„Da hättest du auch leuchten können“
3. Rorate - 06.12.2005 (Lk 11,33-36)
Es ist nicht leicht, die Balance zu finden zwischen sich überfordern und unterfordern, zwischen zu viel von sich verlangen und zu wenig. Zu viel tut nicht gut, aber genauso gilt das von zu wenig.
Eines ist jedoch klar: Wer nichts gibt an Kraft, Ideen, Einsatz, dessen Leben wird schnell fahl und ein Stück inhaltsleer. Das Leben ist daraufhin angelegt: Nur was wir geben, hat letztlich Bedeutung. Wer wirklich leben will, muss ohne Verlustängste sich selber ein Stück geben. Wenn wir nur krampfhaft für uns festhalten und reservieren wollen, geht uns die entscheidende Lebensqualität verloren.
Diese Predigt hält mir ständig eine Kerze. Eine Kerze ist nicht Wachs zum Aufbewahren, sondern der Sinn der Kerze ist das Licht. Licht gibt es aber nur, wenn die Kerze entzündet wird und nicht ihren Wachsvorrat für sich behalten will. Wenn die Kerze brennt, dann schwindet ihr Wachs. Eine brennende Kerze zehrt sich langsam auf. Sie ist ein Zeichen dafür, dass das Leben ohne Hingabe und Opfer stagnieren würde.
Meisterhaft hat diese Lebensweisheit für mich der Dichter Erich Fried in seinem Gedicht „Kleines Beispiel“ in die Worte gebracht:
Auch ungelebtes Leben geht zu Ende zwar vielleicht langsamer / wie eine Batterie in einer Taschenlampe die keiner benutzt.
Aber das hilft nicht viel: Wenn man (sagen wir einmal) diese Taschenlampe nach soundso vielen Jahren anknipsen will kommt kein Atemzug Licht mehr heraus und wenn du sie aufmachst findest du nur deine Knochen und falls du Pech hast auch diese schon ganz zerfressen. Da hättest du genauso gut leuchten können!
Gebet von Matthias Grünewald, 1515, als Fürbittgebet
Jesus, liebster Herr Jesus! Ich bitt', dass du mich annimmst zum Docht auf der Lampen, zu der du das Öl gibst. Geht mir nit darum, ob mein Leib verbrennt wie Gras, aber um dein Bild in mir geht es.
Zünd dein Licht an, und lass mich sein wie ein heilig Feuer am Rand der finsteren Öde, damit die im Dunklen wissen, wo du zu finden bist.
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