Ob einer ernst macht...

Predigt zur Verabschiedung unserer Gemeindereferentin, Frau Cäcilie Glückert, am Patroziniumsfest St.Maximilian Kolbe (Lk 17,7-11)

In unserer Kirche St. Maximilian Kolbe gibt es zwei Darstellungen unseres Kirchenpatrons. Die Skulptur in der Oberkirche und das Relief im symbolischen Hungerbunker der Unterkirche.

Die Figur in der Oberkirche, die jedem Besucher unserer Kirche gleich ins Auge fällt, stellt Maximilian Kolbe als Franziskanermönch von Niepokalanow dar, zu Füßen die verschiedenen Zeitungen, die er herausgegeben und im Kloster mit den modernsten Druckmaschinen produziert und in großen Auflagenzahlen in Polen verbreitet hat. „Ritter“ nannte er seine Zeitschrift, mit der er Themen des Glaubens unter das Volk bringen wollte, für Kinder entwarf er ein illustriertes Monatsblatt, den „kleinen Ritter“. Als Kontrapunkt zu der atheistischen Presse brachte er eine Tageszeitung mit dem Namen „Die kleine Zeitung“ auf den Markt. Die Statue in unserer Oberkirche erinnert an Pater Kolbe, der Tages- und Wochenzeitungen, Monatsblätter und Radiosendungen als moderne Kanzel verstand, um Nah- und Fernstehende zu erreichen. Durch keine Kritik ließ er sich von dieser Apostolatsidee abbringen. Es wird erzählt: Als ein polnischer Domkapitular bestürzt und befremdet vor den gewaltigen Rotationsmaschinen in Niepokalanow stand, stellte er Pater Kolbe die Frage: „Wenn der heilige Franziskus heute leben würde, was würde er sagen, wenn er diese kostspieligen Maschinen sehen würde?“ Maximilian Kolbe konterte schlagfertig: „Er würde die Ärmel des Habits hochkrempeln und die Maschinen mit höchster Geschwindigkeit laufen lassen und arbeiten wie diese guten Brüder arbeiten, um die Ehre Gottes mit so modernen Mitteln zu verbreiten.“ Die Skulptur der Oberkirche erinnert daran, wofür Maximilian Kolbe Herzblut und den großen Teil seiner Lebenskraft investiert hat.

Aber ich behaupte, dieser Maximilian Kolbe mit seinen innovativen Ideen, mit seinem riesigen Arbeitspensum, das er Tag für Tag geleistet hat, wäre heute vergessen, wenn es nicht den Augenblick gegeben hätte, den das Relief der Unterkirche darstellt, den heroischen Entschluss einer Sekunde: Als auf dem Appellplatz des Konzentrationslagers Auschwitz die Todeskandidaten für den Hungerbunker heraustreten mussten und Maximilian Kolbe die jammernde Stimme des Franciszek Gajowniczek: „Meine Frau, meine Kinder, was wird mit meiner Familie?“ hörte, trat er aus der Reihe der Gefangenen heraus, ging auf den Lagerführer zu und sagte: „Ich möchte seine Stelle einnehmen. Er hat Frau und Kinder. Ich bin allein und alt.“ Dieser spontane, heroische Entschluss einer Sekunde hat Maximilian Kolbe in der Erinnerung und Verehrung der Menschen weiterleben lassen. Diese eine tapfere Tat, die zum grausamen Hungertod in den unterirdischen Zellen des Blocks 13 führte, ließ Maximilian Kolbe unvergesslich werden. Das jahrzehntelange Bemühen und Abrackern im Dienst für das Evangelium dagegen hätte dies ohne die heroische Tat einer Sekunde nie bewirkt.

Liebe Leser! Ich bin froh, dass es zwei Figuren von Maximilian Kolbe in unserer Kirche gibt. Ich bin froh, dass er in unserer Kirche nicht nur als unerschrockener Martyrer gezeigt wird. Ich bin froh, dass die Skulptur in der Hauptkirche den Maximilian Kolbe des Alltags zeigt. Das, worum er sich Tag für Tag bemüht hat, wofür er sich abgerackert und seine Kräfte verbraucht hat. Ich finde es eindrucksvoll, wie der Künstler Hubert Elsässer durch den nach außen strahlenden Hintergrund die Würde des alltäglichen Mühen und Sorgens, des alltäglichen Kleinkrams und der durchgehaltenen Treue verewigt und damit das ganz alltägliche Bemühen eines Menschen würdigt. Diese Maximilian Kolbe Figur unserer Hauptkirche vermittelt für mich eine wichtige Botschaft. Die Botschaft, die Romano Guardini einmal in die Worte gebracht hat: Ob einer ernst macht, erkennt man nicht an den großen Entschlüssen, sondern an der kleinen Arbeit, tagaus, tagein...“. Ich habe den Eindruck, wir schielen in unserer Gesellschaft zur Zeit zu sehr auf die großen Events und großen Köpfe, spitzen unsere Ohren zu sehr für Schlagzeilen und herausragende Dinge und vergessen dabei, dass kein Dorf, keine Stadt, kein Land leben kann ohne die vielen Menschen, die Tag für Tag ernst machen mit den alltäglichen Pflichten und Aufgaben. Ohne das verborgene Heldentum so vieler Menschen, das nie groß herauskommt, ist das Leben nicht möglich.

Liebe Cilli. Ich finde es schön, dass wir dir heute am Tag unseres Patroziniums und unseres Helferfestes den Dank für deine Arbeit in unserer Gemeinde aussprechen dürfen. Von deinen 40 Berufsjahren hast du 17 Jahre lang tagaus, tagein deine Kräfte für die Menschen am Deutschhof zur Verfügung gestellt. Du bist sehr vielen Kindern und Jugendlichen in Kindergottesdienst, Schule und Katechesen begegnet, hast ungeheuer viele Menschen in ihren Häusern, in Altenheimen und Krankenhäusern besucht, warst die Kontaktbrücke zu Senioren und so manchem Zurückgezogenen, hast mit so vielen Menschen bei ganz alltäglichen Begegnungen auf der Straße gesprochen, wolltest mit deinen Begabungen, mit deinem Einsatz Begegnung untereinander ermöglichen und Freude am Glauben wecken. Du hast dies nicht mit spektakulären Aktionen getan, sondern über 17 Jahre hinweg in der „kleinen Arbeit tagein, tagaus“ in der Gesinnung, die Jesus eigentlich von jedem Kirchenmann und von jeder Kirchenfrau fordert: „So sollt auch ihr, wenn ihr alles getan habt, was euch aufgetragen war, sagen: Nichtsnutzige Knechte sind wir. Wir haben nur unsere Schuldigkeit getan.“
Für dieses Verständnis deines Dienstes, für dein Pflichtbewusstsein, deine absolute Zuverlässigkeit und dein Bemühen tagaus, tagein sind wir dir zu tiefem Dank verpflichtet. Wir sagen dir Vergelt´s Gott. Und ich wünsche uns allen , dass wir uns dies manchmal von der Maximilian Kolbe Figur unserer Kirche in Erinnerung rufen lassen: „Ob einer ernst macht, erkennt man nicht an den großen Entschlüssen, sondern an der kleinen Arbeit, tagaus, tagein...“


Pfarrer Stefan Mai

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