Bußgottesdienst im Advent 2005

Lied: 107 / 1+2

Hinführung

Die Tür ist für Menschen schon immer mehr als eine durchbrochene Wand, mehr als ein Loch, durch das man ein- und ausgehen kann.
Die Tür, die öffentlichen Raum und private Lebenssphäre trennt und verbindet, hat für uns Menschen eine besondere Bedeutung. Deshalb wählen Menschen bis heute oft eine besondere Form für ihre Haustür. In vergangenen Jahrhunderten wurden über dem Türbogen oft fratzenhafte, menschenartige Gesichter als Schlusssteine gesetzt. Sie sollten alle bösen Blicke, alle Menschen, die nicht wohlgesonnen sind, von den Hausbewohnern fernhalten. Auf die Türgesimse wurden Denk- und Segenssprüche geschrieben, die wichtige Ziele ins Bewusstsein rufen wollten oder den Segen Gottes auf das Haus herabrufen sollten. Bis heute schmücken Menschen vor allem im Advent ihre Türen, um eine Atmosphäre des Willkommens für die Besucher in der Advents- und Weihnachtszeit symbolisch auszudrücken.

Bis heute vergesse ich nicht die 100-jährige Frau aus dem Spessart, die mir jedes Mal beim Besuch an der Tür die gleiche Frage stellte: „Kaplan, bist du zufrieden?“ Als ich sie fragte, warum ihr das „Ja“ auf diese Frage so wichtig ist, meinte sie: „Unzufriedene Menschen sind ungute Menschen. Die sollen lieber vor der Tür bleiben.“

Und bis heute begrüßt mich ein 92-jähriger Oberschlesier beim Betreten seiner Wohnung jedes Mal mit dem Satz: „Tritt ein, bring Glück herein!“

Ja, die Tür ist ein besonderer Ort in unserem Leben. Ich meine damit nicht nur unsere Haustür. Heute möchte ich mit Ihnen einmal über die Tür zu mir selbst nachdenken.

Lied: 107 / 4+5

Gebet

Herr Jesus Christus, du bist das Licht der Welt, das uns leuchtet auf dem Weg unseres Lebens und in den Finsternissen der Zeit.
Öffne unsere Augen für deine Gegenwart.
Öffne unsere Ohren für dein Wort.
Öffne unser Herz für deine Liebe,
dass wir Licht werden für andere.
Amen.

Lesung: Mk 13, 33-37

Lied: 567 / 1-5 + 7 abwechselnd singen zwischen V / A


Besinnung

Zur Zeit Jesu standen an besonderen Häusern Türhüter, die mit wachen Augen beobachteten, welche Menschen durch die Tür ein- und ausgingen. Dieses Bild greift Jesus auf und empfiehlt, wie ein Türhüter wachsam im Leben zu sein hat, aufmerksam gegenüber dem Leben und sich selbst.
Der Mönchvater Evagrius Ponticus hat im 4. Jahrhundert das Bild des Türhüters aufgegriffen und in einem Brief einen befreundeten Mensch aufgerufen, ein guter Türhüter zu sein. Er solle jeden Gedanken, der an seine Tür klopft, befragen, ob er in freundlicher Absicht komme oder ob er ein Hausbesetzer sei, der ihm das Hausrecht streitig machen möchte.
Bitte lassen Sie sich in diesem Bußgottesdienst einmal auf ein einfaches, aber anstrengendes Experiment ein: Sie sitzen jetzt einfach 10 Minuten da, ohne groß nachzudenken. Vielleicht schließen Sie dazu die Augen. Stellen Sie sich vor, dass aus dem Inneren Gedanken auftauchen und an ihre Tür pochen, ohne sich bewusst anzustrengen, aber auch ohne Gefühle und Gedanken bewusst zu verdrängen. Lassen Sie die Gedanken einfach kommen und gehen ...

- 10 Minuten Stille -

Fragen zum Nachdenken

• Welche Menschen haben an Ihre Tür geklopft? Mit welchem Anliegen, mit welcher Bitte, mit welcher Frage, mit welchem dankbaren Gefühl sind sie zu Ihnen gekommen?
• Welche Gefühle haben an Ihre Türe geklopft?
- große Dankbarkeit?
- Enttäuschung?
- Wut?
- innere Leere?
- Ärger?
- eine tiefe Sehnsucht?
- eine große Ruhe?
- Aufgewühltsein?
- Angst?
- Unruhe?
- unbeschreibliches Glücksgefühl?
• Welches Gefühl laden Sie gerne ein, bei Ihnen zu Hause zu sein, die Räume Ihres inneren Hauses zu bewohnen?
• Welches Gefühl würden Sie am liebsten vor die Tür sperren. Ja vor welchem Gefühl haben Sie Angst, dass es Sie lahm legen kann?
• Ziemlich leicht ist es mit den schönen und guten Gefühlen umzugehen, schwer dagegen mit den negativen. Jeder Mensch hat solche Gefühle und ist deswegen noch lange kein schlechter Mensch. Anselm Grün aus Münsterschwarzach behauptet: „All diese Gefühle dürfen sein. In ihnen steckt eine Sehnsucht. In der Eifersucht steckt die Sehnsucht geliebt zu sein, in der Traurigkeit die Sehnsucht nach einem tiefen inneren Frieden, in der Enttäuschung die Sehnsucht nach Klarheit und Wahrheit und in der Angst die Sehnsucht, mich vom Urteil der andern zu befreien und all die mich überfordernden Vorstellungen vom Leben loszulassen. Wenn ich meine Gefühle nach ihrer Sehnsucht befrage, verlieren sie das Bedrohliche!“

Auf dem Hintergrund dieser Gedanken schaue ich noch einmal ein negatives Gefühl, das mir zu schaffen macht, an und frage mich: Welche Sehnsucht könnte dahinter stecken?

- Orgelspiel -

Vergebungsbitte

Wir sprechen nun im Lied 113 die Bitte aus, Jesus möge in unsere Herzen einziehen, Krummes gerade machen, uns helfen, manches zu lassen, was vor unseren Augen und den seinen nicht richtig ist, das dankbare Gefühl in uns stärken.

1. Strophe: Männer
2. Strophe: Frauen
3. Strophe: Gemeinsam


Herr, lass uns dankbar sein für alles Schöne und Gute, das wir erlebt haben.
Herr, vergib uns, wo wir uns schuldig gemacht haben oder etwas schuldig geblieben sind.
Herr, schenke uns den Mut, unsere Gefühle nach ihrer Sehnsucht zu befragen.
Lass uns wachsam mit unserem Leben, mit den Menschen, die uns begegnen und mit den Gefühlen, die uns bewegen, umgehen.
Amen.

Lied: 948 / 1+3 (dabei sammeln)

Vater unser

Segen

Lied: 107 / 3


Pfarrer Stefan Mai

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