Es wird so viel getagt und doch nicht helle

„Es wird so viel getagt und doch nicht helle“ - Berühmt geworden ist dieses ironische Wort des großen holländischen Konzilskardinals Suenens.

Was gibt es in unserer Kirche alles an Konferenzen, alles an Sitzungen von Pfarrge¬meinderäten, Dekanatsräten, Diözesanräten, Projektgruppen, geistlichen Räten, Liturgie¬ausschüssen, Festausschüssen, Elternbeiräten usw.
Es wird auf diesen Konferenzen und Sitzungen so viel diskutiert, überlegt, entworfen, pro¬jektiert, geplant - und manchmal erwischt so manchen kirchlich Engagierten die Frage: Ändern all die vielen Sitzungen, die vielen Stunden Diskussionen etwas, bringen sie etwas nach vorne, oder sind sie am Ende Zeitvergeudung oder Kräfte- und Energieverschwen¬dung? Gilt auch von den kirchlichen Gremien und Sitzungen, was mit ironischen Worten auf einem bayerischen Sitzungskissen geschrieben steht:

Sitzung ag'setzt, hig'hetzt, ag'hetzt, sich hig'setzt, sich zammg'setzt, auseinannerg'setzt, a Tagesordnung festg'setzt, wieder ag'setzt, ersetzt, Kommissionen eig'setzt, Kommissionen besetzt, umbesetzt, weiterg'schwätzt, nix g'sagt, vertagt, zuletzt neu ag'setzt,
viel sen zammkumma, nix is rauskumma, Sitzung umma.

Liebe Leser, das Pfingstfest warnt uns davor, in dieses Horn zu stoßen.
Das Pfingstfest geschah nämlich bei einem Meeting, bei einem Gruppentreffen, das die Geschichte des Christentums und die Geschichte der Menschheit maßgeblich geprägt hat, hat sich nicht bei einem einzelnen Beter in seiner Zelle ereignet, auch nicht bei einem Mönch auf einem hohen Gipfel oder bei einem einsamen Buddha unter einem Baum. Nichts in dieser Richtung. Pfingsten geschah bei einem Meeting, und es ereignete sich in einer Gemeinschaft. Außerdem geschah Pfingsten in einem ganz normalen Raum, in einem für ein Gemeindezentrum typischen Konferenzraum. Es tut ganz gut, sich das manchmal vor Augen zu halten. Unsere Suche nach Gott sollte uns nicht nur an private Orte der Stille und der Betrachtung führen, sondern auch genauso in die Konferenzräume.

Das Christentum unterscheidet sich vor allem darin von den meisten anderen Welt¬religionen. Im Buddhismus, im Hinduismus und im Taoismus kommen der Geist und die Offenbarung Gottes vor allem durch den Einzelnen in die Welt, und gerade durch den Beter, der tief in sein privates Gebet versenkt ist. Sicherlich gibt es eine besondere Gotteserfahrung, die man nur im Privaten erleben kann, allein, in Stille. Wenn wir Gott finden wollen und Gottes Geist empfangen wollen, müssen wir uns manchmal von der Ge¬meinschaft zurückziehen. Wir müssen in die „Wüste“ gehen, in eine Kapelle, in die Stille, um mit Gott allein zu sein. Christentum und Judentum unterscheiden sich ein wenig von den anderen Religionen, weil sie glauben, dass es auch eine besondere Gotteserfahrung gibt, die man nur in der Gruppe erleben kann.

Pfingsten geschah in einer Gruppe, in einer Sitzung, in der Menschen überlegten, wie soll es weitergehen mit unserem Glauben, was können wir tun?
Das hilft weiter, wenn man manchmal an den Sinn und Nutzen von Sitzungen nicht mehr glaubt und sie als Zeitverschwendung sieht und das Gefühl hochsteigt: Die Zeit hättest du für dich sinnvoller nutzen können.

Die Pfingstgeschichte macht uns allerdings auch klar: Unsere Konferenzen, Sitzungen und Gruppentreffen in der Kirche werden erst fruchtbar, wenn sich Menschen in der Überzeu¬gung zusammenfinden: Wir warten mit anderen darauf, dass Gott in uns und durch uns etwas bewirkt, das jeder für sich allein nicht schaffen kann. Er schenkt die Kraft, die wir brauchen, wenn wir umsetzen wollen, was der Glaube uns bedeutet und für unsere Gesellschaft bedeuten könnte.


Pfarrer Stefan Mai

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