Klangfarben

Rorate

Erinnern Sie sich noch an die Bundesgartenschau in Würzburg Ende der 80er oder Anfang der 90er Jahre? Sie erstreckte sich von der Talavera hinauf zur Festung. Auf einer ruhigen Anhöhe hatte sie eine Attraktion, den „Klanggarten“. Man konnte sich unter Bäumen ins Gras legen oder sich ein Plätzchen suchen und dann dieser Musik von Burkard Schmidl lauschen. Die Veranstalter wollten zu einem packenden, musikalischen Erlebnis einladen. Sie wollten einladen, auf Klänge zu hören, die mal zart, mal streichelnd, manchmal geheimnisvoll und auch fremd daher kommen. Ein musikalisches Experiment, das mit vielschichtigen Klangfarben die Phantasie der Zuhörer anregen wollte.

Erst kürzlich las ich von einem Mann in der Schweiz mit einem seltsamen Hobby: Er sammelt Klänge. Er geht mit seinem Mikrofon durch sein Schweizer Heimdorf und nimmt Geräusche auf: Wie der Dorfbach rauscht oder die Kirchturmuhr schlägt - oder wie es klingt, wenn die Kühe zur Weide getrieben werden. Auf die Frage, warum er das tue, sagte er: „Ich sammle Klänge, damit sie nicht in Vergessenheit geraten. Klänge können aussterben, wie seltene Vogelarten. Wer weiß heute noch, wie das Hämmern einer Schmiede klingt oder das Klappern einer Mühle? Wie es klingt, wenn eine Kutsche durch das Dorf rattert oder wenn Holzfässer über das Pflaster rollen.“

Mir gefällt diese Idee des Schweizers. Er möchte heimatliche Klänge nicht verloren gehen lassen. Er möchte Klänge schützen, die unabdringlich waren. Klänge, die gut tun. Mit seinem Hobby will der Schweizer Menschen von heute wieder die Ohren spitzen helfen, auf Geräusche, die in einer akustisch überfütterten Welt wie Oasen der Ruhe und Natürlichkeit wirken. Er möchte dazu anregen, wieder bewusst einmal hinzuhören, wie der Wind in einem Baum klingt oder der Regen, der zur Erde fällt. Die Amsel, die ihr Lied singt. Oder ein Mensch, der uns etwas sagen will.

Der Advent kommt mir vor wie dieser Schweizer. Mit seinen Liedern und Klangweisen will er hinweisen auf Klänge aus einer anderen Welt, auf eine Harmonie, die ich nicht sehen und nicht beweisen kann, die aber etwas in mir bewirkt, wenn sie erklingt. Der Advent möchte aufmerksam machen auf Klänge, die gut tun.


Pfarrer Stefan Mai

© Stefan Mai 2001 - 2024
Alle Rechte vorbehalten.
Vervielfältigung nur mit Genehmigung von Pfarrer Stefan Mai.

www.stefanmai.de