Mit einem Sprung in die andere Welt

Predigt zum Stefanustag 2005

(Orgelfantasie f-moll KV 594)

Orgelfantasie f-moll – Anfang)

Düstere Musik. Depressive Stimmung. Schleppend. Es zieht einen nach unten. Passend zu Situationen, die jeder von uns kennt: Kein Licht am Horizont. Nichts will weitergehen. Alles ist bleiern. Es fehlt der Schwung.
Kaum zu glauben: Auch diese Musik stammt von Mozart, den wir gewöhnlich als den immer heiteren, gut aufgelegten Musikus kennen. In seinem Leben und in seiner Musik gibt es auch die andere Seite. Aber es wäre nicht Mozart, wenn er bei diesen düsteren Klängen stehen bliebe. Er kämpft sich hindurch. Hören Sie selbst:

Orgelfantasie f-moll – Übergang

Mozart springt direkt heraus aus den dunklen Klängen und katapultiert sich in eine andere Stimmungslage. Er schaut nicht mehr traurig auf den Boden, sondern hebt den Blick nach oben. Aus dem müden Gang wird ein heiterer, rhythmischer Lauf. Ungehindert. Frei. Nach vorne stürmend. Jubilierend und trotzig zugleich.
Für mich ist diese Mozartsche f-moll-Fantasie wie eine tiefsinnige Hintergrundmusik für die Stefanusgeschichte. Er, dem man in die Knie zwingt, den man fertig macht – reckt im Sterben seinen Blick nach oben: und sieht den Himmel offen.
Wo alle „Aus!“ und „Ende!“ schreien – da sieht Stefanus über den irdischen Horizont hinaus ...
Liebe Leser, keiner von uns ist davor gefeit, dass es solche scheinbar ausweglosen Situationen in seinem Leben gibt. So manches Mal gerät das Leben in die Sackgasse.
Aber wem es geschenkt ist, scheinbare Ausweglosigkeit durch den Blick seines Glaubens einmal zu durchstoßen, für den hat sie das Bedrohliche verloren.
Nach dem trotzigen Jubel kehrt auch die Mozartfantasie wieder in die Moll-Lage zurück. Es werden die gleichen Noten gespielt wie am Anfang. Aber sie klingen ganz anders: warm, beruhigend, getröstet.

Orgelfantasie f-moll – Ende


Pfarrer Stefan Mai

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