Jesus ist geboren, das ist schon lange her. Uns beschäftigt anderes doch viel mehr

Predigt zum Jugendgottesdienst am 3. Advent 2004

Die Jugendzeit, wie sie heute junge Menschen erleben, ist eigentlich ein Phänomen der jüngsten Zeit. Ich weiß, dass Jugendliche selbst mir nicht bereitwillig zustimmen, aber ich behaupte es trotzdem: die Jugendzeit, die heute junge Menschen erleben dürfen, ist ein ungeheures Privileg, eine Schonzeit, die es in der Weltgeschichte noch nie gab, die ungeheure Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeiten bereit hält. Noch die Generation vor mir hatte keine echte Jugendzeit. Kaum Kind gewesen, wurden sie mit 14 Jahren sofort in den Fabriken, elterlichen Landwirtschafts- und Handwerksbetrieben in den Arbeitsprozess gezogen und voll gezählt und oft auch verheizt. An weiterführenden Schulen war auch für die Intelligentesten nicht zu denken.

Zur Zeit Jesu war dies noch schärfer. Die Kindheit war da, um in und für die Familie mit zu arbeiten, mit 12 wurdest du als Mädchen verheiratet, als junger Mann musstest du sofort durch harte Händearbeit dir eine Existenz aufbauen und für deine älter werdenden Eltern sorgen. Was würde ein Jesus, der in solchen gesellschaftlichen Mustern groß geworden ist, jungen Menschen, die eine sehr lange Zeit, die vom harten Arbeitsprozess geschützt ist, sagen?

Ich denke, 3 Dinge:

1. Mach dir bewusst, die Jugendzeit heute ist ein großes Geschenk. Sie ist eigentlich eine Zeit ohne Stress – den machst du dir meist selbst mit vielen Dingen, die du meinst erleben, dabei sein oder haben zu müssen. Eine Zeit mit ungeheuren Möglichkeiten, nutze diese Zeit, sie wird dir so im Leben nie mehr geschenkt. Nutze sie vor allem, um dir durch Lernen Durchblicke für die Welt zu schaffen. Erlebtes nicht einfach hinzunehmen und abzuhaken, sondern zu hinterfragen, weiter zu fragen, zu experimentieren, wieder reflektieren, um so langsam zu einem persönlichen Lebensentwurf und Lebensstil zu kommen. Glaub mir: Ich will chatten, ich will cool sein, ich will reich sein – das ist nicht alles, das ödet auf Dauer an. Vergiss nicht, dir selbst in dieser Zeit auf die Spur zu kommen, deine Stärken heraus zu finden, den Schatz, der in dir verborgen ist, selbst zu entdecken und Stück für Stück zu entfalten. Denk nicht nur an das Vordergründige. Das wichtigste ist eine Lebenseinstellung zu finden, die nicht überall mitschwimmt, die dir einen Biss gibt, ein Rückgrat, das dich trägt. Versuche Prinzipien zu finden, die Launen nicht einfach wegschieben können und die so etwas wie Geleise sind, auf denen du fahren kannst. Versuch das Feuer in dir zu entdecken und lass dich auch von Zielen, Visionen begeistern, auch wenn sie sich nicht sofort rechnen.

2. Nutze die Jugendzeit, die vielen Möglichkeiten Menschen kennen zu lernen. Nutze auch die jugendliche Unvoreingenommenheit, Menschen nicht gleich in Raster zu stecken und ihnen vorurteilsfrei zu begegnen. Und knüpfe ein wirkliches Beziehungsnetz. Du hast viele Bekannte, aber echte Freunde gibt es wenige, denn diese Beziehungen erfordern auch Zeit und Bereitschaft zur Tiefe. Glaub mir, es sind vor allem auch Freundschaften, die in der Jugendzeit geschlossen werden, die später auch noch tragen.

3. Halte die Sinnfrage nicht aus deinem Leben heraus. Frage dich, wer fasziniert mich durch die Art, wie er / sie lebt, wie er / sie Menschen begegnet, was er / sie ausstrahlt. Frage dich, warum verhalten sich Menschen so, was steckt dahinter. Und schau auch manchmal auf mich und meinen Lebensentwurf. Ob du damit Erfolg haben wirst in deiner Umgebung weiß ich nicht. Aber eines glaube ich fest: Wenn du einen ähnlichen Lebensstil entwickelst, wirst du dir immer selbst in die Augen schauen können.


Pfarrer Stefan Mai

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