Freundschaft will gepflegt sein

Predigt zur feierlichen Kinderkommunion am 21.Mai 2006 in St. Maximilian Kolbe (Lesung: 2 Tim 2,1.2.11-13; Ev: Joh 21,15-19)

Woran man Freundschaft erkennt

Stellt euch einmal vor: Es kommt ein Fremder in eure Schulklasse. Ohne dass die Klasse es weiß, hat er die Aufgabe, herauszufinden, wer in dieser Klasse mit wem befreundet ist. Worauf wird er achten? Woran wird er erkennen: Das sind zwei Freunde?
Er wird darauf schauen, wer nebeneinander sitzt. In der Pause wird er darauf achten, wer auf wen zugeht, wer mit wem spielt, wer zu wem hält, wenn es Streit gibt. Er wird genau hinhören, wer mit wem spricht und wie übereinander gesprochen wird. Und natürlich wird er nach der Schule genau beobachten, wer wen ein Stück auf dem Heimweg begleitet. Dann hat er einen ersten Eindruck. Aber das Entscheidende bekommt er gar nicht mit.
Wer telefoniert am Nachmittag mit wem? Wer hilft sich gegenseitig bei den Hausaufgaben? Wer unternimmt am Nachmittag noch etwas gemeinsam? Wer kommt zum andern zu Besuch und isst selbstverständlich mit, wenn er da ist. Wer darf beim wem am Wochenende übernachten? Wer wird vom wem zum Geburtstag eingeladen? Welche Familien verbringen vielleicht sogar den Urlaub miteinander?
Und die Nagelprobe ist dann: Wenn einer der beiden Freunde umzieht oder wenn sie in verschiedene Schulen kommen – bleibt die Verbindung bestehen, wird weiterhin telefoniert und werden e-Mails geschickt? Gibt es noch manchmal Wochenenden, an denen sie sich treffen, oder Ferien, die sie gemeinsam verbringen?
Ja, Freundschaft ist kein leichtes Spiel für einen Augenblick, echte Freundschaft will gepflegt sein!

Eine besondere Freundschaft

Davon erzählt auch eine Geschichte von zwei Freunden, die mir neulich in die Hände gefallen ist. Der eine Freund heißt Johannes – und der andere ist ein ganz besonderer.

Dem Pfarrer in einer Stadt in Süddeutschen fiel ein alter Mann auf, der jeden Mittag die Kirche betrat uns sie kurz darauf wieder verließ. Eines Tages fragte er den Alten, was er denn in der Kirche tue. Der antwortete: „Ich gehe hinein, um zu beten.“ Als der Pfarrer verwundert meinte, er verweile nie lange genug in der Kirche, um wirklich beten zu können, sagte der Besucher: „Ich kann kein langes Gebet sprechen, aber ich komme jeden Tag um zwölf und sage: Jesus, hier ist Johannes.“
Eines Tages musste Johannes ins Krankenhaus. Ärzte und Schwestern stellten bald fest, dass er auf die anderen Patienten einen heilsamen Einfluss hatte. Die Nörgler nörgelten weniger, und die Traurigen konnten auch mal lachen. „Johannes“, sagten sie, „du bist immer so gelassen und heiter.“ „Ach“, winkte Johnnes ab, „Dafür kann ich nichts. Das kommt durch meinen Besucher.“ Doch niemand hatte bei ihm je Besuch gesehen. Er hatte keine Verwandten und keine engeren Freunde. „Dein Besucher“, fragte die Schwester, „wann kommt er denn?“ „Jeden Mittag um zwölf. Er tritt ein, steht am Fußende meines Bettes und sagt: Johannes, hier ist Jesus.“


Erstkommunion und Freundschaft

Liebe Kinder,
das wisst Ihr noch aus dem Kommunionunterricht: Kommunion bedeutet „Gemeinschaft mit Jesus und untereinander“. Das ist nicht einfach daher gesagt. Das wisst ihr: Wer mit seinem Freund in Freundschaft verbunden bleiben will, der muss die Freundschaft pflegen, Zeit, Geduld und Kraft investieren. Sonst kann es der Fall sein, dass sich die Freundschaft langsam im Sand verliert – und wenn ich merke: Jetzt bräuchte ich meinen Freund, dann ist keiner mehr da.
Bei der Freundschaft mit Jesus ist es nicht anders. Auch die will gepflegt sein. Und die Älteren unter uns wissen: Es gibt Momente im Leben, da kann die Freundschaft mit Jesus lebenswichtig sein, wie bei Johannes. Aber dafür muss man sie gepflegt haben.
Die Zeit eurer Kommunionvorbereitung war eine solche Zeit der Freundschaftspflege. Es liegt jetzt an euch, wie es mit dieser besonderen Freundschaft weitergeht und ob sie einmal im Leben trägt – oder ob sie allmählich im Sand verläuft.
Aber vielleicht gibt es bei der Freundschaft mit Jesus einen kleinen Unterschied zur Freundschaft mit Menschen. In der Lesung haben wir gehört: Wenn wir untreu sind, bleibt er doch treu, denn er kann sich selbst nicht verleugnen (2 Tim 2,13).
Für mich steckt darin ein großer Trost: Wer einmal in die Freundschaft mit Jesus eingestiegen ist, der fällt nie mehr heraus.
Ich habe heute zwei Wünsche an euch:
Lasst die Freundschaft mit Jesus nicht im Sand verlaufen. Und wenn ihr sie im Sand verlaufen lasst, dass es Momente in eurem Leben gibt, in denen ihr euch an diese Freundschaft erinnert und euch sagt: Er bleibt mir treu.

Fürbitten

Herr, unser Gott, wir feiern heute mit 27 Kindern in unserer Gemeinde das Fest der Erstkommunion. Wir bitten dich:

Wir beten für unsere Eltern, die uns das Leben geschenkt haben

Wir beten für alle Menschen, die unser Leben durch ihre Güte und ihr Wohlwollen bereichern

Wir beten für alle, die mit uns in Freundschaft verbunden sind oder es waren

Wir beten für alle, die unter zerbrochenen Beziehungen sehr leiden

Wir beten besonders für die 27 Kommunionkinder, die heute ihre Beziehung zu Jesus feiern

Wir beten für unsere verstorbenen Angehörige und Freunde, die auch noch nach ihrem Tod in unseren Herzen einen besonderen Platz haben

Gott, in dir leben wir, bewegen wir uns und sind wir. Lass uns in deinem Schutz geborgen sein. Darum bitten wir durch Christus, unsern Herrn.


Pfarrer Stefan Mai

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