Jesaja in Pennsylvanja

Bildmeditation zu Edward Hicks „Das Königreich des Friedens“ (Jes 11,6-9)

Östlich von New York liegt der Bundesstaat Pennsylvania. Der hat seinen Namen von William Penn, seinem Gründer. Penn-Sylvanien, das heißt wörtlich: William Penns Waldland.
William Penn war ein Quäker. Diese Gemeinschaft von Christen gibt es seit mehr als 300 Jahren. Die Quäker legen großen Wert darauf, dass sie als Christen so leben, wie es der Bibel und dem Geist Jesu Christi entspricht. Sie nehmen die Bibel wörtlich und lehnen deshalb dem Geist der Bergpredigt nach entschieden Krieg und Gewalt ab. Und sie treten grundsätzlich für die Gleichheit aller Menschen ein. Das sind alles keine Selbstverständlichkeiten – und waren es besonders nicht vor 300 Jahren in Nordamerika, als viele weiße Siedler von Europa aus ins Indianerland kamen und Land für sich und ihre Familien suchten. Wo viele bereit waren, über Leichen zu gehen und niederzuknallen, was sich ihnen in den Weg stellte, waren die Quäker nicht der Meinung, dass die Indianer Menschen zweiter Klasse wären, denen man einfach das Land wegnehmen kann.
So hat dieser fromme Quäker William Penn, der mit seiner Familie und seinen Freunden nach Amerika kam, um dort ein neues Leben zu beginnen, nicht mit den Indianern gekämpft, sondern mit ihnen verhandelt. Er selbst und seine Freunde wurden wegen ihres Glaubens daheim verfolgt und mussten wegen ihres Glaubens ihre Heimat verlassen. Er wusste, was es heißt: Mir wird Unrecht und Gewalt angetan. Aufgrund dieser Erfahrung und aufgrund seines Glaubens wollte er seine neue Existenz nicht auf Kosten anderer Menschen gründen und hat deshalb mühsam mit den Indianern verhandelt und ihnen viel Land abgekauft. So viel Land, dass er und viele seiner Glaubensbrüder dort leben konnten. Viele aus der Heimat zogen nach. Und so wurde aus dieser Kolonie, die William Penn gegründet hat, ein amerikanische Bundesstaat, den man in Erinnerung an seinen Gründer Pennsylvania genannt hat.



Der Maler dieses Bildes war auch ein Quäker. Hundert Jahre nach William Penns friedlichem Handel wurde er in Pennsylvania geboren. Edward Hicks war eigentlich nur Hobby-Maler. Aber trotzdem ist er sehr berühmt geworden. Die Menschen liebten die Bilder von Edward Hicks, weil diese immer wieder an den Traum von einem friedlichen Zusammenleben der Menschen aller Rassen und aller Religionen erinnerten. Auf unserem Bild greift Edward Hicks den großen Friedenstraum des Profeten Jesaja auf, die Vision vom Tierfrieden:
Dann wohnt der Wolf beim Lamm, der Panther liegt beim Böcklein. Kalb und Löwe weiden zusammen, ein kleiner Knabe kann sie hüten ... (Jes 11,6). Er malt diesen Tierfrieden, schreibt die Worte des Profeten Jesaja auf den Bilderrahmen oben und auf den Seiten und er kombiniert dieses biblische Motiv auf seinem Bild mit der Erinnerung an William Penn, der gerade an einem stillen See unter einem Baum mit den Indianerhäuptlingen friedlich verhandelt. Durch William Penn wird für Hicks der utopische Traum wahr, wie das kleine Kind mit dem Löwen unterm Arm spazieren geht, das Kalb über den Rücken des Löwen guckt, Ziege und Leopard friedlich beieinander liegen. Und er schreibt seine Überzeugung unter das Bild: Dieser Traum vom paradiesischem Tierfrieden wurde wahr, „als der große Penn seinen berühmten Handel mit den Indianerhäuptlingen unter dem Schatten der Ulme machte.“

Liebe Leser, wenn heute Menschen diese Verheißung des Jesaja hören, dann wird meist empfunden: Unsere Welt schaut anders aus, besonders in dem Land, in dem dieser Traum geboren wurde. Zu schön, um wahr zu sein! Aber wenn ich dann von Menschen wie William Penn höre, dann kann ich nur sagen: Welche Kraft und Ideen gaben gerade solche Träume Männern und Frauen in der Weltgeschichte, die sich von ihnen anstecken ließen und den fast 3000 Jahre alten Traum in ihrer Zeit, in ihrer Lebenslage weiterträumten.

(Die anregenden Gedanken zur Bildinterpretation verdanke ich Herbert Fendrich, „Jesaja in Pennsylvania. Nicht nur ein amerikanischer Traum“, in „Wir sagen euch an...“, Hausbuch zur Advents- und Weihnachtszeit, München 2.Auflage 2003.)


Pfarrer Stefan Mai

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