Willem, wat haste jemacht mit deinem Leben?

Predigt zum 28. Sonntag im Jahreskreis (Mt 22,1-14)

Predigt

Liebt doch Gott die leeren Hände,
und der Mangel wird Gewinn.
Immerdar enthüllt das Ende
sich als strahlender Beginn.


Wie Balsam gehen diese Worte des Dichters Werner Bergengruen über die Seele. Vor allem bei Menschen, die nicht viel im Leben vorweisen können, denen vieles, wovon sie geträumt haben, nicht gelungen ist, denen vieles zwischen den Fingern zerronnen ist. Liebt doch Gott die leeren Hände. Solche Worte tun vielen Menschen einfach gut, denn sie erzählen von einem Gott, der nicht wie ein penibler Rechner da sitzt und das Gelungene gegen das Misslungene, den guten Willen gegen das Versagen aufrechnet. Diese Worte erzählen von einem Gott, der sich einfühlen kann in Menschen, denen das Leben es nicht leicht gemacht hat und die deswegen nicht mit vollen Händen austeilen können. Endlich ein Gott, der vieles versteht, vieles entschuldigt. Endlich ein Gott, der nicht verlangt, vor ihm mit einem mustergültigen Verhalten und einem tadellosen Leben zu erscheinen, der Menschen die leeren Hände füllt, der das scheinbare Ende als strahlenden Neubeginn aufleuchten lassen kann.

Von einem solchen Gott erzählt der erste Teil unseres Gleichnisses vom großen Gastmahl. Es ist ein Gott, der Menschen einlädt zu einem großen Fest, der Freude erleben lassen möchte, der seine Einladung nicht an eine Bedingung knüpft, der nicht fragt: Wo kommst du her, wer bist du, was kannst du, was hast du vorzuweisen, was hast du alles getan, was hast du alles erreicht? Es ist ein Gott, der eine unendliche Geduld mit den Mensch zeigt, auch wenn sie anders entscheiden als er es sich vorgestellt hat. Es ist ein Gott, der Beleidigung hinnimmt, bis die Schmerzgrenze erreicht ist.

Aber dann wird dieses so wohltuende Gottesbild mit einem Schlag auf den Kopf gestellt. Dieser geduldige, einfühlsame König entpuppt sich als strenger und harter Gott, der kein Pardon kennt. Dass er scharf reagiert, als die Eingeladenen seine Diener umbringen, ist noch verständlich. Doch dann diese Szene: Als alle eingeladenen Gäste ihm einen Korb geben, lädt er Hinz und Kunz in seinen Festsaal ein. Hauptsache, der Saal wird voll. Anschließend geht der König höchstpersönlich durch die Reihen der Gäste und fischt sich so einen armen Sack heraus. Er spricht ihn auf seine Kleidung an. Zu den Einlassbedingungen hat es nicht gehört, das saubere Festgewand. Und jetzt ist es plötzlich ein Grund, den armen Schlucker bloßzustellen und ihn vor die Tür zu setzen. Martin Luther hat über das Gleichnis vom königlichen Hochzeitsmahl nicht gerne gepredigt. Er nennt es ein „schrecklich Evangelium“. Er meint, der zürnende Gott, der den Eingeladenen in die äußerste Finsternis wirft, kann doch nicht der Vater Jesu sein.

Trotz aller Härte des Gleichnisses, sind wir doch einmal ehrlich: Möchte der Mensch wirklich einfach alles nachgeworfen bekommen, ohne sich selbst auch bemüht zu haben? Möchte der Mensch alles nur geschenkt bekommen, ohne selbst einen Beitrag zu leisten? Kann man wirklich von einem Menschen, dessen Kindheit verkorkst war, der vom Leben benachteiligt wurde, nichts mehr erwarten? Ist die schwere Lebensgeschichte eines Menschen wirklich ein ausreichendes Alibi dafür, dass man von diesem Menschen nichts mehr erwarten kann? Wenn Menschen zu mir freundlich und zuvorkommend sind, ist das ein Grund, keine Verpflichtung im Leben für ein gelingendes Miteinander mehr zu haben. Möchte wirklich ein Mensch, der Dreck an seinen Fingern hat, alles entschuldigt wissen?
Auf die christliche Gemeinde, die symbolisch mit dem Festsaal gemeint ist, gewendet: Reicht es wirklich aus, das Taufgewand am Anfang des Lebens mit auf dem Weg bekommen zu haben, ohne sich im Leben darum zu bemühen, dass es ansehnlich bleibt und auch anziehend auf andere wirkt?. Ist christliche Gemeinde überhaupt möglich, wenn sie nur noch als Selbstbedienungsladen benutzt wird, ohne selbst einen Deut für eine wohltuende Atmosphäre in ihr beizutragen?

Ich bin überzeugt, dass viele Menschen, die mit leeren Händen dastehen oft ähnlich fühlen und denken wie der Hauptmann von Köpenik, der über sein Leben nachdenkt, mit sich ins Gericht geht und zum Schluss kommt: „Und denn, denn stehste vor Gott dem Vater, stehste, der alles jeweckt hat, vor dem stehste denn, und der fragt dir ins Jesicht: Willem, wat haste jemacht mit deinem Leben? Und da mus ick sagen: Fußmatten muss ick sagen. Die hab ick geflochten im Jefängnis, und denn sind se alle druff rumjetrampelt, muss ick sagen...Und denn sagt Gott zu dir: Jeh wech! Sagt er! Ausweisung! Sagt er!. Dafür hab ick dir det Leben nicht geschenkt, sagt er! Det biste mir schuldig! Wo is et? Was haste mit jemacht“

Liebe Leser, nur auf den ersten Blick erscheint das Gleichnis vom königlichen Hochzeitsmahl als ein schwerer Brocken, der uns zugemutet wird. Eigentlich will es ein heilsamer Anstoß sein. Ich bin davon überzeugt: Es erzählt von einer Lebenswahrheit, die wir im Innersten des Herzens schon immer fühlen: Ich möchte aus meinem Leben etwas machen. Ich möchte stolz auf mein Leben sein können. Das Gleichnis gibt uns eine Streicheleinheit und einen Rippenstoß zugleich. Es sagt uns: Du kannst es. Du hast Voraussetzungen dafür. Du bist schon im Hochzeitssaal. Aber bitte: Mach etwas draus. Lass dich nicht einfach bedienen oder hängen. Lass dich nicht einfach nur mittragen. Trag deinen Teil zu einem gelungenen Fest des Lebens bei.

Fürbitten

Gott, wir glauben, du willst das Glück aller Menschen. Du sorgst für alle, und für alle hast du den Tisch des Lebens bereitet. Darum bitten wir dich:

Lass alle Menschen, denen das Leben schwer zugesetzt hat und die sich vom Leben benachteiligt fühlen, das Vertrauen in Menschen und die Hoffnung auf ein gelingendes Leben dennoch nicht verlieren

Wir bitten dich, erhöre uns

Lass jene, die momentan in Glück und Wohlstand leben, nicht vergessen, dass dies ein unverdientes Geschenk ist

Wir bitten dich, erhöre uns

Lass in uns allen die Bereitschaft zur Solidarität und das Bewusstsein wachsen, dass unser Beitrag für das Gemeinwohl die Atmosphäre in unserer Gesellschaft positiv prägen kann

Wir bitten dich, erhöre uns

Schenke allen, die sich aus Enttäuschung und Verbitterung völlig zurückziehen, neue Schlüsselerlebnisse, die ihnen helfen, sich neu zu öffnen

Wir bitten dich, erhöre uns

Gewähre allen Verstorbenen die ewige Glückseligkeit bei dir

Wir bitten dich, erhöre uns

Darum bitten wir dich durch Christus, unsern Herrn.

Amen


Pfarrer Stefan Mai

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