Ein vorlauter Gast

Predigt zum 22. Sonntag im Jahreskreis (Lk 14,1.7-14)

Predigt

Wenn Sie ein Fest ausrichten und Gäste einladen, dann haben Sie ganz unbewusst auch Erwartungen an Ihre Gäste. Sie wollen den Gästen etwas gönnen, wünschen sich, dass diese gerne kommen, sich mit Ihnen freuen, vielleicht einen kreativen Beitrag zum Fest beisteuern, ansonsten das Fest und die Stimmung genießen. Gäste, die sich mords aufspielen, Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollen oder gar kräftig auf die Pauke hauen, die empfinden wir als sehr unangenehm oder sogar unverschämt.
Wenn ich das Lukasevangelium lese, dann wundere ich mich, auf wie vielen Festen Jesus zu Gast war. Eine richtige „Feiernudel“, dieser Jesus:
Da gibt der Zöllner Levi in seinem Haus ein großes Festmahl. Viele seiner stinkreichen Berufskollegen hat er eingeladen, aber auch Jesus ist unter seinen Gästen.
Jesus lässt sich auch vom vornehmen Pharisäer Simon einladen. Simon fühlt sich durch seine Anwesenheit geehrt. Doch da verdirbt eine Frau die ganze Festtagsstimmung, als sie mit ihrem neckischen Füßesalben die Augen aller auf sich und Jesus zieht.
Zwei Schwestern, Maria und Marta, bereiten Jesus einen großen Empfang und freuen sich über seinen Besuch.
Ein anderer Pharisäer lädt Jesus zu Tisch ein. Doch der fällt aus der Reihe, weil er sich nicht an die Anstandsregeln hält: Ohne die Hände zu waschen setzt er sich einfach an den Tisch.
Zachäus ist außer sich vor Freude: Ganz oben auf dem Baum hat Jesus den kleinen Mann entdeckt und zu sich gerufen. Er springt sofort vom Baum herunter und kann es kaum fassen, dass Jesus alle Honoratioren stehen lässt und seiner Einladung zum Fest folgt.
Ausdrücklich gibt Jesus seinen Jüngern den Auftrag, das Paschamahl vorzubereiten, um es vor seinem Leiden gemeinsam mit ihnen zu feiern.
Und als Auferstandenen finden wir Jesus wieder zu Gast bei den Jüngern in Emmaus und bei den anderen Jüngern in Jerusalem, die ihm einen gebratenen Fisch reichen.

Es hat den Anschein, als könne Jesus von Festen und Gastmählern gar nicht genug bekommen. Aber eines macht mich stutzig. Jesus ist nirgends ein pflegeleichter Gast. Er macht keinen Bückling vor den Gastgebern. Er hört nicht brav zu. Auch einen Toast auf den Gastgeber erwartet man aus seinem Mund vergebens. Im Gegenteil: Jesus spricht oft ganz schön auf und tut so, als sei er selbst der Gastgeber. Er trumpft auf, redet mächtig ins Gewissen, ja stellt Gastgeber sogar bloß.

Als sich die Pharisäer über Jesus mokieren, dass er mit solchen Leuten wie den Zöllnern isst, verpasst er ihnen einen kräftigen Denkzettel: „Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken.“
Dem Pharisäer Simon, der die ungebetene Frau am liebsten schnell wieder loswerden möchte, macht Jesus Vorhaltungen. Das Verhalten der Frau dagegen, über die man sich in der Stadt die Mäuler zerreißt, lobt er über den Schellenkönig.
Und die Verwunderung des vornehmen Pharisäers darüber, dass sich Jesus nicht wie alle anderen vor dem Essen die Hände wäscht, reicht, um Jesus zu einer richtigen Schimpfkanonade über dessen Zunft zu reizen: „Ihr schaut nur aufs Äußerliche. Innen seid ihr voll Raubgier und Bosheit...Ihr falschen Fünfziger...“ Unerhört, diese Beleidigungen!
Sogar die brave Marta, die sich um Jesus so bemüht und ihm fürstlich aufkocht, bekommt ihr Fett ab, als sie es wagt, auf die Untätigkeit ihrer Schwester hinzuweisen.
Den eigenen Jüngern ergeht es nicht anders. Ihnen wirft Jesus beim letzten Festmahl Karrieregeiertum vor und fordert ihr Umdenken. Den gleichen Vorwurf hat Jesus schon früher den Gästen gemacht, die nur auf die Ehrenplätze schielen und immer höher hinauswollen. Davon haben wir heute im Evangelium ja ausführlich gehört. Nein, ein bequemer Gast war Jesus wahrhaftig nicht.

Liebe Zuhörer, wie leicht sagen wir: Jesus ist bei uns hier im Gottesdienst zu Gast. Wie oft beten Menschen vor dem Mittagstisch: „Komm Herr Jesus sei unser Gast!“ Wie oft wird in Predigten dazu ermuntert, Jesus als Gast in unsere Häuser und unser Leben einzuladen. Aber eins ist klar: Jesus wird sich auch da nicht verrenken und sich brav in die Ecke setzen. Er spielt auch bei uns nicht den braven Gast. Wer ihn ernst nimmt, wird sich darauf gefasst machen müssen, dass er sich kein Blatt vor dem Mund nimmt und ihm kräftig die Meinung geigt. Ich denke jeder von uns ahnt es, wie er auf meinem Fest auftreten würde und was er mir zu sagen hätte.

Fürbitten

Ein Leben ohne Fest und Feiern ist wie ein langer mühsamer Weg ohne Rastplätze. Wir brauchen sie zum Innehalten und Genießen. Gott, wir bitten dich:

Für alle, die in der nächsten Zeit ein freudiges Ereignis feiern und diese Freude in einem großen Fest mit anderen teilen wollen. Du Freund des Lebens...

Für alle, die aus Berechnung bestimmte Gäste zu ihren Festen einladen oder ihre gesellschaftliche Stellung durch das extravagante Niveau ihrer Feier hervorkehren wollen. Du Freund des Lebens...

Für alle Familien, die mit Freude und viel Überlegung das Fest der Taufe, der Erstkommunion, der Firmung oder des Geburtstages ihrer Kinder vorbereiten. Du Freund des Lebens...

Für unsere Verstorbenen, die auf das große Fest ohne Ende bei dir gehofft haben. Du Freund des Lebens...

Gott, lass uns bei unseren Festen Dank für all das sagen, was uns an Gutem geschenkt wurde und in Zuversicht den Weg unter die Füße nehmen, der vor uns liegt. Darum bitten wir durch Christus, unsern Herrn.


Pfarrer Stefan Mai

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