„Montags in der Sonne“ und die Seligpreisungen

Predigt zu Lk 6,17.20–26 (C/6)

Einleitung

„An Arbeit stirbt kein Mensch. Aber vom Ledig- und Müßiggang kommen die Leute um Leib und Leben. Denn der Mensch ist zur Arbeit geboren wie der Vogel zum Fliegen“ – meint Martin Luther.
Was aber, wenn jemand einfach keine Arbeit bekommt? Wird ihm dann nicht ein Menschenrecht vorenthalten und Armut vorprogrammiert?

Predigt

„Montags in der Sonne“, so lautet der Titel eines neuen spanischen Films. Dieser Titel riecht nach Urlaub, verheißt Romantik und Freiheit. Aber der Film erzählt vom Schicksal von fünf arbeitslosen Werftarbeitern, für die es ein Fluch ist, „montags in der Sonne“ alle Zeit der Welt zu haben.
Die fünf Werftarbeiter haben alles versucht, um ihre Arbeitsplätze zu retten: Überstunden geschoben, Gehaltskürzungen hingenommen, gestreikt, schließlich die Werft besetzt. Doch alles vergeblich. Sie sind zu alt, um im Berufsleben noch einmal neu anzufangen. So entwickelt jeder seine eigene Überlebensstrategie. Der eine macht eine Hafenkneipe auf. Sie wird zum Treffpunkt seiner ehemaligen Kumpel, die meistens die einzigen Gäste bleiben. Ein anderer färbt sich die Haare, um bei den Bewerbungsgesprächen jünger auszusehen – und scheitert jedes Mal an seiner Nervosität. Der dritte kommt sich als Versager und Nichtsnutz vor, weil seine Frau in einer stinkenden Fischfabrik allein das Geld verdienen muss. Der Vierte gefällt sich in der Rolle eines verbitterten Klassenkämpfers. Und Amador kommt nicht darüber hinweg, dass seine Frau ihn verlassen hat. Er betäubt den Verlust seiner Arbeitsstelle und den Schmerz der Trennung mit Alkohol – und hofft, in der verdreckten Wohnung verzweifelt auf die Rückkehr seiner Frau. Das Schicksal der Fünf spiegelt die Facetten der Arbeitslosigkeit wider: den Verlust der Würde, der Wut, die Abwärtsspirale, die Ehekrisen, die Selbstaufgabe, die Verzweiflung – bis hin zu den Fragen nach dem Sinn des Lebens.
Eines Tages sitzt Amador wieder in der Kneipe und kippt einen Whisky nach dem anderen hinter die Binde – und kommt ins Sinnieren. Nach dem 5. Whiskey kommt ihm der Satz über die Lippen: „Entscheidend ist nicht, ob wir an Gott glauben, sondern ob Gott an uns glaubt.“
Obwohl ich den Film selbst noch nicht gesehen habe, treten mir bei einem solchen Satz die Tränen in die Augen: „Entscheidend ist nicht, ob wir an Gott glauben, sondern ob Gott an uns glaubt.“ Und ich möchte behaupten: Das ist eine gute und zeitgemäße Übersetzung dessen, was die „Seligpreisungen“ im Lukasevangelium sagen wollen. Selig ihr Armen, euch gehört das Reich Gottes, das heißt: Gott glaubt an euch, ihr Armen.
Und der Evangelist Lukas stellt diese Seligpreisungen nicht einfach in den luftleeren Raum. Sondern wie ein guter Regisseur führt er uns in seinem Evangelium die Armen ganz nah vor Augen: den Lazarus, der vor der Tür des Reichen um die Abfälle vom Tisch bittet; die Witwe, der Unrecht geschehen ist und die nach einem rechtlichen Beistand schreit … Und Lukas ist ein parteiischer Regisseur: Er zeigt in mitleidlosen Bildern, welche Folgen es für die Reichen hat, wenn sie den Armen gegenüber hart bleiben, an die Gott doch glaubt. Wir sehen den reichen Prasser in seinem Prunk – und dann in seiner Erbärmlichkeit in den Qualen der Hölle. Aber wir sehen auch die anderen Reichen, die sich bewegen lassen: den Verwalter, der die Schuldscheine auf die Hälfte reduziert; den Richter, der sich der Witwe erbarmt.
Der Film „Montags in der Sonne“ endet mit einer Leichenhausszene: Der Sarg des arbeitslosen Säufers Amador steht neben dem eines Vorstandsvorsitzenden. Was dann passiert, ist wie eine Demonstration der Option für die Armen: Ein Arbeitskollege klaut eines der prunkvollen Gebinde, die um den Sarg des Vorstandsvorsitzenden stehen, und stellt es provokativ vor den Sarg des Elenden.
Diese Rolle übernimmt im Lukas Evangelium Jesus selbst. Er schleudert den Reichen seine Weherufe entgegen. In der Synagoge von Nazaret hält er eine feurige Sozialpredigt. Und er setzt sich ausgerechnet mit denjenigen Reichen an einen Tisch, die sich von heute auf morgen auf die Seite der Armen stellen.
Der Regisseur Lukas hofft, dass dieser sympathische Jesus Nachfolger findet und auch die Reichen begreifen, dass sie nur eine Chance haben: statt auf Geld darauf zu bauen, dass Gott auch an sie glauben kann.

Fürbitten

Herr, unser Gott, höre Du unsere Bitten:

– Für die Menschen ohne Arbeit, die von vielen Sorgen gequält werden, besonders für jene, deren Beziehungen in der Familie dadurch gefährdet sind …

– Für die Menschen, die der Armut und vielfältiger Not ausgesetzt sind und das alles aus eigener Kraft nicht mehr in den Griff bekommen können …

– Für alle, die die Achtung vor sich selbst verloren haben, weil niemand auf sie wartet und an sie glaubt …

– Für alle jungen Menschen, die zur Zeit Bewerbungen um eine Arbeitsstelle schreiben und denen das Warten an die Nerven geht …


Pfarrer Stefan Mai

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