Die Kinder des Monsieur Mathieu

Predigt zum 16. Sonntag im Jahreskreis (Mt 13,24-43)

Der bekannte Dirigent liegt vor dem großen Konzert auf einem Relaxsessel und hört zur Entspannung Mozart. Da wird ihm die Nachricht vom Tod seiner Mutter überbracht. Und er fliegt von Amerika zurück nach Frankreich. Dort trifft er sich mit einem früheren Schulfreund und die Erinnerungen gehen zurück in eine schwere Zeit, in die Zeit, wo sie beide in einem Heim für schwererziehbare Kinder und Jugendliche untergebracht waren. Die Erinnerungen kreisen aber vor allem um einen Mann, um ihren früheren Lehrer, um Monsieur Mathieu. So beginnt der Film „Die Kinder des Monsieur Mathieu“, der vor einiger Zeit in den Kinos lief.

Eines Tages kam der kleine, schon glatzköpfige Hilfslehrer Monsieur Mathieu in das verrufene Internat für schwer erziehbare Jugendliche, das eher einem Gefängnis als einer Schule glich. Die Schüler, ein wilder Haufen, frech, ungezogen und gemein zueinander. Der Leiter der Schule versucht mit größter Strenge Ordnung und Disziplin durchzusetzen. Harte Bestrafungen für die Burschen, die etwas angestellt haben oder für ganze Klassen: Einsperren in ein dunkles Kellerloch oder sinnlose Arbeiten, die mürbe machen und den Willen brechen sollten. Manchen besonders schlimmen Kerlen sind fast andauernd irgendwelche schlimmen Strafen auferlegt. Aber durch diese Methoden wird nichts erreicht. Die Buben werden immer verstockter und immer gewalttätiger. Ein wahrer Teufelskreislauf.

Die Anfangszeit für den sensiblen Monsieur Mathieu ist ein Horror. Er versucht den Schülern anders zu begegnen als der Rektor. Aber Gutmütigkeit wird sofort schamlos ausgenutzt. Und das scheinbare Scheitern seiner Pädagogik ist besiegelt: Sein Zimmer wird aufgebrochen und seine Aktentasche geklaut mit den Noten von Stücken, die er selbst komponiert hat; denn insgeheim ist Monsieur Mathieu ein Musiker. Aber gerade durch diesen Zwischenfall merkt Mathieu plötzlich, dass sich diese wilden Burschen für Musik interessieren, dass sie gern singen würden, aber sie kennen nur schreckliche Lieder. Da komponiert Mathieu einfache Lieder und baut einen Chor auf. Köstlich die Szenen, wie die einzelnen zur Stimmprobe kommen, auch die größten „Brummbären“ bekommen eine Aufgabe, so z. B. für den Dirigenten Notenständer zu sein oder einmal kurz die Triangel schlagen. Die Buben kommen immer gerner zu den Proben und langsam entsteht ein richtig kleiner Chor. Nur ein besonders schwieriger Junge singt nicht mit, aber Monsieur Mathieu überrascht ihn dabei, wie er heimlich die Lieder übt und merkt, was für eine wunderbare Stimme dieser Bursche hat. Von da an singt einer der Schlimmsten aus der Klasse die Solos und es klingt, als ob ein Engel mitsingen würde. Aus den „kleinen Bestien“ werde richtige „Chorknaben“ und aus dem kleinen Solisten später ein großer Dirigent.

Für mich ist dieser Film „Die Kinder des Monsieur Mathieu“ eine Neuerzählung des Gleichnisses vom Unkraut unter dem Weizen. Die Kinder im Film sind wie das Feld im Gleichnis Jesu. Der Direktor will alles Schlechte und Böse – das Unkraut – sofort mit Stumpf und Stil ausrotten und damit macht er auch alles Gute und Schöne in den Kindern kaputt, bevor es sich entwickeln kann. Monsieur Mathieu sieht die Sehnsucht der Kinder, bei all ihrer Verdrehtheit den guten Willen und vertraut darauf: Wenn ich nicht sofort auf das, was ich für schlecht halte, fixiert bin und dies nicht gleich auf Teufel komm raus bekämpfen und ausrotten möchte, sondern ganz bewusst die guten Seiten entdecke und in den Seelen die Liebe zum Schönen wecken möchte, dann können auch heute noch kleine Wunder passieren.

Dieses ungeheuere Vertrauen Jesu: „Lasst beides wachsen bis zur Ernte“, dieser Glaube eines Monsieur Mathieu an das Gute in den Kindern. Zu schön, um wahr zu sein?
Kann sein. Trotzdem möchte ich es mit einem Franz von Sales halten, der einmal gesagt hat: „Zuviel und zuwenig nachsichtig sein, beides ist gefehlt. Es ist für Menschen hart, die Mitte zu halten. Doch wenn ich fehle, will ich lieber durch zu große Milde als durch zu große Strenge fehlen.“


Pfarrer Stefan Mai

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