Das Zauberwort „Nein“

Predigt zum 4. Fastensonntag

Kinder zu erziehen war noch nie eine leichte Aufgabe. Davon kann jede Generation ihr Lied singen. Davon erzählt auch schon Jesus in seinem Gleichnis vom verlorenen Sohn.
Wie schwer hat es da der Vater, seinen beiden so unterschiedlichen Söhnen gerecht zu werden. Ein wahres Kunststück – so unterschiedlichen Typen gerecht zu werden und noch schwieriger, sie zusammen zuhalten, Verständnis füreinander zu wecken.

Und es bleibt im Gleichnis Jesu bis zum Schluss offen, ob der gute Wille und das Bemühen des Vaters Erfolg hatte oder doch ins Leere ging.

Kinder zu erziehen ist heutzutage keine leichte Sache, vor allem aufgrund eines Faktums: Das ständig wachsende Anspruchsdenken. Damit setzen sich z. Zt. die Kinder unseres Kindergartens anhand eines Bilderbuches auseinander, das davon erzählt, wie ein gut meinender Vater fast seinen Sohn verloren hätte:

Fridolin hatte Glück.
Er war der Sohn von König Frido dem Dritten.
Und vom Urwald bis zur Wüste ein wichtiges Tier.
„Es soll dir an nichts fehlen“, sagte der Vater.
„Du bist der Sohn des Königs“.

„Wenn du willst, zeige ich dir unser Königreich“, sprach Königsvater Frido zu seinem Königssohn. Doch kaum ein paar Schritte gegangen, stöhnte und klagte der kleine Fridolin:
„Ich mag nicht mehr, trage mich!“
„Jawohl mein Prinz“.
Von diesem Tag an wurde Fridolin jeder Stein aus dem Wege geräumt. Niemals mehr musste er zu Fuß gehen.

Der Vater macht es Fridolin sehr bequem.
Gegessen wurde nur vom Feinsten.
„Ich will Pommes, sofort!“ rief Fridolin.
„Selbstverständlich mein Sohn“, antwortete der Vater und rief nach den Köchen.
„Ich will tausend Kugeln Himbeereis!“
Sofort wurde mit der Eisfabrik telefoniert, und ein Kühllastwagen machte sich auf den Weg.

Eines Abends, als der kleine Fridolin schlafen gehen sollte,
hatte er einen neuen Einfall: „Ins Bett gehe ich nur, wenn alles Kopf steht.“
Gleich wurde ein Befehl erlassen, dass abends alle auf Händen gehen sollten, damit Prinz Fridolin einschlafen konnte.

Nach dem königlichen Frühstück wollte Fridolin einen großen Turm aus Spielklötzen, der bis zu den Wolken reichen sollte.
„Selbstverständlich“, willigte sein Vater ein.
Kaum war der Turm fertig, schrie der Prinz:
„Kaputt machen! Kaputt machen!“
Polternd und krachend fielen die Klötze ..
„Wiederaufbauen! Wiederaufbauen!“ wollte Fridolin.
Fridolins Wünsche wurden immer unmöglicher.
„Ich will Schlitten fahren, jetzt!“ hieß es eines Tages.
„Sofort mein Sohn“, antwortete der König und bestellte funktelefonisch hundert Frachtschiffe Schnee.
Drei Tage dauerte es, bis die Pyramiden aussahen wie die Alpen.
Doch zum Schlittenfahren hatte der Prinz keine Lust mehr.
„Ich will, dass in der Nacht die Sonne scheint! Sofort!“ forderte der Prinz.
„Mein lieber Sohn, wie soll ich denn...“, wollte der König erklären.
„Ich will, dass in der Nacht die Sonne scheint“, brüllte Fridolin dazwischen.

Der König war ratlos und setzte sich auf die Treppe vor dem Palast wo sein Großvater Frido der Erste und sein Vater Friedo der Zweite in Stein verewigt waren. Er schaute zum Bild seines Vaters auf und wollte von seinem Vater wissen: „Als ich klein war, wie hast du das damals mit mir gemacht?“ Doch Frido der Zweite blickte wie immer versteinert von seinem Sockel herunter.

König Frido der Dritte wusste nicht mehr weiter.
Aus aller Welt ließ er Wissenschaftler kommen, um seinem Sohn den Sonnenwunsch zu erfüllen.
Einer von ihnen stellte sich als Zauberer Fuchs vor.
„Wer von euch beiden braucht denn Hilfe?“ wollte er wissen.
„Ich natürlich“, antwortete der König erstaunt.
„Dann muss ich mit dir unter vier Augen reden“, flüsterte der Fuchs ihm ins Ohr.

„Ich kenne das Lösungswort“, sagte der Fuchs zum König.
„Dann sag es mir“, forderte der König.
„Nein“, sagte der Fuchs.
„Wieviel willst du denn haben“ fragte der König.
„Nein“, sagte der Fuchs.
„Du bist ein Betrüger!“ schimpfte der König.
„Nein“, sagte der Fuchs. „NEIN ist das Lösungswort. Oder würdest du auch noch Ja sagen, wenn dein Prinz von der Brücke springen will?“
Langsam dämmerte es dem Vater Frido, dass er seinem Sohn mit dem ständigen Jasagen keinen Gefallen getan hatte.
Prinz Fridolin wartete, bis der Fuchs gegangen war.
„Mach jetzt endlich die Nacht zum Tag!“ foderte er.
„Neeein...NEIN!!!“
Die Wirkung war außerordentlich.
Kaum hatte der Königsvater das Wort laut und deutlich ausgesprochen, bekam der Prinz einen Riesenwutanfall.
Er schrie und stampfte, wütete und weinte, flehte und schrie.....

„Nicht einmal ein Königssohn kann immer alles haben“, tröstete der Vater seinen Sohn liebevoll.
Fridolin hörte auf zu weinen.
Er dachte nach.
Lange schaute er seinem Vater in die Augen.


Im Gleichnis vom verlorenen Sohn, konnte ein Kind wieder neu zu leben beginnen, weil ein Vater ein eindeutiges „Ja“ gesagt hat.
Vielleicht könnten heute mehr Kinder wieder zu leben beginnen, wenn sie wie der kleine Fridolin das Zauberwort – ein entschiedenes „NEIN“ zu hören bekommen würden.


Pfarrer Stefan Mai

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