Gott will unter Menschen wohnen

Predigt am 3.Advent zu einem Weihnachtsbild von Hugo van der Goes (Lesung: 2 Sam 7,1-16)

Eine merkwürdige Geschichte haben wir eben gehört. König David, der in Jerusalem in einem prächtigen Palast wohnt, beschließt: „Ich will auch für Gott ein Haus, eine Wohnung bauen.“ Doch komisch, Gott ist von dieser gutgemeinten Idee gar nicht begeistert. Eigentlich würde man erwarten, er müsste sich geehrt fühlen, dass David für ihn einen prächtigen Tempel bauen will. Aber was macht er? Er lässt durch den Profeten Natan die Frage stellen: „Du willst mir ein Haus bauen, damit ich darin wohne?“ Gott macht sich über das Vorhaben Davids lustig! „Du, mir ein Haus bauen. Mach dich doch nicht lächerlich!“ Und er lässt David ausrichten: „Ich war doch überall dabei, wo du gewesen und hingegangen bist. Du brauchst mir kein Haus bauen. Ich werde für dich ein Haus bauen! Nicht aus Steinen, sondern aus Menschen!“ Das lässt aufhorchen. Gott wohnt am liebsten bei den Menschen. In ihrem Lebenshaus will er dabei sein. Er will in einem Haus der Gemeinschaft von Menschen wohnen.



Der flämische Maler Hugo van der Goes malt in der gleichen Intention sein Weihnachtsbild. Das Kind kommt nicht in Häusern und auch nicht in der Kirche zur Welt, die im Hintergrund zu sehen ist. Über der Tür befindet sich in einem Wappen eine Harfe, das Zeichen des Königs Davids. Also ein „Haus Davids“.
Nein! Gottes Sohn kommt nicht in einem prächtigen Haus zur Welt, sondern mitten unter ganz einfachen Menschen. Unter Menschen will er wohnen. Als Zeichen der Gegenwart Gottes unter den Menschen hat der Maler noch Engel in den Kreis als Symbol der Gemeinschaft gemalt, die mit Maria, Josef und den Hirten das nackte Kind in der Mitte anbeten. In einer Gemeinschaft von Menschen wohnt Gott am liebsten. Wo Menschen eine Gemeinschaft bilden, da ist er am liebsten zu Hause, das ist die Botschaft der Bildpredigt des Hugo van der Goes.
Hugo van der Goes lebte vor über 500 Jahren in der Stadt Gent, damals eine der reichsten Handelsstädte Europas. Und van der Goes war einer der berühmtesten Maler der damaligen Zeit. Er war sehr gefragt bei den Reichen Europas und verdiente sehr viel Geld. So hat er, der Niederländer, dieses große Weihnachtsbild im Auftrag eines reichen Bankkaufmanns namens Tomaso Portinari gemalt. Aber irgendwie war der berühmte Maler trotz seines Ruhmes nicht glücklich und zufrieden. Nach außen hin hatte er alles: Geld, Ansehen, er war begehrt und berühmt. Doch van der Goes spürte: Das kann doch nicht alles im Leben sein. Wonach er sich sehnte war, in einer Gemeinschaft von Menschen zu leben. Und so entschloss er sich, wahrscheinlich kurz nachdem er dieses Bild fertig gemalt hatte, in ein Kloster in der Nähe von Brüssel einzutreten. Dort lebten die „Brüder des gemeinsamen Lebens“. Diese Klostergemeinschaft suchte ihr Glück in einem einfachen Leben. In den Hirten, die miteinander das Kind finden und anbeten, hat Hugo solche einfachen Menschen als Vorbilder gemalt. Er hoffte, dass er für diese Gemeinschaft, für die er sich entschied, einen Beitrag leisten kann. Und er sehnte sich danach, dass diese Gemeinschaft ihn selbst auch trägt und dass er die Erfahrung machen darf: Gott lässt sich in der Gemeinschaft von Menschen eher finden als in schönen Kirchen oder auf sich alleine gestellt.

Doch von Hugo van Goes wissen wir, dass er im Kloster immer trauriger und verzweifelter wurde und wenige Jahre nach dem Eintritt ins Kloster an seinem Kummer starb, nicht einmal 50 Jahre alt. Ich weiß es nicht, ob es ist leichter ist, Gott in einer Gemeinschaft zu suchen und zu finden, als alleine.
Trotz seines Scheiterns bewegt das Weihnachtsbild des Hugo van Goes die Menschen bis heute und verkündet diese Botschaft: In einer Gemeinschaft von Menschen wohnt Gott am liebsten. Wo Menschen eine Gemeinschaft bilden, da ist er am liebsten zu Hause

(Nach einer Idee von Herbert Fendrich, aus: Wir sagen euch an...S.101f)


Pfarrer Stefan Mai

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