Oooooo wann kommst du?

5. Rorategottesdienst 2004

Vielleicht kennen sie noch aus den 70-er Jahren den Schlager der Sängerin Daliah Lavi „Oooooo wann kommst du?“

-Schlager von Daliah Lavi spielen lassen-

Sicherlich, dieser Schlager von Daliah Lavi ist kein religiöses Lied, aber in diesem langen „oooooooo wann kommst du?“ kommt stark die adventliche Sehnsucht eines Wartenden zum Ausdruck. Es wird die Sehnsucht geschildert, die einen Menschen fast verzehren kann.
Das Warten kann ungeheuer spannend sein, man kann es genießen in der Vorfreude auf einen Menschen, es kann aber auch an den Rand des Wahnsinns bringen.
Ich werde nie vergessen, wie ich als Kind am Besuchssonntag bei uns im Internat immer von oben den Berg hinunterschaute und auf das alte rote Auto wartete, in dem meine Eltern und Geschwister gefahren kamen. Unvergesslich bleibt mir der Dienstag in der damaligen Zeit. Denn da wusste ich: Heute Mittag wird ein Brief von daheim kommen. Welche Note, welche Spannung bekam der Dienstag durch dieses Warten auf den Brief der Mutter ...
Der letzte Teil des Advent kennt diesen sehnsuchtsvollen Warteschrei ooooooo wann kommst du? und würdigt ihn besonders. Im Mittelalter hat die klösterliche Gebetskultur die Tradition der sogenannten O-Antiphonen geprägt. Heiß wird Jesus herbeigesehnt mit dem Ruf „O komm!“ mit immer neuen Titeln. In diesen O-Antiphonen drücken gläubige Menschen ihre Sehnsucht nach Gott aus. Sie drücken aus, was er ihnen bedeutet, und was sie von ihm erhoffen.
Wenn Sehnsucht nach Gott so ist, wie das Warten auf einen Menschen, auf den ich mich freue, dann wird mir klar: Ich kann mich nur nach dem Kommen sehnen, auf das Kommen hoffen, aber eine Garantie gibt es nicht. Wenn ich das Kommen Gottes zu mir erahnen und erfahren darf, dann habe ich die Gnade des Glaubens erfahren. Und die wird genau so geschenkt wie die Zuneigung eines Menschen: Unverdient – und ist nie machbar.
Wenn Sie mich fragen würden: Was ist die kürzeste Adventspredigt? Ich würde antworten: „Wann kommst du endlich?“
Und die kürzeste Weihnachtspredigt? „Da bist du ja!“


Pfarrer Stefan Mai

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