Welcher Typ sind Sie?

Ostersonntag 2004 (Joh 20,118)

Wer glaubt eigentlich mehr? Maria von Magdala, die frühmorgens, noch bei Dunkelheit zum Grab geht und erschrickt, dass der Stein weggenommen ist. Oder der Lieblingsjünger, dem diese Nachricht schnelle Beine macht und der als erster am Grab ist, aber nicht hineingeht. Oder der offensichtlich betagtere Petrus, der bei diesem Wettlauf nicht mehr mithalten kann, aber dann doch als erster ins Grab geht.
Alle drei zieht es zum Grab. Alle drei treibt eine Sehnsucht. Aber alle drei verhalten sich am Grab ganz unterschiedlich.
Den Stein ins Rollen bringt die sensible Maria von Magdala. Sie ist aber zugleich die Unsicherste. Sie muss erst einmal davon erzählen. Sie sucht Begleitung und Bestärkung. Und obwohl sie das erste das Gefühl hat, dass hier etwas umwerfend Unheimliches passiert ist, ist sie die Letzte von den dreien, die zum Osterglauben kommt.
Bei Petrus geht das schneller. Er ist zwar der langsamste Läufer, aber dafür der schnellste im Glauben. Er macht nicht viel Aufhebens. Er schaut sich einmal gründlich in der Grabkammer um, registriert alles, was da herumliegt – und dann ist für ihn die Sache klar: Jesus ist auferstanden. Was das bedeutet, das interessiert ihn nicht.
Der Lieblingsjünger steht so zwischendrin. Er lässt sich sofort von der seelenverwandten Maria anstecken. Eine Ahnung beflügelt ihn. Er spitzt vorsichtig in die Grabkammer hinein, macht sich seine Gedanken, aber lässt lieber den Hau-Ruck-Menschen Petrus voran. Als er dann in die Grabkammer geht, sieht er zwar das gleiche wie Petrus – aber alles in einem anderen Licht. Es heißt: „Er sah und glaubte.“
Die Sensible bekommt eine Sonderbehandlung. Als die Männer schon längst wieder zur Tagesordnung übergegangen sind, da geht es bei Maria von Magdala erst richtig los: Sie ist ganz außer sich. Tränenüberströmt steht sie vor dem Grab. Wo die Männer nur Tücher sehen, sieht sie Engel sitzen. Aber das reicht ihr noch nicht. Sie muss erst noch zärtlich von Jesus angesprochen werden. Erst als sie aus seinem Mund ihren Namen hört, kann sie glauben und zur Glaubensbotin werden.
Drei Typen von Glaubenden werden uns im Evangelium des Ostersonntags vor Augen gestellt. Der eine Typ ist der Johannestyp. Der in sich Gekehrte, der im Vordergründigen tiefsinnige Symbole des Glaubens erkennt. Der andere Typ ist der Petrustyp: Er kommt weder ins Schwärmen, noch hält er viel von tiefsinnigen Reflexionen. Er glaubt einfach. Riten und Zeichen genügen ihm. Der dritte Typ ist der Magdalena-Typ: Ihre innere Unruhe ist ihr großer Schatz, aber würde sie auch verrückt machen, wenn sie nicht sensibel behandelt würde. Sie braucht den persönlichen Zuspruch. Und sie ist noch lange nicht fertig, wenn für alle anderen alles schon klar ist.
Liebe Leser, wozu rechnen Sie sich?


Pfarrer Stefan Mai

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