Zehn Gründe, warum man ohne Kinder besser lebt

Predigt zum Fest der Hl. Familie 2004

Einleitung

Nach alter katholischer Tradition werden am Tag der Hl. Familie die Kinder gesegnet. Ganz bewusst stehen sie an diesem Tag im Mittelpunkt des Gottesdienstes. Auch in der gesellschaftlichen Diskussion rücken die Kinder immer mehr in den Mittelpunkt. Die demographischen Untersuchen schocken mit immer neuen Schreckensmeldungen: Wenn die Entwicklung so weitergeht, ist Deutschland am Aussterben. Kamen im Jahr 1960 auf eine Frau noch 2,37 Kinder, so waren es im Jahr 2000 nur noch 1,36. Scheinbar hat sich in den Köpfen der Bevölkerung die Vorstellung immer mehr breit gemacht, dass man ohne Kinder besser lebt.
Die meisten von ihnen haben Kinder. Als Predigt hören Sie heute 10 Gründe, warum man ohne Kinder besser lebt, und 10 Gründe, warum man mit Kindern besser lebt. Wenn Sie an Ihre eigenen Kinder denken, auf welche Seite würden Sie sich schlagen?

Predigt

Bei der Dekanekonferenz dieses Jahres wurden die Auswirkungen gesellschaftlicher Entwicklungen auf das Familienleben diskutiert. Mit geradezu humoristisch klingenden Thesen charakterisierte der Referent den Trend zu immer weniger Kindern.

10 Gründe, warum man ohne Kinder besser lebt

1. Kinder machen Stress
Dass Säuglinge schreien, ist nicht nur ein akustischer Horror: Schlaf und Nerven sind dahin, Krabbeln- und Grapschenkönnen verlangen permanente Alarmbereitschaft. Die Trotzphase endet nie. Zwischendurch die Pubertät: Pickel, Pop und Pampigkeit.

2. Kinder machen Sorgen
Kinderkrankheiten. Dann: Kindergarten-Probleme. Dann: Kein Bock auf Schule. Dann: Numerus clausus, ungeliebtes Ausweichfach, vergebliche Jobsuche. Drogen vielleicht, vielleicht Gewalt. Oder Kostgänger bei Mama noch mit 30.

3. Kinder machen Ärger
Der Fußball in der Schaufensterscheibe; die Farbspraydose als Ausdrucksmittel; die beleidigte Erbtante.

4. Kinder machen ein schlechtes Gewissen
Weil man „Glucke“ ist oder „Rabenmutter“, zuviel daheim oder berufstätig; weil man sie mit zu hohen Erwartungen belastet odder ihre Talente nicht entdeckt und fördert.

5. Kinder machen dumm
Statt Bildungsurlaub Buddeln im Ostseesand; statt Günter Grass Gebrüder Grimm; statt Politik und Kultur Hipp und Pampers.

6. Kinder machen unfrei
Arbeitgeber, Freunde, Liebespartner kann man wechseln. Die Beziehung zum Kind ist unkündbar.

7. Kinder belasten die Partnerschaft
Mutterfrust ist Gift für die Gattenliebe. Stilleinlagen statt Wonderbra, Müdigkeit, Übergewicht, das Baby im Ehebett.

8. Kinder machen arm
Mütter mit Hochschulabschluss machen rund 800.000 Mark minus in zehn Jahren. Die „Erziehungsleistung“ wird mit 27 Mark Rentenanspruch pro Kind und Monat honoriert. Das Kindergeld deckt nur einen Bruchteil kindlicher Konsumzwänge.

9. Kinder zerstören die Karriere
Während der Babypause überholen die Kolleginnen. Bewerbungen gegen zehn Jahre jüngere, kinderlose Überstunden-, Dienstreisen- und Ortswechselbereite. Nur 5 Prozent aller höherqualifizierten Jobs in der Bundesrepublik sind Teilzeitjobs.

10. Kinder sind undankbar
Eltern sind immer reaktionär. Jahre der Aufopferung werden abgetan: „War ja nicht meine Idee, in diese beschissene Welt gesetzt zu werden.“


Zehn Gründe, warum man mit Kindern besser lebt
(nach Klaus Roos)

Klaus Roos, der ehemalige Bildungsreferent in Schweinfurt, machte es sich zur Hausaufgabe, auf dem Hintergrund seiner Familienerfahrung 10 Gegenthesen zu formulieren: warum man mit Kindern besser lebt.

1. Kinder machen Freude
Den neugeborenen Säugling im Arm halten; die kleine Hand spüren, die nach meiner tastet; das erste Lächeln; die strahlenden Augen, wenn ich das Zimmer betrete; eine Umarmung nach der Schule, ein Lied auf der Blockflöte zum Geburtstag, der Abschlussball für den Tanzkurs ... Manche Augenblicke sind unvergesslich. Ganz unverhofft leuchten sie auf: Momente des Glücks mitten im Alltag.

2. Kinder erden das Leben
Arbeit und Beruf sind nicht alles im Leben. Es gibt wichtigeres als Erfolg und Karriere. Kinder rücken die Maßstäbe zurecht. Sie machen mir klar, was wirklich zählt.

3. Kinder sind ein Teil von mir
Wunder der Gene: Ich gebe etwas weiter von mir selbst. Wenn ich meine Kinder betrachte, ist es manchmal wie ein Blick in den Spiegel: wie sie sprechen, wie sie sich bewegen, wie sie sind. In ihnen lebt etwas weiter von mir selbst. Sie sind die Hoffnung, dass etwas bleibt, wenn ich längst gegangen bin.

4. Kinder öffnen mir die Augen
In ihnen entdecke ich etwas vom Wunder des Lebens. Lebendigkeit pur – mitten in den Routinen des Alltags. Ich ahne, dass längst nicht alles so selbstverständlich ist, wie es scheint. Der Zauber der Schöpfung – im Antlitz eines Kindes. Ein Hauch von jenem Geheimnis, in dem das Leben und die Liebe gründen.

5. Kinder sind ein Vorratsspeicher an Zärtlichkeit
Am Anfang ist die Mutterbrust. Nackte Haut auf nackter Haut. Ein Fest der Zärtlichkeit. Nicht zu zählen die Umarmungen und Küsse. Zusammengekuschelt im Bett. Gemeinsam in der Badewanne. Knuddeln und streicheln, Wange an Wange. Lieben dürfen und geliebt werden – für viele Inbegriff des Glücks.

6. Kinder erziehen mich
Kinder konfrontieren mich. Vor allem mit mir selber. Meine Geduld, meine Glaubwürdigkeit, meine Güte stehen auf dem Prüfstand. Nichts lässt sich vertuschen. Erzieher, erziehe dich selbst! Ich habe Verantwortung. Die Zeit der Unverbindlichkeit ist vorbei. Eine Chance, persönlich zu wachsen und zu reifen. Meine Kinder als Lehrmeister. Vielleicht die größte Herausforderung meines Lebens. Ohne sie wäre ich nicht, wer ich bin.

7. Kinder sind unsere Zukunft
Natürlich. Künftige Rentenzahler werden gebraucht. Aber das ist nicht alles. Meine Kinder geben mir ein Gefühl von Zukunft. Sie halten mich jung: mit ihren Fragen, ihrem Lebensstil, ihrer anderen Sicht der Dinge. Sie vermitteln mir: Es wird weitergehen. Wir stehen in den Startlöchern, den Stab zu übernehmen. Eine wortlose Verheißung allein durch ihr Dasein. Weil es die Jungen gibt, kann ich getrost alt werden.

8. Kinder machen stolz
Zuschauen können, wie etwas wächst: Der erste Blick, der erste Schritt, das erste Wort. Das Gedicht, vorgetragen am Elternabend im Kindergarten, der erste Schultag, der bestandene Führerschein, - es sind meine Kinder! Und manchmal überraschen sie mich wirkluch: mit ihrer Reife, ihrer Selbstlosigkeit, ihrer Weisheit. In vielem haben sie mich längst überholt, nicht nur am PC – meine Kinder eben!

9. Kinder wecken das Kind in mir
Kinder können wie Therapeuten sein. Vor allem für die Männer. Sie wecken verschüttete Fähigkeiten: Spontaneität, Emotionalität, Kreativität. Sie bringen zum Lachen und entlocken mir selbst komische Grimassen. Sie machen mich zum Erfinder, zum Tröster, zum Märchenerzähler. Die andere, die vergessene Seite in mir erwecken sie zum Leben.

10. Kinder lehren mich leben
Vertrauen, staunende Offenheit für alles, was begegnet, spontane Freude und aus dem Herzen kommende Zuneigung – Kinder zeigen, was wir Erwachsenen verloren haben. Sie lehren uns, die Welt mit Kinderaugen zu sehen. Oder mit den Augen der Jugendlichen: kritisch, hinterfragend, fremd. Das steckt an und ich merke, dass leben auch anders geht. Oder so nicht mehr wie bisher. Manchmal nehmen sie mich mit: ins Kino, in ihre Schule oder einfach in die Welt ihrer Gedanken. In jedem Alter gilt: Kinder sind eine Inspiration.


Pfarrer Stefan Mai

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