Zauberwort „StiHaZeire“

Predigt zu Lk 9,18-24 (C/12)

Einleitung

Aus den Märchen wissen wir: Wer das Zauberwort kennt, dem wird das Leben leicht. Er hat Zugang zu Türen, die anderen verschlossenen bleiben. Er hat bestimmte Fähigkeiten, die ihm weiterhelfen und von denen die anderen nur träumen können. Man muss eben nur das Zauberwort wissen: „Tischlein deck dich!“ - „Sesam öffne dich!“ Im heutigen Gottesdienst habe ich auch für euch ein Zauberwort mitgebracht. Ich sage es euch schon einmal: „StiHaZeire“. Und ich meine, es ist gut, wenn man den Schlüssel zu diesem Zauberwort kennt.

StiHaZeiRe hängt vor dem Altar

Predigt

Mir fällt an Kindern auf, dass ihnen an Jesus vor allem eines gefällt: Er tut so viele Wunder, er heilt viele Kranke, er hilft Menschen aus der Patsche. Er scheint fast ein Mensch mit übernatürlichen Fähigkeiten zu sein. Er durchblickt alles und lässt sich nie klein kriegen. Auch der Evangelist Lukas fragt sich: Woher hat er das alles? Und für Lukas steht fest: Es ist das Gebet, das ihm die innere Stärke gibt. Und wir sehen im Lukasevangelium das Bild ständig vor Augen: Jesus geht in die Stille, um zu beten. Jesus betet bei der Taufe. Und Gott schenkt ihm seinen Geist. Jesus betet, wenn er wichtige Entscheidungen zu treffen hat; er betet, bevor er zu großen Auftritten vor vielen Menschen zusammenkommt; und er betet, bevor er die schwersten Stunden seines Lebens bestehen muss.

Lukas möchte Jesus seinen Zuhörern als Vorbild hinstellen. Er sagt uns: Wenn du selbst in den Spuren dieses Mannes gehen möchtest, mit Menschen gerecht und gut umgehen möchtest, in schwierigen Situationen nicht gleich durchdrehen willst, wenn du tragfähige Entscheidungen treffen willst, dann mach’s wie er: Nimm dir Zeit zum Gebet.

Aber das ist gar nicht so einfach, das mit dem Beten. Das geht nicht von heute auf morgen. Das Gebet ist nicht einfach abrufbar und man kann es nicht wie eine Zauberwaffe aus Sack ziehen. Aber es gibt ein Zauberwort, um das Beten Stück für Stück zu lernen. Aus meiner Beobachtung von Menschen, die das Beten können, meine ich vier Regeln abgelesen zu haben.

Das erste Kind zeigt Plakat „Stille“ – dabei eine Klangschale anschlagen

Wer beten will, muss vorher eines gelernt haben: still zu sein. Beim Beten kann man nicht mit der Tür ins Haus fallen. Es hilft, sich ruhig hinzusetzen, die Stereoanlage abzuschalten, das Handy abzustellen, den Computer herunterzufahren. Vielleicht sogar die Augen zu schließen – und nur einmal zu horchen, welche Geräusche ich wahrnehme. Die Stille ist wie ein Vorzimmer zum Gebet.

Das zweite Kind zeigt Plakat 2 „Haltung“ – dabei eine Klangschale anschlagen

Eine Mutter erzählt, ihr siebenjähriger Alexander hat überhaupt keine Freude am Gottesdienst. Daheim stellt er sich beim Beten oft stur. Aber als er an den Weihnachtstagen während der Dämmerung in einer fremden Kirche war und an der Krippe eine Teelichte anzünden durfte, ging er plötzlich in die Knie, formte aus seinen Händen eine Schale und hielt ganz andächtig die Teelichte in seinen Händen. Er ahmte die Krippenfiguren nach, die alle in der gleichen Haltung vor dem Jesuskind knieten. Und man spürte, wie ihm diese Haltung gut tat.

Vielleicht müsst ihr auch ein wenig experimentieren, welche Gebetshaltung euch gut tut: Das kann das einfache Sitzen sein, ihr könnt euch aber auch auf den Teppich in eurem Zimmer legen, ihr könnt die Hände falten oder die Hände – wie der Priester beim Gottesdienst – ausbreiten oder sie zu einer Schale formen. Ihr könnt euch auch bewusst hinknien oder fest wie ein Baum verwurzelt hinstellen. Hauptsache ist nur, dass es eure Haltung wird.

Das dritte Kind zeigt Plakat 3 „Zeit“ – dabei eine Klangschale anschlagen

Gut Ding braucht Weile, sagt ein Sprichwort. Das ist auch beim Beten so. Es braucht einen bestimmten Zeitraum, den man reserviert und in dem man nichts anderes tut. Es besteht nämlich die Gefahr: Ich fange an – und lasse mich sofort ablenken. Es könnte eine Hilfe sein: Ich stelle meine Stoppuhr auf 5 Minuten ein – und solange versuche ich, mich vor ein Bild zu setzen, aufs Kreuz zu schauen, für Menschen zu beten, die ich gern habe oder mit denen ich nicht so gut zurecht komme. Ich erzähle dem lieben Gott, was mich freut oder was mich ärgert. Oder ich nehme mein Gesangbuch und lese die Strophen eines Liedes – oder summe es vor mich hin. Und erst, wenn die Stoppuhr piepst, höre ich wieder auf. Gebet braucht einfach Zeit.

Das vierte Kind zeigt Plakat 4 „regelmäßig“ – dabei eine Klangschale anschlagen

Alles Lernen braucht Wiederholung. Einmal ist Keinmal. Wenn etwas nicht wiederholt wird, dann geht es nicht tief. Damit etwas in Fleisch und Blut übergeht, musst du es öfters und immer wieder tun. Das ist schon mit dem Fahrradfahren, dem Computerschreiben, dem Fußballspielen so. Wenn ich ein Gedicht oder ein Lied lerne, dann bleibt es mir nur dann auf Dauer im Kopf, wenn ich es von Zeit zu Zeit wiederhole. Und ich denke, das trifft auch beim Beten zu. Wenn ich beten können will, dann werde ich das nur lernen und Spaß daran haben, wenn ich es immer wieder tue. Es kommt auf die Regelmäßigkeit an. Eine Hilfe ist es, mir einen bestimmten Punkt am Tag dafür zu reservieren: Das kann abends vor dem Bettgehen sein, beim Aufstehen, bevor ich anfange mit den Schulaufgaben, oder: wenn ich mein Gesicht im Spiegel sehe.

Liebe Leser, StiHaZeiRe, das ist nicht nur ein Zauberwort für Kinder, um das Beten zu lernen.„Sti“ – „Stille“, „Ha“ – „Haltung“, „Zei“ – „Zeit“, „re“ – „regelmäßig“, das sind auch für uns Erwachsene Grundelemente, um überhaupt beten zu können.


Pfarrer Stefan Mai

© Stefan Mai 2001 - 2024
Alle Rechte vorbehalten.
Vervielfältigung nur mit Genehmigung von Pfarrer Stefan Mai.

www.stefanmai.de