Vier kleine Worte

Predigt zum Fronleichnamstag 2004


In jeder Eucharistiefeier hören wir bei der Wandlung an der Stelle, wenn der Priester das Brot in die Hand nimmt, die Worte: Er nahm das Brot und sagte Dank, brach es, reichte es seinen Jüngern ... Diese vier Worte waren entscheidende Schlüsselworte bei der Erzählung von der Speisung der 5000 und dem Abendmahlsgeschehen. Wie oft haben wir sie schon bei der Wandlung gehört. Aufregend klingen sie gerade nicht. Sie klingen so gewohnt, so alltäglich. Sie können aber auch eine Tiefendimension gewinnen, wenn ich sie einmal näher betrachte. Und das möchte ich mit ihnen, heute an Fronleichnam, einem Fest, an dem die Eucharistie im Mittelpunkt steht, tun. Was sagen diese Grundgesten des Abendmahls über unseren Glauben, über unser Leben aus?

1. „Er nahm das Brot.“ Am ersten Tag im Priesterseminar nahm ich mein Brot, wie ich es von daheim gewohnt war, in die Hand. Da rügte mich ein höheres Semester, das stilecht mit Messer und Gabel sein Brot aß und fragte mich zynisch, ob ich denn keine Manieren hätte. Ich wurde wütend und warf ihm vor: „Wenn du dich schon einmal auf den Feldern geplagt hättest und zu dem, was du im Brot in der Hand hast, einen Bezug hättest, würdest du nicht so dumm daherreden.“ Es hat mich schon immer bewegt, wenn es heißt: „Er nahm das Brot“. Jesus nimmt ehrfurchtsvoll in die Hände, worum Menschen sich geplagt haben. Lateinisch heißt es sogar „accepit“. Er akzeptiert es, schätzt es hoch, nimmt es ernst. Und ich denke mir: Er akzeptiert auch mich, nimmt ernst, worum ich mich mühe, nimmt meinen Schweiß, mein Bemühen, mein Nachdenken und Grübeln an. Jeder Mensch sehnt sich nach Beachtung, nach Wertschätzung und Ansehen. Welch ein Segen, wenn ich den eucharistischen Worten Glauben schenken kann: Er nimmt Anteil an meinem Leben.

2. „Er sagte Dank – er sprach den Lobpreis.“ Manchmal befürchte ich: Je öfter Menschen heute „Danke“ sagen, desto mehr leidet der Inhalt, desto mehr wird es zu einer Höflichkeitsfloskel, desto gezielter wird es geschäftsmäßig eingesetzt im Sinn gespielter Freundlichkeit. Aber wir wissen zugleich: Ohne der Haltung der Dankbarkeit gibt es kein Glück, keine Zufriedenheit im Leben. Die Haltung der Dankbarkeit bringt erst die richtige Sichtweise ins Leben. In der lateinischen Sprache wählte man für den Ausdruck: „Er sagte Dank“ oder „er sprach den Lobpreis“ das Verb „benedixit“ - wörtlich: Er sagte Gutes. Wer danken kann und weiß, dass keiner Anspruch auf alles hat und niemand sich selber verdankt, dem ist es möglich zu sagen: Das Leben ist gut eingerichtet.

3. Er brach das Brot. Das Brot wird in Stücke geteilt, bevor es ausgeteilt wird. Das Gute, das Schöne, die Lebenskraft gibt es nicht auf einmal. Nie im ganzen. „Keinem gab er alles und keinem gab er nichts. Jedem seinen Teil“, so heißt es in einem Tagesgebet. Im Lauf meines Lebens erfahre ich durch viele Menschen, in vielen Situationen, in vielen kleinen Portionen, dass mir Gutes widerfährt. Und woher würden Menschen immer wieder die Kraft nehmen, wenn so mache Hoffnung zerbricht, so manches Schwere im Lauf eines Lebens über sie hereinbricht, wenn ihnen nicht in diesen Stunden die nötige Portion Lebenskraft zuwächst.

4. „Er reichte es seinen Jüngern“. Jesus gibt weiter, wofür er selbst gedankt hat. Er schenkt weiter, womit er sich selbst beschenkt sieht. Er lässt anderen zukommen, wovon er selbst lebt. Er verteilt keine Rezepte, sondern gibt von dem weiter, was ihm selbst Kraft schenkt. Wenn die Maxime wäre, jeder gibt von dem weiter, was ihm selbst geschenkt ist, dann würden wir automatisch die nicht überfordern, die es im Leben nicht leicht haben, denen viel vorenthalten blieb. Und es wäre selbstverständlicher, dass die eine Bringschuld haben, denen viel mit auf dem Weg gegeben wurde: Intelligenz, eine gesunde Natur und Psyche, große Begabungen, eine Leben ohne große Probleme, ohne Krisen und Schicksalsschläge, die ein Lebensgebäude zusammenstürzen lassen. Und wer von dem Brot, von dem er lebt und dankbar ist, anderen weiterreicht, auf den strahlt es zurück: der wird nicht zum „Eigenbrötler“.

Liebe Leser! Vier Schlüsselworte der Eucharistie: Nehmen – brechen – Dank sagen – weiterreichen. Ich spüre: Das sind nicht nur liturgische Floskeln. Das sind Schlüsselworte zum Verstehen eines gelungenen Lebens.


Pfarrer Stefan Mai

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