Mit dem gelbesten Gelb

6. Rorate - 15.12.2005

Andrea Schwarz schreibt einmal:

wenn ich malen könnte
würde ich ein kleines
schäbiges Haus malen
ganz klein
in ganz viel Weite
und mit ganz viel Verlorenheit
und mit ganz viel Dunkel drumherum
und der Sturm der dahinfegt
und die Kälte die zittern lässt
und die Hoffnungslosigkeit
und die Angst
und die Sorge
und dann würde ich
mitten in dieses kleine schäbige Haus
mit dem gelbesten Gelb einen Punkt setzen
und diesem Bild
würde ich dann den Titel
du
geben

Wer ist wohl mit dem Punkt, gemalt mit dem gelbesten Gelb, gemeint?
Menschen, die mir wertvoll sind?
Gott selbst?

Die Deutung ist offen. Aber wenn ich dieses Gedicht höre, dann spüre ich auf der einen Seite: Ich selbst möchte ein solches Hoffnungslicht sein.
Auf der anderen Seite wird mir bewusst, was der Dichter Wolfgang Borchert so ausgedrückt hat:

„Ich möcht Leuchtturm sein / in Nacht und Wind - für Dorsch und Stint,
für jedes Boot - und bin doch selbst / ein Schiff in Not.“


Pfarrer Stefan Mai

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