Komm, du Heiland aller Welt

3. Rorategottesdienst 2004

„Das ist der liebe Heiland“ sagt heute kaum mehr eine Mutter zu ihrem Kind, wenn sie auf ein Jesusbild zeigt. Das Wort Heiland gehört für viele in die fromme Kitschkiste.
Viele Adventslieder nennen Jesus mit diesem Namen.
In diesem Namen Heiland lebt die menschliche Sehnsucht, dass es einen gibt, der mir helfen kann, die Brüchigkeiten des Lebens auszuhalten, die geschlagenen Wunden zu heilen, Hoffnung auf Begegnungen, die heilsam sind.
In Bildern erzählt eine Geschichte, wie Menschen die heilende Kraft erfahren können.

Es war kurz vor Weihnachten. Simon hatte tagsüber schon die Krippe aus dem Keller geholt und mit dem Aufbau begonnen. Jetzt – in der Nacht – träumte er von der fertig aufgebauten Krippe und davon, wie schön sie aussah. Plötzlich wurde ihm bewusst, dass er sich selber mitten in der Krippenlandschaft befand und alle Figuren lebendig waren. Ja, er konnte sich sogar mit ihnen unterhalten.
Simons Blick fiel auf das Jesuskind in der Krippe, und Traurigkeit überkam ihn. „Warum bist du denn so traurig?, “fragte das Kind in der Krippe. „Weil ich für alle ein Weihnachtsgeschenk für dich habe, nur nicht für dich“, antwortete Simon.
„Ich möchte aber etwas von dir geschenkt haben“, sagte das Kind in der Krippe. „Ich will dir alles schenken, was ich habe: meinen neuen Mantel, meine elektrische Eisenbahn, meine Spielesammlung ...“, sprudelte es aus Simon heraus. „Nein, das alles brauche ich nicht“, sagte das Jesuskind, ich möchte drei ganz andere Geschenke von dir haben.“ „Aber was soll ich dir schenken?“, fragte Simon.
„Schenk mir deinen letzten Aufsatz!“ – „Den? Dafür habe ich eine fünf bekommen. Mangelhaft hat der Lehrer darunter geschrieben.“ „Eben deswegen will ich ihn haben. Du sollst mir das geben, was dir nicht gelungen ist, wo mangelhaft oder nicht genügend drunter steht.“
„Ich will noch ein zweites Geschenk von dir“, sagte das Jesuskind, „deinen Milchbecher!“ „Aber den habe ich doch heute früh zerbrochen“, entgegnete Simon. „Bringe mir, was du im Leben zerbrochen hast oder was die zerbrochen ist. Ich will es wieder heil machen. Gibst du mir das?“ „Das ist aber schwer, Jesus.“
„Nun mein dritter Wunsch“, sagte Jesus. „Du sollst mir die Antwort bringen, die du der Mutter gegeben hast, als sie fragte, wie denn der Becher kaputt gegangen ist.“ Da wurde Simon verlegen und flüsterte: „Ich habe den Becher umgestoßen. In Wahrheit habe ich ihn aber mit Absicht auf den Boden geschmissen, weil ich ihn nicht mag.“
Da sagte das Kind in der Krippe: „Du sollst mir deine Lügen, deinen Trotz und deine Wut bringen. Einfach alles Schlechte, was du getan hast. Wenn du damit zu mir kommst, will ich dir vergeben und einen neuen Anfang schenken. Willst du dir das schenken lassen?“


Pfarrer Stefan Mai

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