In Erinnerung an unseren langjährigen Organisten Claus Bätz

Traueransprache für Claus Bätz

Einleitung zu Requiem

Wir haben uns an dem Ort versammelt, der unserem Verstorbenen Claus Baetz ans Herz gewachsen war. Bis vor kurzem wohnte er in allernächster Nähe zu unserer Kirche St. Maximilian Kolbe, in direkter und guter Nachbarschaft. Er pflegte diese Nachbarschaft. Hier kehrte er gern ein. Am Nachmittag zum Rosenkranz, am Morgen oder Abend zum Gottesdienst. Sein liebster Ort in dieser Kirche war der Platz an der Orgel. Seit über 60 Jahren ist er Organist gewesen. 45 Jahre in Oberschlesien, 16 Jahre bei uns am Deutschhof, einige Jahre schon zur Zeit von Pfarrer Kargl und er ist es geblieben, solange ich hier Pfarrer bin. Oft begleitete er auch den Gesang bei den Gottesdiensten von Krankenhauspfarrer Franz Feineis in der Krankenhauskapelle.
Für ihn war Lebensmotto, was der Psalmist einmal in die Verse brachte: „Ich will den Herrn loben, solange ich lebe, meinem Gott singen und spielen, solange ich da bin.“ Der Grund seines Dienstes war die Freude an der Liturgie seit Kindheit an. Tausende Male hat er die Orgel geschlagen, bei Festgottesdiensten oder ganz normalen Werktagsgottesdiensten, in vollen Kirchen und für wenige Besucher, bei freudigen Anlässen der Menschen und in traurigen Stunden, in Moll- und Dur-Harmonien. Bis ins hohe Alter und bis kurz vor Weihnachten wollte er die Liebe zu Gott und die Ehrfurcht vor ihm in die Herzen der Menschen hineinspielen und ihnen helfen, etwas mehr von seiner Größe zu erahnen. Tausende Male ermunterte er uns: Nehmt Gottes Melodie doch in euch auf und macht sie auch draußen vor der Kirchentür zur Begleitmusik eures Lebens. Dass er diesen Dienst so glaubwürdig in unserer Gemeinde versah und dazu in einer originellen Art, dafür dankt ihm die Pfarrgemeinde von St. Maximilian Kolbe von Herzen und sagt ihm Vergelt´s Gott. Und wir danken Gott, dass er ihm diese Freude des Musizierens geschenkt hat.


- Franz singt: Gott ist Musik -



Fürbitten

In Trauer und Dankbarkeit sind wir heute zusammengekommen, um das Requiem für unseren Organisten Claus Baetz zu feiern. Gott, wir bitten dich:

Wir beten für unseren Verstorbenen, der zur Ehre Gottes und zur Freude der Menschen in unserer Gemeinde die Orgel spielte. Lass ihn den Glanz deiner Herrlichkeit schauen.

Wir beten für alle Menschen, denen es ein Herzensanliegen ist, durch Musik die Menschenherzen zu bewegen und sie etwas von der Größe Gottes erahnen zu lassen. Schenke ihnen selbst Freude dabei.

Wir beten für alle lebenden und verstorbenen Wohltäter dieses Gotteshauses. Lohne all ihre Mühe und Opferbereitschaft.

Wir beten für alle Menschen, die mit ihren Sorgen und Nöten hier in diese Kirche kommen und dich um Hilfe bitten. Höre auf ihr Gebet.

Wir beten für uns selbst. Erhalte uns die Freude am Glauben ein Leben lang.

Darum bitten wir...

Traueransprache auf dem Friedhof

Lesung: 2 Kön 20,1-11

Diese Erzählung vom todkranken Hiskija ist für mich eine bewegende Geschichte von der Sehnsucht eines Menschen, leben zu dürfen, eine bewegendes Glaubenszeugnis eines Menschen, der seine ganze Hoffnung auf Gott setzt und dessen Gebet erhört wird.

Im Jahre 1940 war eine Mutter nach Ostpreußen unterwegs, um im Lazarett ihren Sohn zu suchen, der schwer verwundet von Russland dorthin gebracht wurde. Kopfschuss. Der 18-jährige Soldat war nicht ansprechbar. Die Ärzte machten keine Hoffnungen. Da lief sie in die Kirche und legte sich in Kreuzform auf den Boden. Die ganze Nacht blieb sie dort liegen, weinte und bettelte Gott an: „Du kannst doch nicht einfach einen jungen Menschen, der angefangen hat, zu deiner Ehre die Orgel zu spielen, schon wieder in so jungen Jahren aus dieser Welt holen!“ Und ihr Gebet wurde erhört.
Der junge Organist war Claus Baetz. Er wurde nach Würzburg verlegt und kam entgegen aller ärztlichen Prophezeiungen langsam wieder zu Kräften. Mit eisernem Willen trainierte er seine kaputte Hand und ließ sich auch durch sein durch den Kopfschuss beeinträchtigtes Gehör nicht beirren, sich wieder an die Orgel zu setzen. Und nach einiger Zeit saß Claus Baetz an der Orgel in Kamin in Oberschlesien und spielte dort aufgrund der starken Pfarrer- und Kaplänebesetzung oft vier Gottesdienste am Tag.
Trotz der vielen Gottesdienste, die er spielte, stumpfte er religiös nie ab. Obwohl er in Oberschlesien fast sein halbes Leben in Kirchen verbrachte war ihm aber auch alles Bigottische fremd. Ein tiefer Schalk saß ihm zeitlebens im Nacken. Schon damals streute er Melodien wie „Du wirst doch nicht aus Liebe weinen“ oder „Komm zurück, ich warte auf dich“ in seine Improvisationen während des Gottesdienstes mit ein, mit denen er seiner späteren Frau Luzia zeigen wollte, dass er sie gern hat. Schon damals konnten die Leute bei solchen Gelegenheiten schmunzeln, wie wir es auch wir oft taten, wenn er manchmal mitten im Sommer „Am Weihnachtsbaum die Lichter brennen“ intonierte oder bestimmte Schlager in der Liturgie ertönen ließ. Warum ihm ein Leben lang eine gesunde und starke Frömmigkeit erhalten blieb, lag wohl darin, dass er neben seinem Organistendienst als rechte Hand des Pfarrers in Kamin angestellt war und stets am Leben der Menschen, an ihren Sorgen und vor allem an ihren Festen teilnahm.
Dieses Gottvertrauen blieb ihm auch stets in seinen vielen Krankheiten und gesundheitlichen Krisen erhalten. „Wenn Gott mich noch braucht, dann lässt er mich auch wieder Orgel spielen“, mit dieser Einstellung überwand er manch lebensbedrohliche Krankheit. So musste er drei Herzinfarkte überstehen, mehrere Operationen und einen schweren Schlaganfall.



Als er nach diesem Schlaganfall im Jahr 1998 aus der Kur zurückkam und zum ersten Mal wieder mit der Hilfe des Stockes und seiner Frau schwankend auf die Orgel zuging und mit letzter Kraft sich auf den Orgelbock zog, musste ich an die Lebensgeschichte von Georg Friedrich Händel denken. Dieser war ebenfalls vier Monate durch einen Schlaganfall kraftlos, konnte nicht gehen, nicht schreiben, mit seiner Rechten nicht eine einzige Taste zum Erklingen bringen. „Vielleicht können wir den Mann erhalten, den Musikus haben wir verloren“, war der Kommentar des Arztes. Mehr aus Verzweiflung und Ratlosigkeit ließ ihn der Arzt in die heißen Bäder von Aachen schicken und was niemand für möglich hielt. Der große Musiker Händel stand wieder auf. Und als er aus Aachen wieder nach England abreiste, hielt Händel noch einmal vor der Kirche an, schleppte sich zur Orgel empor, versuchte zögernd mit seiner wochenlang gelähmten Hand zu spielen, zu improvisieren, war überglücklich, als seine Finger wieder gingen. Und die Leute liefen zusammen, um einen dankbaren wiedergenesenen Musikus spielen zu hören.
„Herr Pfarrer, um gesund zu werden, brauche ich die Orgel, das ist meine beste Kur“, meinte Herr Baetz damals, „ab heute spiel ich nur noch für den lieben Gott, weil er mir diese Gnade nach der schweren Krankheit geschenkt hat. Und er wird bei meinen Fehlern, die sich im Alter einschleichen, lächelnd ein Auge zudrücken. Er weiß doch, dass ich es gut meine.“ Das war Herr Baetz – und seine Frau bibberte unten im Kirchengestühl viel mehr als er oben.

Das Bild wird uns in Maximilian Kolbe in Erinnerung bleiben: Wenn er mit seiner Frau in den letzten Jahren zusammen am Wägelchen den Weg zur Kirche und zu seiner geliebten Orgel ging. Ausdruck seines gelebten Lebens: Gott ist mir zeitlebens Stütze und Halt im Leben gewesen. Es ist besser, Gott zu ehren und zu loben in allen Gebrechen des Alters anstatt seine eigenen Krankheiten zu beweinen.
Mir wird in Erinnerung bleiben, dass er immer mit Krawatte zum Gottesdienst kam. Auch der normalste Werktaggottesdienst war für ihn ein Freude und ein Fest.
Ich werde sein verschmitztes Lächeln nicht vergessen. Es war mehr als trockener Humor. Für mich war es immer eine Form tiefen Gottvertrauens, das er dadurch ausstrahlte. Dieses originelle Glaubenszeugnis hat uns Christen in Maximilian Kolbe gut getan.
Und ich glaube, Gott weiß, in welcher Form er unserem Verstorbenen echte Seligkeit schenken kann. Ich denke: Bei Herrn Baetz geht sie auch drüben nur über die Orgel.


Pfarrer Stefan Mai

© Stefan Mai 2001 - 2024
Alle Rechte vorbehalten.
Vervielfältigung nur mit Genehmigung von Pfarrer Stefan Mai.

www.stefanmai.de