Si me amas...

Predigt zum 25-jährigen Priesterjubiläum von Franz Schmitt und zur Nachprimiz von Michael Kubatko am 18.06.06 in Untersteinbach

Wer findet den Schlüssel für eine gelingende Pastoral der Zukunft? So einen richtigen Super-Dietrich, der die Türen zu den verschiedenen Schichten und Milieus unserer Gesellschaft neu aufschließt? Millionen von € würden die Bischöfe dem zahlen, der einen solchen Zauberschlüssel fertigen könnte oder finden würde. Welche Schlüssel werden zur Zeit nicht alles in Seelsorgereferaten und Pfarreien ausprobiert, ob auf altbarock gemacht oder im modernen Designer-Stil oder gar schon in elektronischer Chipkartenform. Zu welchem Schlüssel sollen wir greifen, fragen sich viele Seelsorger und Seelsorgerinnen, Lehrer und Eltern, um für die nächste Generation die Tür zur Botschaft Jesu und einen Zugang zu unserer Kirche aufzuschließen?

Diese Frage ist eine Schlüsselfrage für einen alten Hasen in der Pastoral wie Franz Schmitt und diese Frage beschäftigt ebenso einen Jungfuchs wie Michael Kubatko. Primizianten gehen normalerweise noch sorgloser, optimistischer und mit mehr Elan an diese Schlüsselsuche heran als ein 25 Jahre Gedienter, der im Lauf seines Dienstes schon viele Schlüssel probiert hat, dessen Schlüsselbund immer dicker und schwerer geworden ist, der aber trotzdem den Eindruck hat, dass viele Schlüssel daran nicht mehr tauglich sind. Aber auch Primizianten müssen erfahren, dass dieser Schlüssel nicht mit der Weihe „Frei-Haus“ automatisch mitgeliefert wird.
Und wie viele Schlüssel hast du, Franz, doch schon symbolisch als Dekan bei Pfarreinführungen überreicht, immer neu in der Hoffnung, möge der Seelsorger mit den Ehrenamtlichen den Schlüssel für ein gelungenes Gemeindeleben finden.


Franz, auf deiner Einladung zum 25jährigen Priesterjubiläum, da könnte man den Eindruck haben, Du hast eine solchen Zauberschlüssel in der Hand. Wie du da spitzbübisch und dankbar lachst, so wie ein Kind, das endlich nach langem vergeblichem Suchen den passenden Schlüssel für das Schloss gefunden hat. Dieses Bild ist eine Erinnerung an eine glückselige Stunde auf dem Jakobusweg, als deine Gastgeber in einem französischen Dorf am Vorabend des Jakobustages dir den Schlüssel für die mittelalterliche Kirche besorgt haben. Für mich ist dieses Foto ein schönes Bild. Es zeigt doch einen Seelsorger, der auch nach 25 Jahren noch Lust hat, den Schlüssel für eine zeitgemäße Pastoral zu finden. Wie aber könnte dieser Schlüssel heißen?


Ein uralter Schlüssel, den Archäologen in Rom gefunden haben, bringt mich zum Nachdenken und auf die Fährte. Bei Ausgrabungen kam er ans Tageslicht. Als man den Schlüssel gesäubert hatte, staunten die Wissenschaftler über die eingravierte Inschrift auf dem Schlüssel. Es waren nur 3 lateinische Worte. Die Worte „Si me amas“, „wenn du mich liebst“.
Die Archäologen haben diese sonderbare Schlüsselinschrift so gedeutet: Diesen Schlüssel hat ein Verliebter oder eine Verliebte bei der Hochzeit dem Partner geschenkt – und ihm damit gesagt: Wenn du mich wirklich liebst, dann kann ich mich dir gegenüber öffnen. Wenn du mich wirklich liebst, dann gewähre ich dir Zugang zu meinem Innersten. Gewaltsam wirst du nie in mich eindringen können. Nur wenn du mich wirklich liebst, hast du den Schlüssel zu meiner Welt und kannst mir vielleicht neue Welten erschließen.
Diese alten Worte eines römischen Liebespärchens machen mich hellhörig. Diese drei Worte sind für mich auch Schlüsselworte für uns Priester, die wir doch hoffen, den Schlüssel zu der Herzenstür von Menschen zu finden. Diese drei Worte eines römischen Verliebten bergen eine Zauberformel für unsere Pastoral, für den Umgang mit Menschen. Si me amas, wenn du mich liebst, diese Worte sagen mir: Meine seelsorgerlichen Gesprächstechniken mögen noch so gut sein, die religiösen Formeln mögen mir noch so gut über die Lippen gehen, mein theologisches Wissen mag noch so überragend sein, das ist noch lange nicht der Schlüssel zu den Herzenstüren der Menschen. Die Menschen werden erst offen für unsere armen Worte, mit denen wir die Botschaft Jesu auszurichten haben, wenn sie spüren: Der hat die Menschen gern und denkt groß von ihnen. Die Menschen werden uns den Schlüssel zur Tür ihrer Lebensgeschichte, zu ihrer Leidensgeschichte, zu ihrer Person, zu ihren Freuden und Ängsten, zu ihren Sorgen und innersten Gedanken nur dann geben, wenn sie spüren: Ich liege ihm am Herzen. Der mag die Menschen. Der hört auf meine Fragen. Der hat Respekt vor mir und begegnet mir in großer Achtung. Der kann warten, bis ich ihm ein Signal gebe, dass er eintreten darf. Sie werden uns nur dann diesen kostbaren Schlüssel anvertrauen, wenn sie die Verlässlichkeit unseres Wohlwollens und unserer Anteilnahme spüren und erleben: Der handelt nicht anders als er redet. Und das ist klar, ein Seelsorger kann für Menschen mit der Botschaft Jesu ihr Leben erst deuten helfen, wenn er ihr Vertrauen gewonnen hat. Erst dann werden Menschen einem Franz Schmitt seinen Primizspruch abnehmen, dass er die Müden stärken möchte durch ein aufmunterndes Wort. Und erst dann werden es Menschen einem Michael Kubatko abnehmen, der stark von einer Herz-Jesu-Frömmigkeit geprägt ist, dass seine Worte von Herzen kommen und zu Herzen gehen wollen. Und erst dann werden es ihm Menschen abnehmen, dass er sich selbst von der Liebe Gottes so beschenkt fühlt, dass sie aus seinem Inneren an andere weiterfließen kann.

Diese Worte „si me amas“ auf dem römischen Schlüssel erinnern mich als zweites an die berühmte Frage Jesu am Ostmorgen an Petrus, nachdem dieser ihn drei Mal am Kohlenfeuer verraten hatte. Drei Mal fragt Jesus ihn in Anspielung darauf ganz bewusst: „Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich?

Es ist ein Examen von besonderer Art für den, der ein wichtiger Amtsträger der jungen Großkirche werden soll. Petrus wurde nicht nach dem Würdig-Sein, der Leistung, der Intelligenz, der Tüchtigkeit gefragt. Nein, er wird allein nach der Liebe zu Jesus gefragt. Und das gleich drei Mal. Das beunruhigt: Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich?
In stiller Bescheidenheit, im Wissen um seine Grenzen antwortet Petrus: „Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebe!“ Und Jesus spricht ihm sein Vertrauen aus: „Weide meine Lämmer!“
Aber dann fragt ihn Jesus zum 2. Mal: „Simon, Sohn des Johannes liebst du mich!“ Und dem nicht genug, sie fällt zum dritten Mal. Da wird der Ernst der Frage unheimlich. Das wissen Sie selbst aus Erfahrung, wenn ein Mensch Sie ein paar Mal hintereinander das Gleiche fragt. Drei Mal wird Petrus von Jesus mit vollem Namen angesprochen, es geht um seinen innersten Wesenskern. Drei Mal geht es um die Liebe. Den eigentlichen Pfiff dieser Fragestunde versteht man aber erst, wenn man in den griechischen Urtext schaut: Da fragt Jesus das erste und zweite Mal „agapas me?“, das ist das griechische Wort für die hohe selbstlose Liebe, und Petrus antwortet mit „philo se“ – mit dem Wort für die Freundesliebe. Und beim dritten Mal stellt sich Jesus um, er stellt sich auf Petrus ein und fragt nicht mehr „agapas me?“....sondern er fragt mit dem Wort des Petrus „phileis me?“ Spüren Sie, da holt Jesus Petrus bei seiner Liebesmöglichkeit ab. Und Jesus schenkt ihm sein Vertrauen, auch wenn Petrus nicht mit seinem hohe Liebesideal dienen kann.

Sich immer wieder von Jesus anfragen lassen: Liebst du mich, mit deinen Möglichkeiten und Fähigkeiten, so weit du Kraft hast, und die bescheidene Antwort darauf: Du weißt doch alles, du weißt auch dass ich dich liebe. Das ist der zweite Schlüssel für eine glaubwürdige Pastoral. Jesus fragt nicht nach dem Erfolg, verlangt nicht, dass ich als siegesmutiger und selbstsicherer Apostel auftrete oder als Macher, der alles kann und weiß, oder gar so selbstherrlich auftrete, als komme mit mir leibhaft der Gott der Heerscharen daher, und der sich dann wundert, wenn man in mir nicht gleich den Gesandten des Herrn erkennt.
Lieber Franz, lieber Michael. Ich suche selbst auch schon über 23 Jahre lang nach einem Schlüssel für eine gelingende Pastoral und grüble viel darüber nach. Je älter ich werde, desto mehr glaube ich: Wir haben nur diese zwei Schlüssel in Händen. Den Schlüssel „Si me amas“, wenn du die Menschen liebst, dann schenken uns Menschen auch heute noch den Schlüssel zu ihrem Herz und öffnen sich für Jesu Botschaft.
Und den Schlüssel, „phileis me“, die Frage Jesu, hast du auch mich gern? Ich glaube fest daran: Mit diesen beiden Schlüsseln in der Hand, wird man auch in Zukunft Priestern es abnehmen, zum Wohl von Menschen wirken zu wollen. Mögen uns diese beiden Schlüssel im Leben nie verloren gehen.

Fürbitten

Gott, mit Freude und Dank feiern wir heute diesen Gottesdienst. Voll Vertrauen rufen wir zu dir:

(Nach jedem Absatz singen wir den Ruf Gl 919/2)


Für alle, die in der Gesellschaft und Wirtschaft Schlüsselpositionen innehaben
Für alle, die in unserer Kirche große Verantwortung tragen
Für alle, an die in Familie und Beruf große Erwartungen gestellt werden

Für unseren Kaplan Michael Kubatko, der am Beginn seines priesterlichen Dienstes steht
Für unseren Pfarrer Franz Schmitt, der sein 25-jähriges Dienstjubiläum feiern darf
Für alle Frauen und Männer, die in unseren Gemeinden Zeit und Kraft für ein lebendiges Pfarreileben einsetzen

Für alle, die sich vorbereiten auf einen Dienst in der Kirche
Für alle, die uns in unseren Familien in den Glauben eingeführt haben
Für alle, die gerne glauben und denen man es ansieht

Für alle Väter und Mütter, die auch heute den Glauben an ihre Kinder weitergeben möchten
Für alle, die darunter leiden, dass ihre Kinder sich nicht mehr für den Glauben interessieren
Für alle, die mit dem Glauben ringen

Für alle, die sich mutig zu ihrem Christ-Sein bekennen
Für alle, die sich viel Gedanken machen über neue Wege und Formen in der Seelsorge
Für alle, die unbeweglich geworden sind und sich aus alten Gewohnheiten schwer lösen können

Für alle Menschen, für deren Schicksal sich niemand interessiert
Für alle, denen es körperlich oder seelisch schlecht geht
Für unsere Verstorbenen. Für die uns bekannten und für die längst vergessenen

Darum bitten wir dich, Herr, unser Gott. Sei du Kraft und Stütze aller, die auf dich vertrauen. Amen


Pfarrer Stefan Mai

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