Hat es einen Sinn?

Predigt zum 3.Ostersonntag (Joh 21,1-19)

Einleitung

„Das größte auf der Welt ist es, einen Menschen zu erziehen“ – so las ich einmal. Würden Sie diesem Satz zustimmen?
Fakt in unserer Gesellschaft ist nach der europäischen Wertestudie: Dinge stehen bei uns höher im Kurs als das Leben. „Man müsste in Europa als Auto auf die Welt kommen“ – so ist das spöttische Fazit des Pastoraltheologen Zulehner über diese Wertestudie.
Kein Wunder, dass Menschen immer unsicherer werden in der Frage nach dem Wert der Erziehung von Kindern. Es gibt zu denken: In Hamburg stehen jedem Kind vier Autos gegenüber, in München sogar fünf. „Unscheinbares Leben gegen eine Übermacht aus Blech“( Franz Kamphaus). Herr, erbarme dich!

Predigt

Als sie ihr erstes Kind erwartete, war sie Anfang zwanzig: gerade der Schule entschlüpft, noch auf der Suche nach einem richtigen Beruf. Mittlerweile sind es vier geworden – erwünschte, fröhliche Kinder. Für sie, die „Nur-Hausfrau“, ist das Knochenarbeit. Die Kleine täglich viermal wickeln, Nase putzen, anziehen, ihr Essen geben, sie an der Hand führen und erste Laufschritte üben – unzählige Handgriffe, innere Aufmerksamkeit und Geduld braucht dieses Kind. Die Zweite muss zum Kindergarten gebracht und wieder abgeholt werden, der dritte am Nachmittag zur Klavierstunde gefahren werden und dann heißt es, für eine Stunde mit allen nach draußen, auf den Spielplatz. Der Große ist ein verstummter pubertierender Junge, der sich gerade noch auf die gemeinsamen Mahlzeiten einlässt. Sie behält alle im Blick. Und zwischen Waschen, Einkaufen, Kochen und das Haus bewohnbar halten, löst sie zigmal am Tag Konflikte und schließt Kompromisse. Da gibt es keinen Leerlauf; das alles ist sinnvoll, dient dem Leben und – sie macht es gerne.
Und doch zweifelt diese Frau an sich selbst. Sie hat das Gefühl, durch alle Raster zu fallen. Für diese Arbeit bekommt sie kaum Anerkennung. Sie müsste wenigstens ein paar Stunden in der Woche auch berufstätig sein, um dem Bild der starken Frau in unserer Gesellschaft zu entsprechen ( entnommen aus: Melitta Müller-Hansen: „Wir stehen zusammen“ – Gedanken zum Tag )

Ich kenne kaum eine andere Personengruppe, die aufgrund unserer gesellschaftlichen Trends sich gerade in der Mitte des Lebens diese Frage so häufig stellt, wie die Frauen, die sich bewusst für mehr Kinder entschieden haben und berufliche Karriere für sie aufgegeben haben: War meine Entscheidung richtig? Hat sich meine Erziehungsarbeit überhaupt gelohnt? Ich hab doch soviel investiert, aber wer dankt mir wirklich und was ist bei allem guten Willen dabei herausgekommen? Wenn ich andere Lebensgeleise gelegt hätte, woanders meine Kräfte investiert, vielleicht hätte ich mehr innere Befriedigung, mehr Anerkennung, mehr Prestige erhalten. Vielleicht stünde ich heute ausgeglichener und glücklicher da?

Liebe Leser, es bringt mich zum Nachdenken, welche Szene nach der Schilderung aller Umsonst- und Erfolglosigkeitserfahrung des Petrus und seiner Freunde folgt. Da stellt Jesus dem Petrus drei Mal die Frage nach der Liebe.
Wenn Menschen, egal ob als Vater oder Mutter, Lehrer oder Pfarrer ins Zweifeln kommen, ob ihre Arbeit und ihr Lebenseinsatz überhaupt einen Sinn haben, weil die Erfolge so schwer zu sichten sind, dann - denke ich - gibt das heutige Evangelium nur den einen Rat: Frage dich, ob du deine Aufgabe mit Aufmerksamkeit und Liebe getan hast. Und wenn du dir dies sagen kannst: Ich habe das meinige aus Liebe und mit Liebe getan und wollte mit dieser Einstellung Menschen und dem Leben dienen, dann lass dich nicht irre machen, auch wenn dein Lebensentwurf nicht in das gängige Raster unseres Gesellschaftstrends passt. Denn was gibt es größeres auf dieser Welt als dass ein Mensch das seinige aus Liebe tut?


Pfarrer Stefan Mai

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