltägliche Leben ein. Gott schickt seine Engel zu Menschen in ihrer Not, in ihrer Angst, in der Aussichtslosigkeit, in der Überforderung, im Leichtsinn, in der Depression, in Gefahren, im Nicht-mehr-Weiterwissen. Und – sie machen sensibel, Spuren Gottes in unserem Leben wahrzunehmen. Dazu brauchen die Engel der Bibel keine Flügel.

Die Kunst stellt die Engel oft mit Flügeln dar. Damit drückt sie aus, dass Engel in unser Leben gleichsam einfliegen und dass wir sie nicht festhalten können. Ihre Flügel drücken aus, dass sie Geschenke aus einer anderen Welt und Berührung mit einer anderen Welt sind. Nach Hildegard von Bingen verweisen sie auf die Herzenssehnsucht der Menschen, die sich zu Gott emporschwingen möchten.

In der Esoterik, die einen wahren Engelboom verzeichnet, möchte man genau wissen, was Engel sind und wozu sie gut sind. Die Bibel will klar machen, dass sie ins Leben eintreten. Doch sobald wir sie festklammern möchten, fliegen sie wieder weg. Engel lassen nicht über sich verfügen. Sie bringen somit ausdrucksstark die Unverfügbarkeit Gottes ins Bild.

Engel brechen die Welt für Gott auf. Eine Oberflächlichkeit des Lebens wird aufgerissen. Der Mensch sieht und fragt nach sich im Horizont Gottes. Fünf Engel von Paul Schäfer möchten für uns im Bußgottesdienst dafür heute eine Hilfe sein.

Lied: GL 607/ 3



Gebet

Gott, sei in dieser Stunde bei uns. Lass uns mit Dankbarkeit und Aufrichtigkeit auf unser Leben schauen. Lass uns deine gnädige Fügung und Führung im Leben erkennen. Und lass uns nicht wegschauen, wo wir von deinem Weg abgewichen sind. Behüte uns auf allen unseren Wegen und geleite uns auf dem Weg des Friedens.

Engel sind Bilder göttlicher Nähe, wie ein Versprechen, du bist nicht allein.

Lesung aus dem Buch Genesis (Gen 28,10-17)

Besinnung

1. Wächter-Engel

Niedlich wie die Engel auf Adventsmärkten und in Geschäften sind die Engel der Bibel nicht. Manche sind furchterregend, haben warnende Botschaften, stehen vor einem mit einem Schwert, schlagen drein, verwehren den Eintritt. Das ließ den Dichter Rainer Maria Rilke das Resümee ziehen: „Ein jeder Engel ist schrecklich!“.
Schnuckelig, süß, goldig, zart – das ist der „Wächter-Engel“ von Paul Schäfer nicht.

- der Wächter-Engel wird vor den Altar gebracht -


Er erhebet warnend die Hand. Streng steht er da. Er verkörpert eine eindringliche Botschaft und redet ins Gewissen. Er schaut mich an und stellt Fragen:

• Höre ich manchmal in mir eine innere Stimme, die deutlich sagt: Bis hierher und nicht weiter!
• Gibt es für mich Schmerzgrenze, wenn es um Wahrheit, Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit geht?
• Gibt es für mich eine Grenze im Konsum von Alkohol, unkontrolliertem Essen, Fernsehen, Zigaretten?
• Höre ich auf die Warnsignale in meinem Körper oder setze ich mich dauernd darüber hinweg?
• Habe ich selbst den Mut, Menschen auf Dinge anzusprechen, derentwegen ich in Sorge um sie bin?
• Erhebe ich meine Stimme, wenn ich Missstände in meiner Umgebung wahrnehme?

Orgelspiel ernst oder Improvisation zu GL 110

2. Der Schutzengel

„Wenn ich abends schlafen geh', 14 Englein um mich steh'n ...“ und dann werden sie aufgezählt: zwei zu meiner rechten, zwei zu meiner linken, zwei zu meinen Füßen, zwei zu meinen Häupten, zweie die mich decken, zweie die mich wecken, zweie die mich führen zum Paradeis.
In diesem Abendgebet von Hänsel und Gretel in Engelbert Humperdinks Oper lebt der Traum vom Schutzengel, wie auch auf den Bildern, auf denen ein großer Engel schützend seine Flügel über einen Buben und ein Mädchen breitet, die über eine gefährliche Brücke gehen.
Die Sehnsucht nach Schutz und Heimat ist groß. Die großen Flügel des Schutzengels sind eine Verbildlichung der Zusage Gottes: „Ich bin bei dir - ich lasse dich im Leben nicht allein!“

- Schutzengel wird in die Mitte gestellt -


• Kann ich diesem Versprechen Gottes „Ich bin bei dir?“ Glauben schenken, nicht nur in guten Tagen, sondern auch dann, wenn es schwere Wegstrecken zu bewältigen gibt?
• Wer sind für mich im Leben die treuen und stillen Begleiter, die es mit mir gut meinen, mir Sicherheit und Geborgenheit schenken?
• Habe ich mich schon einmal schützend vor Menschen gestellt?
• Kann ich mich dankbar an Situationen erinnern, in denen ich vor großer Gefahr und Unglück bewahrt wurde?

Improvisation zu GL 291

3. Der Hüter des Geheimnisses

Ganz anders wirkt dieser Engel auf mich. Er trägt eine große Leerstelle in sich. Es ist, als trage er ein großes Geheimnis in sich. Ich nenne ihn „Hüter des Geheimnisses“.

- Hüter des Geheimnisses wird in die Mitte gestellt -

Er macht mir wie viele Engel der Bibel klar: Du kannst Gott nie begreifen in seiner Erhabenheit, in seiner Größe vor ihm kannst du nur in die Knie gehen, vor ihm schweigen oder ergriffen „Sanctus“ singen. „Seine Gedanken sind nicht unsere Gedanken. Seine Wege nicht unsere Wege“. Gott bleibt immer Geheimnis. Ein Geheimnis, das fasziniert, beunruhigt, manchmal aber auch erschreckt.
Zudem erinnert mich dieser Engel: Auch ich trage in mir Geheimnisse, manchmal bin ich mir selbst ein Rätsel, ein Geheimnis. Dieser „Hüter des Geheimnisses“ fragt mich:


• Welches Geheimnis ist mir ein großer Schatz - welches Geheimnis eine große Belastung?
• Mit welchen Menschen kann ich über persönliche Dinge reden? Kann ich es überhaupt?
• Wie gehe ich mit Geheimnissen um, die mir Menschen anvertrauen?
• Wo verstehe ich mich selbst nicht?
• Was möchte ich Gott einmal fragen? - Worüber möchte ich nur mit ihm reden?

Improvisation zu GL 546

4. Der lächelnde Engel

„Ein kleines Lächeln ist besser als eine große Ansprache“, meinte der unvergessene 33-Tage-Papst Johannes Paul I. mit seinem unvergessenen Lächeln im Gesicht. Und von Mutter Teresa stammt der Satz: „Wir werden nie wissen, wieviel Gutes ein einfaches Lächeln vollbringen kann.“

Wie viele Engel lächeln Menschen von romantischen Portalen großer Dome Menschen entgegen und heißen sie an der Kirchentür willkommen. Meistens von Bildhauern geschaffen, deren Namen wir nicht mehr kennen, strahlen sie Optimismus und Freude aus. Auch der lächelnde Engel von Paul Schäfer, der uns in diesen Wochen hinten an der Emporensäule in unserer Kirche willkommen heißt, sagt mir: „Ich freu mich, dass du da bist. Es ist schön, dass es dich gibt. Lass dich anstecken von meinem Lächeln und schenk es weiter. Dann wird es seine Kreise ziehen.“ Mit seinem Lächeln fragt er mich:

- der lächelnde Engel wird in die Mitte gestellt -


• Wie schaut dein Gesicht aus? Wie wirkst du auf Menschen?
• Hast du im Leben etwas zum Lachen? - Ist dein Lächeln ehrlich, anerzogen, geschäftstüchtig, natürlich?
• Ich welche Gesichter schaust du gern?
• Wann hast du zum letzten Mal so richtig herzlich gelacht?

heiteres Orgelspiel - oder Improvisation zu GL 931

5. Der tanzende Engel

Noch einen frohen Engeltyp finden wir unter den Engeln in unserer Kirche, den tanzenden Engel. Schon auf den Portalen romanischer Dome waren sie zu finden, die tanzenden Engel. Sie hüpfen und drehen sich, stampfen vor Freude mit den Füßen, klappern mit den Kastagnetten und wiegen sich dabei. Und in Barockkirchen fliegen einem ganze Scharen von musizierenden, pausbackigen Engeln entgegen. Ausdruck von Lebensfreude und einer Art der Leichtigkeit des Seins.
Elegant kommt unser tänzelnder Engel daher. „Mensch, lerne tanzen, sonst wissen die Engel im Himmel nichts mit dir anzufangen“, schreib einmal dem hl. Augustinus.

Unser tanzender Engel könnten uns fragen:


• Habe ich mich in dieser Woche einmal richtig freuen können?
• Was geht mir im Leben ganz leicht von der Hand?
• Was bewegt mich innerlich tief?
• Lasse ich mich von der Freude oder der Not anderer bewegen?
• Nehme ich mein Leben vielleicht zu ernst, zu schwer?
• Wie kann ich mir eine heitere Gelassenheit und eine Leichtigkeit bewahren, ohne leichtsinnig zu werden?

tänzelndes Orgelspiel

Vergebungsbitte

Du verborgener, geheimnisvoller Gott und trotzdem uns Menschen so nah. Vor den Bildern der Engel haben wir über uns selbst nachgedacht, über unser Verhältnis zu dir und unseren Mitmenschen. So manche Erinnerung an Gesichter und Situationen ist in uns hochgestiegen. Du weißt um alles, um unser Bemühen, um unsere Kämpfe, um unsere Ohnmacht und unser Versagen. Vor dir bekennen wir

Schuldbekenntnis - GL 353 / 4 und Zusage der Vergebung

Gott wir leben von deinem Erbarmen und brauchen dein Weggeleit:

Engel Gottes,
wir brauchen euch,
weil wir sonst so ungeschützt,
fremd und verloren umherirren.

Engel Gottes,
wir brauchen euch,
weil wir sonst uns verlaufen
auf den Wegen unseres Lebens.

Engel Gottes,
wir brauchen euch,
weil wir sonst nicht aufgefangen werden,
wenn wir stürzen und fallen.

Engel Gottes,
wir brauchen euch,
weil wir sonst vergessen,
wo der Himmel ist, von dem ihr kommt.

Engel Gottes,
wir brauchen euch,
weil wir sonst eure Spuren nicht finden,
die uns die Richtung zeigen.

Engel Gottes,
wir brauchen euch,
weil wir sonst eure Stimme nicht hören,
die uns wach rütteln will.

Engel Gottes,
wir brauchen euch,
weil wir sonst euren Gesang vermissen,
der uns den Frieden verkündet

Engel Gottes,
wir brauchen euch,
weil wir sonst die Botschaft nicht glauben,
die uns erfülltes Leben verheißt.

Engel Gottes,
wir brauchen euch,
weil wir sonst den Auftrag nicht erfüllen,
der uns zu Boten der Freude erwählt.

Engel Gottes,
wir brauchen euch.

Lied: GL 111/2



Als abschließendes Gebet sprechen Männer und Frauen abwechselnd das Lied GL 605.

Segen

Lied: 291/1+2


Pfarrer Stefan Mai

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